"Die Kommune" im Theater Antibürgerliches Gemetzel

Es gibt nichts Schöneres, als anderen dabei zuzuschauen, wie sie an der Gemeinschaft scheitern: Die Dänen Mogens Rukov und Thomas Vinterberg zerlegen im Wiener Akademietheater eine Muster-WG.

Es ist das Letzte, was Ereks Vater gewollt hätte, und gerade deshalb tut es der Sohn: Erek gründet in der vom Vater geerbten großbürgerlichen Villa, in der er als Kind nicht glücklich geworden ist, eine Kommune. Aber Rache ist kein gutes Motiv (außer im Theater). Tatsächlich kommt es, wie es kommen muss: Die neun Bewohner scheitern an sich selbst in Mogens Rukovs und Thomas Vinterbergs neuem Stück "Die Kommune". Und natürlich besteht das Vergnügen der Zuschauer darin, dem Kollektiv bei dieser Selbstzerstörung zuzuschauen.

Dass das Stück "Die Kommune" und nicht "Die WG" heißt, liegt daran, dass die Autoren das Ganze im Kopenhagen des Jahres 1975 verortet haben. Die Probleme allerdings sind von schöner Zeitlosigkeit und funktionieren nach altbewährtem Muster: Es geht los bei der Frage, ob man als Vegetarier für die Mitbewohner Fleisch einkaufen kann und endet noch lange nicht bei dem Problem, ob die anderen den Nicht-Studierten seine intellektuelle Unterlegenheit spüren lassen oder der sich das nur einbildet. Merke: Ein Wohnkollektiv ist die Verteilung von Beziehungsproblemen auf mehrere Partner - und nicht selten potenzieren sich die Probleme dabei.

Der Regisseur ist eine "Dogma"-Legende

Der dänische Regisseur Vinterberg, 42, Mitverfasser der "Kommune", ist in Cineasten-Kreisen und ein bisschen darüber hinaus berühmt geworden durch die 1995 von ihm und anderen formulierten "Dogma"-Regeln und vor allem durch sein nach diesen Regeln gedrehtes finsteres Familiendrama "Das Fest". Auch sein Mitstreiter, der Drehbuchautor Mogens Rukov, 68, ist Däne. Die beiden haben "Die Kommune" für das Wiener Burgtheater geschrieben. Dort erlebt es am Samstag seine Uraufführung auf der kleinen Bühne, dem Akademietheater. Regie führt Vinterberg.

Das Stück wirkt für das Autorenduo ungewohnt heiter, fast wie Yasmina Rezas "Gott des Gemetzels" in antibürgerlich - und der Regisseur Vinterberg hat ein Kollektiv erstklassiger Schauspieler zur Verfügung. Allen voran Joachim Meyerhoff als Erek, der ein freundliches Grinsen jederzeit so spielen kann, dass man sich vor seiner Figur in Acht nimmt, selbst wenn die Figur zu diesem Zeitpunkt noch an ihre eigene Harmlosigkeit glaubt.

Die brillanten Schauspieler waren es auch, die Vinterberg und Rukov bei ihrer ersten Zusammenarbeit mit dem Burgtheater 2010 vor allzu negativen Kritiken bewahrt haben. "Das Begräbnis" hieß ihr Stück, mit dem sie die böse Inzestgeschichte aus dem Film- und Bühnenhit "Das Fest" fortführten in die nächste Generation: Genau zu Beginn der großen Missbrauchsdebatte zeigten sie mit der Geschichte, in der ein früheres Opfer selbst zum Täter wird, ein klassisches Schema auf, aber Kritiker schrieben von einer "banalen Story".

Auch die gegenseitige Zerstörung der Bewohner in der "Kommune" hat durchaus nicht nur amüsante Seiten. Als Erek nach langen Jahren mit seiner Freundin Anna plötzlich eine 20 Jahre jüngere Freundin anschleppt und darauf besteht, dass die auch ins Haus einzieht, gerät Annas Psyche aus dem Gleichgewicht - und auch Freya, die gemeinsame 15-jährige Tochter von Erek und Anna, muss Stellung beziehen. Plötzlich wirkt "Die Kommune", als ob die Autoren das Stück als Beitrag zur aktuellen Patchwork-Familien-Debatte geschrieben hätten.

Die Story mag banal sein, aber das ist das Leben manchmal auch.


Die Kommune. Uraufführung am 10.9. im Akademietheater , Wien. Auch am 12., 19. und 25.9., Tel. 0043/1/514 44 41 40.

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