Deutsch-Debatte Einmal "sich drehendes Grillfleisch", bitte!

Bankenkrise? Rezession? Terror? Alles halb so wild! Die CDU setzt ein wirklich wichtiges Thema auf die Agenda: die deutsche Sprache. Ein Bekenntnis zu ihr soll ins Grundgesetz. SPIEGEL ONLINE fragt: Verschwindet jetzt der Döner beim Türken um die Ecke?
Von Christoph Cadenbach

Die CDU weiß, wie man Debatten lostritt - notfalls auch in der eigenen Partei. Ein Bekenntnis zur deutschen Sprache solle im Grundgesetz festgeschrieben werden, beschloss die CDU auf ihrem Parteitag in Stuttgart - gegen den Willen der Vorsitzenden Angela Merkel.

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller, der bald eine Landtagswahl zu gewinnen hat, argumentierte, dass die Sprache eben eines der Dinge sei, die diesen Staat ausmachten.

Und sein Parteikollege Norbert Lammert, Bundestagspräsident, gab an, dass die meisten Verfassungen der EU-Staaten ein solches Bekenntnis zur Sprache enthielten.

Tatsächlich haben 17 der 27 EU-Mitgliedsländer die Sprache in ihrer Verfassung in irgendeiner Form verankert. Frankreich - natürlich. Nicht aber Großbritannien, Italien oder Schweden.

Und auch nicht Deutschland - bisher jedenfalls. Immerhin ist die deutsche Sprache aber schon heute im öffentlichen Bereich gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch hat der Vorschlag seine Wirkung nicht verfehlt.

Politiker aller Parteien streiten, ob ein Bekenntnis so normal wie die schwarz-rot-goldene Flagge sei - oder doch eher nationalchauvinistisch. Migrantenverbände sprechen derweil vom "Bedienen von Ängsten".

SPIEGEL ONLINE hat überlegt, was sich ändern würde, wenn das Bekenntnis zur deutschen Sprache durchgesetzt werden würde - und zwar in aller Konsequenz, das heißt: in unserem Alltag. Keine Anglizismen mehr, auch kein Döner, kein Shampoo.

Und auch SPIEGEL ONLINE würde amputiert - denn schließlich ist ja die Hälfte des Namens dem Englischen entlehnt.

Viel Spaß also mit einem sprachreinen Zukunftsszenario von SPIEGEL VERBUNDEN!

Einmal "Hinterteil" und "zerbrochene Stücke", bitte!

Die Begriffe rund um die Nahrungsaufnahme bilden einen mit Anglizismen und anderen Fremdwörtern gespickten Sprachsalat. Würden wir auf alle Produkte nicht deutschen Namens verzichten, wir müssten wohl verhungern.

Döner - Döner ist laut Wikipedia die Kurzform des türkischen "döner kebap" und bedeutet so viel wie "sich drehendes Grillfleisch". Bestellen Sie das mal bei Mustafas "Antalya Grill" um die Ecke. Viel Spaß.

Rumpsteak - Bedeutet in etwa: "Hinterteilbraten". Wobei "Hinterteil" nur verwirrt, weil das Rumpsteak eigentlich aus einer Rückenpartie geschnitten wird, dem sogenannten Roastbeef - womit wir bei einem anderen Sprachproblem wären.

Chop Suey - Bevor Thailänder und Vietnamesen die Herrschaft über die asiatische Küche in Deutschland gewannen, war das chinesische Mischgemüse-Gericht Chop Suey die Curry-Wurst der Essstäbchen-Esser. Übersetzt heißt das soviel wie "zerbrochene Stücke". Was ja eher unappetitlich klingt.

Wodka - Wodka oder Vodka ist laut Wikipedia die Verniedlichungsform des slawischen Wortes voda ("Wasser"), also "Wässerchen". Dieser Euphemismus würde unserer Drogenbeauftragten Sabine Bätzing (SPD, kämpft gerade gegen die Modedroge Spice = Gewürz) sicherlich einen hangover (sorry, äh, Entschuldigung!) Kater bescheren.

Sauerkraut - Immer mit der Ruhe, das Sauerkraut gehört natürlich uns. Aber es ist ein schönes Beispiel, wie auch die deutsche Sprache im Ausland Anklang gefunden hat. Für die Engländer sind wir schlicht und einfach die "Krauts".

Im Zeltwagen zum Draußen-vor-der-Tür-Urlaub

Ein eindringliches Beispiel der vergangenen Jahre, wie die englische Sprache unseren Wortschatz bereichert hat, ist: Public Viewing. Für unkomplizierte Übersetzungsvorschläge sind wir dankbar.

Ein beliebter Freizeitkomplex, der früher einmal unter dem Begriff "Wandern" so stramm deutsch war wie Anni Friesingers Waden, heißt heute: Outdoor. Und was heißt nun Outdoor? Draußen vor der Tür (so wie Borchert, Wolfgang). Siehe dazu aber auch: Sex.

Camping - Zelten. Gut, das geht. Aber Zeltwagen klänge schon komisch, oder?

