Kunst-Highlights, Teil 2: April, Mai, Juni Glamourös, dieser Zirkus!
Es müssen nicht immer Großereignisse wie die Documenta sein, die aber, das sei zugegeben, natürlich der ideale Sommerausflugsort mit Park und Museum war. Aber Spaziergänge um die Kunst herum kann man auch auf der Insel Hombroich machen oder in großen Kunstparks wie dem im belgischen Middelheim bei Antwerpen, wo neben festen Skulpturen und Institutionen in diesem Jahr Antony Gormley ausstellen wird (24.2.-5.5.). Oder wer kennt schon den niederländischen Skulpturengarten um das Kröller-Müller Museum herum, das immerhin mehr als 80 Gemälde von Vincent van Gogh besitzt? Wer es aktueller und mit mehr Rummel haben will, fährt natürlich im Juni nach Venedig zur 55. Kunst-Biennale. Was sonst von April bis Juni einen Besuch wert ist, erfahren Sie hier:
Kritische Strategien vom anderen Phil Collins - der April
Leider wird man im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte in der Ausstellung "Spielerisch sitzen. Kinderstühle von Groß für Klein" (13.4.-2.6.) wahrscheinlich nicht sitzen dürfen, aber auch stehend kann es Spaß machen, Kinderstühle von Architekten wie Schinkel, Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe bis zu Oscar Niemeyer oder Tadao Ando anzusehen. Sie kommen aus aller Welt, und die Hocker, Lehn-, Hoch-, Schaukel-, Dreh-, Stapel- und Schulstühle sind sowohl handgefertigt, als auch seriell und industriell hergestellt.
Die Kölner Kunstmesse Art Cologne findet in diesem Jahr zum 46. Mal in bewährter Qualität und ohne große Aufregungen statt (19.-22.4.). In Brüssel eröffnet übrigens einen Tag vorher die ebenfalls renommierte Art Brussels (bis 21.4.). Und damit man in Sachen Kunst rundum versorgt ist, haben auch die Kölner Galerien und die Museen zeitgleich ihre Vernissagen: Das Museum Ludwig zeigt zum Beispiel eine Schau von Phil Collins (18.4.-21.7.), der vorführt, wie Strategien populärer Medien wie der Popkultur oder des Low-Budget-Fernsehens in einem anderen Kontext kritisch eingesetzt werden können. Vom 21.4.-21.7. ist dort außerdem die hochinteressante Schau der Amerikanerin Andrea Fraser zu sehen, die den Wolfgang-Hahn-Preis 2013 bekommt, und im Kunstverein zeigt der junge abstrakte Maler Stefan Müller eine große Einzelschau (18.4.-2.6.).
In Düsseldorf eröffnet das Museum Kunstpalast die große Konrad-Klapheck-Retrospektive mit circa 60 Gemälden erst, wenn die Art Cologne vorbei ist (28.4.-4.8.). Klapheck, der an der Düsseldorfer Akademie lehrte, wurde mit seinen Pop-surrealen Bilder von beispielsweise Schreib- und Nähmaschinen, Wasserhähnen, Telefonen oder Bügeleisen bekannt, deren Titel auf menschliche Funktionen anspielen wie "Der Ehebrecher", "Das Muttersöhnchen", "Die Schwiegermutter" oder "Der potente Großvater".
Einige haben den Documenta-Bronze-Baum von Giuseppe Penone in der Kassler Karlsaue sicher noch im Gedächtnis, unter dem drei Steine lagen, von denen zwei eine Stein-Kopie waren. Das Kunstmuseum in Winterthur widmet dem italienischen Arte-povera-Künstler jetzt eine große Überblicksschau (27.4.-11.8.) mit Arbeiten zu Themen wie der Durchdringung von Natur und Kultur.
Bei Sammlern stehen die beiden jungen Amerikaner Wade Guyton und Kelley Walker, die beide zur selben Zeit erfolgreich wurden, schon lange hoch im Kurs. Ihre gemeinsame Schau im Bregenzer Kunsthaus signalisiert schon im Titel "Wade Guyton, Guyton/Walker, Kelley Walker", dass es ihnen trotz ihrer betonten Eigenständigkeit hier um eine gemeinsam konzipierte Ausstellung geht, die sie nutzen, um zum Beispiel Fragen von Autonomie und Autorschaft zu reflektieren (27.4.-30.6.).
Dass auch die beiden Künstler Johannes Itten und Paul Klee ihr Wissen und ihr Forschen zum Kosmos Farbe geteilt haben, ist erst jetzt durch neue Quellenfunde belegt. So zeigen zum ersten Mal rund 200 Arbeiten in der Schau "Itten - Klee", dass sich beide Künstler auf gemeinsame geistesgeschichtliche, teilweise auch esoterische Quellen bezogen haben und sich gegenseitig anregten (Berlin, Martin-Gropius-Bau , 25.4.-29.7.).
