Deutschland sucht den Superstar Keiner wird gewinnen

Rocker schlägt Hochzeitssänger: Beim Finale von "Deutschland sucht den Superstar" traten gestern Abend zwei sympathische Gesangstalente gegeneinander an - und verloren beide gegen ein Sendeformat, das nicht auf Können, sondern auf Kommerz ausgelegt ist.
Von Wiebke Brauer

"Deutschland hat einen würdigen Superstar" antwortete Mike Leon Grosch auf die Frage, wie es ihm nach seiner Niederlage gegen Tobias Regner gehe. Keine Tränen, keine Zusammenbrüche - und schon wurde ihm das Mikrofon wieder unter der Nase weggezogen. Ein kollegialer Verlierer, der die Contenance wahrt, das hat keinen Sendewert. Was zählt, sind
Aussetzer und Ausbrüche - und die hatte das Finale der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" nicht zu bieten. Sogar singen konnte der Kerl.

Dabei stimmten die menschlichen Zutaten bei der dritten Staffel zunächst. In den ersten Castings sangen sich 14.000 Jugendliche um - sofern vorhanden - Sinn und Verstand, der Zuschauer kringelte sich auf dem Sofa vor Amüsement angesichts so viel Selbstüberschätzung und Unvermögen. Der Grat zu RTL-Erfolgsformaten wie: "Upps - die Pannenshow" ist schmal. Auch die letzten 20 Anwärter auf den Titel ließen es
herrlich an Talent mangeln. So befanden sich unter ihnen das
enervierende "DSDS-Küken" Stephan Darnstaedt mit einem nicht zu stoppenden Tränenstrom, Daniel Munoz, der sich trotz semi-spanischer Herkunft und ganzer Gitarre nicht als Latin Lover erwies oder Fahrschullehrer Didi Knoblauch, der einmal ein Mädchen war. Deutschland sucht den Superfreak, so wollte man es sehen.

Sieben Millionen Fernsehzuschauer verfolgten die Show am gestrigen Abend, ein prächtiges Ergebnis. Dabei hatte im Vorwege niemand an den kommerziellen Erfolg der dritten Staffel geglaubt. Die Quoten der zweiten Auflage waren mäßig, nach den Gewinnern der vorhergehenden Shows krähte keine Hahn mehr - schon gar nicht nach schrillen Erscheinungen wie Daniel Küblböck. Doch der Erfolg der dritten Staffel überstieg alle Erwartungen: Sogar die von den zehn Finalisten besungene CD "Love Songs" wanderte in den Charts von null auf eins. Nicht ganz unschuldig am Erfolg war auch die Kooperation mit der "Bild"-Zeitung, welche regelmäßig über sexuelle Vorlieben und Gemütszustände der letzten zehn Teilnehmer berichtete.

So weit, so gut: Zu den übrig gebliebenen drei gehörten Tobias Regner, dessen Rocker-Image als nicht massentauglich herausgestrichen wurde sowie der ehemalige Hochzeitssänger Mike Leon Grosch und das Stimmwunder Vanessa Jean Dedmon. (Bohlen: "Du hast Soul in der Blutbahn"). Mike und
Vanessa verliebten sich auch noch ineinander und wurden ein Paar, wie herzig. Als nach Vanessas Ausscheiden noch Mike Leons Satz: "Wir bleiben in Kontakt" über den Äther ging, klang das allerdings nicht ganz so romantisch.

Das letzte Duell

Und nun endlich fand das letzte Duell statt - zwischen zwei freundlichen jungen Männern mit guten Stimmen. Von Trash-Faktor keine Spur mehr, stattdessen gab es ernsthafte Ambitionen und echte Qualität. Allein, der Unterhaltungsfaktor fehlte: Das Format "Deutschland sucht den Superstar" präsentiert keine Kunst, es geht um kalt kalkulierten Kommerz. Doch echtes Können in einer Vermarktungsmaschinerie ist nicht komisch, sondern tragisch. Und natürlich gaben die beiden Finalisten ihr Bestes, aber das will letztlich niemand sehen.

Tobias Regner sang "Beautiful Day" von U2, und Jurymitglied Heinz Henn brüllte "Deutschland! War das geil oder war das geil?" in das Publikum.

Mike Leon präsentierte das Lied "Angel" von Robbie Williams, (Jurymitglied Dieter Bohlen: "presslufthammermäßig" ) und "Love's Divine" von Seal, sein bestes Lied aus den Motto-Shows. Schon geriet Henn wieder ins Schwärmen, negative Kritik war an diesem Abend verpönt: "Für mich könnte die Show noch stundenlang weitergehen." Besser nicht.

Denn je mehr es bei den beiden Jungs menschelte, desto kälter wurde die Show. Tobias hoffte, der Applaus für ihn sei auch für all jene, die bei der Sendung mitgemacht hätten, Mike wünschte nach seinem Song viel Spaß bei Tobias' nächstem Auftritt, beide bedankten sich bei ihren letzten Worten vor der Urteilsverkündung beim gesamten Team. Zack, weg war das
Mikro, es folgt eine kurze Pause, gleich sehen wir uns wieder - Werbung.

Wer hätte gedacht, dass man sich statt dem maschinell agierenden Moderatorenpaar Marco Schreyl und Tooske Ragas jemals wieder die ehemaligen Gastgeber Carsten Spengemann und Michelle Hunziker herbeiwünschen würde.

Werbung zwischen den Werbeblöcken

Zwischen den Werbeblöcken musste auch das eigene Produkt vermarktet werden. "Access all Areas", die DVD zur Staffel mit ungesendetem Material, die CD mit den "Love Songs", das Magazin mit den Postern, die DVD mit "Dieter - der Film", die Single mit dem persönlichen Finalsong des Gewinners und nicht zuletzt Dieter Bohlens neues Buch "Meine Hammersprüche" mit, laut RTL-Internetseite, "Lebensweisheiten auch zum Nachlesen". Dass Mike Leon die Show als seine letzte Chance bezeichnete, um in das Musikgeschäft einzusteigen, musste zum wiederholten Male als Einspieler herhalten, um dem 29-jährigen noch einmal so richtig die Augen zu wässern. Zum Heulen.

Warum Tobias Regner letztlich siegte, bleibt nebensächlich. Vielleicht entschieden sich 55 Prozent der Anrufer für ihn, weil er besser als Teenietraum-Projektionsfläche taugt als ein nebenberuflicher Hochzeitsänger mit nicht zu überschminkenden Aknenarben und einer realistischen Einstellung zur Welt. Vielleicht haben auch die Zuschauer nicht die "Beauty" von Mike Leons Finalsong erkannt, wie es sich Jurorin Syliva Kollek nach seinem Auftritt wünschte. Gegönnt hat man den Sieg ohnehin beiden, und ob Regners Ehrung als Deutschlands "Superstar" zu einem längerfristigem Erfolg führt, darf bezweifelt werden. Aber vielleicht muss man sich an die Worte des Siegers halten: "Wenn ich eins hier gelernt habe dann, dass es sich lohnt zu träumen."

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