Rauschende Feier im Scheibenaufbewahrungsort

Sagen wir, wie's ist: Das Nachtleben würde ohne Anglizismen völlig eingehen.

Party - Feier. Okay (= in Ordnung): Einmal im Jahr kann man ja zu Weihnachten mit seinen Kollegen eine machen - aber doch nicht das ganze Jahr!

Club - Diskothek, wobei Diskothek wiederum von "Disco" stammt; also von Scheibe. Und "thek" aus dem Griechischen, das ja in etwa Aufbewahrungsort oder Behälter heißt. Wenn Sie sich also in einem Scheibenaufbewahrungsort verlustieren wollen, bitte sehr. Ohne uns.

(Party-)Flyer - (Feier-)Flugblatt. Klingt nach Demo mit Nickelbrillen und Rauschebärten, nicht nach Spaß.

Speed - Amphetamin beziehungsweise: Geschwindigkeit. Ist aber beides nicht gesund, besonders nicht auf der Straße.

Gruppenknall mit Fäustlingen

Jetzt wird's schmutzig! Aber wir haben ja Stil und fangen kulturwissenschaftlich an.

Gender - Das soziale Geschlecht. Unterscheidet sich von "Sex", dem biologischem Geschlecht. Schon der Name dieser Rubrik wird somit zum Problem, da Sex im englischen mehrere Bedeutungen hat. Geschlecht im Deutschen ja übrigens auch. Prinz Ernst August von Hannover stammt bekanntlich aus einem alten Adelsg... Selbst wenn man das nicht immer merkt.

Gang Bang - Ist das, was Jugendliche derzeit am liebsten spielen - zumindest wenn man Gangster-Rappern (siehe Gangster-Rap) glaubt. Wörtlich übersetzt: "Gruppenknall". Was die Situation ja, recht bedacht, dann doch sehr gut beschreibt.

Fisting - Fausten, aber nicht wie das Ballspiel. Und auch nicht wie Fäustlinge, die Handschuhe. Auf eine Erklärung dieser Sexual-Technik verzichten wir aus Jugendschutzgründen.

Anti-Schuppen-Knete auf dem Kopf

Beim Thema Körper erwartet uns eine Überraschung.

Shampoo - Shampoo ist ursprünglich kein englisches Wort sondern stammt aus der indischen Sprache Hindi. Laut Wikipedia heißt "champo" in Hindi soviel wie "knete". Brauchen Sie Anti-Schuppen-Knete? Wir nicht. Oder war damit doch der Imperativ "Knete!" gemeint?

Branding - Beim Branding geht es ja weniger um Körperpflege als um -penetration. Für den Fall, dass einer der SPIEGEL-VERBUNDEN-Leser nichts mit dieser Körperverzierungstechnik anzufangen weiß: Branding in diesem Kontext hat nichts mit dem Aufbau von Marken zu tun, sondern mit dem Aufbau von Malen, genauer: Wundmalen. Mit einem heißen Eisen bringt ein Künstler willigen Opfern Ziernarben bei. Würde man sich auf die deutsche Übersetzung verpflichten, würden sich wohl weniger Menschen für diese Körperkunst begeistern. Wer will sich schon "Brandmarken" lassen?

Piercing - Ähnlich sieht es beim Piercing aus. Auch hier hätte eine deutsche Übersetzung eher abschreckende Wirkung: "Durchstechen" klingt nach ziemlich viel Aua.

Räuber-Geplapper und Beendiger

In der Filmbranche würden ein paar starke Kerle mit weit weniger starken Namen ausgestattet werden.

Batman - Fledermausmann. Da überwiegt die Maus.

Terminator - Der Beendiger. Oder so ähnlich.

Alien - Der Ausländer.

Deutscher Musik würde ein Verbot von englischer Sprache auch nicht wirklich weiterhelfen.

Bed and Breakfast - Bett und Frühstück, klingt nach billiger Jugendherberge - und damit fast so billig wie die Musik dieser Boyband (= Jungsgruppe).

Sarah Connor - Die Diva aus Delmenhorst müsste wieder unter ihrem bürgerlichen Namen auftreten: Cindy aus Marzahn. Oder so ähnlich.

Ein echtes Problem hätte auch der deutsche Rap ("rap" englisch auch für "Geplapper")!

Gangster-Rap - Würde zum Räuber-Geplapper degradiert. Ui, gefährlich!

Gentleman - Müsste als Kavalier auftreten. Küss die Hand!

Ich komme mit dem Notizbuch nicht mehr ins Weltnetz!

Die Rubrik Computer liegt nahe. Daher in aller Kürze, denn mit unseren unzähligen Beispielen würden wir sonst das World Wide Web verstopfen - das es nach seiner Eindeutschung natürlich auch nicht mehr gäbe.

World Wide Web - Weltnetz. Klingt nach einem Tummelplatz für Nazis.

Notebook - Notizbuch.

Motherboard - Mutterbrett (alternativ: Hauptplatine).

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