Aufmerksam machen wollen wir noch auf die Ausstellungen des Publikumslieblings Ron Mueck in der Pariser Fondation Cartier machen, der seine hyperrealistischen und überdimensionalen Menschen in Fiberglas und Silikon ausstellt (18.4.-15.7.). Und ebenfalls in Paris sind rund 250 Arbeiten des ebenso populären Keith Haring in der Retrospektive "The political line" (Musée d'Art Moderne de la Ville, 19.4.-18.8.) zu sehen.

Wie es der Zufall will - der Mai
Freuen kann man sich, dass Anfang Mai endlich das Lenbachhaus in München nach drei Jahren Umbau-Zeit wieder geöffnet ist. Gezeigt wird die Gegenwartskunst aus der eigenen Sammlung.
In Basel/Riehen ist eine große "Max Ernst - Retrospektive" mit rund 170 Gemälden, Collagen, Skulpturen, Büchern und Dokumenten dazu zu sehen (Fondation Beyeler, 26.5.-8.9.). Dabei wird seine ganze Entwicklung vom Dadaisten in Köln zu einem der Pioniere des Surrealismus in Paris, seine spätere Beschäftigung im Exil in den USA mit der Kunst der Ureinwohner und sein Spätwerk nach seiner Rückkehr nach Paris gezeigt.
Der Martin-Gropius-Bau in Berlin zeigt die Schau "Anish Kapoor: Shooting into the Corner" (18.5.-24.11.). Kapoor, der neue Kunststar Londons, zeigt neue Arbeiten im gesamten Erdgeschoss und im Lichthof, die eigens für Berlin entstanden sind. Dem Zufall wird Kapoor dabei gar nichts überlassen, seine Arbeiten entstehen in präzisen künstlerischen und technischen Prozessen.
Dass es in der Kunst auch anders sein kann, ist in der Ausstellung "Purer Zufall - Unvorhersehbares von Marcel Duchamp bis Gerhard Richter" im Sprengel Museum Hannover zu sehen (15.5.-15.9.). Die Einbeziehung des Unvorhersehbaren, Unplanbaren und Unwillkürlichen und das Ausschalten der subjektiven Entscheidung des Künstlers ist ein Konzept der Kunst des 20. Jahrhunderts bis heute. Welche überraschenden Ergebnisse dabei herauskommen können, zeigen Malerei, Skulptur und Grafik von Künstlern wie Marcel Duchamp, Max Ernst, Kurt Schwitters, Jackson Pollock, Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri, Dieter Roth und Gerhard Richter.
In Köln stellt das Museum Ludwig die amerikanische Malerin Jo Baer und ihre Gemälde und Zeichnungen seit 1960 vor (25.5.-31.8.). Baer, 83, die in Amsterdam lebt, gilt als Wegbereiterin des Minimalismus und hat damit in Deutschland ihre erste Einzelausstellung. Gezeigt werden minimalistische Arbeiten von 1960-1975 und das aktuelle figurative Werk, das Baer nach einem radikalen stilistischen Bruch mit ihrem reduzierten Werk nach ihrem Umzug nach Europa beginnt. Vom 18.5.-1.9. werden außerdem neue Arbeiten von Jo Baers in einer Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam zu sehen sein. Dort sollte man vom 3.5.-28.8. auch die große "Aernout Mik: Communitas"-Schau mit den wichtigsten Videoinstallationen des Niederländers aus der Zeit von 2000 bis 2012 ansehen.
Pavillontausch in Venedig - der Juni
Im Juni geht der Kunstzirkus auf Reisen. Auf jeden Fall nach Venedig und zur Messe Art Basel. Auch für Nichtsammler ist die 1970 gegründete Messe (13.-16.6.) immer noch die wichtigste und qualitätsgarantierende unter den fast inflationären Messe-Neugründungen in aller Welt und ein gutes Lehrstück darüber, welche Kunst auf dem Markt Bestand und welche die Chance dazu hat.
Auch die 55. Kunstbiennale in Venedig (1.6.-24.11.), hat in aller Welt Nachahmer bekommen, aber die älteste aller Biennalen ist immer noch die wichtigste. In diesem Jahr leitet sie der Kurator Massimiliano Gioni. Der deutsche Pavillon wird dieses Mal im französischen zu finden sein - die beiden Kuratorinnen haben die Räume getauscht. Also stellt Anri Sala, der Frankreich vertritt und in Berlin lebt, im deutschen Pavillon aus, während die von der deutschen Kuratorin Susanne Gaensheimer eingeladenen Künstler Ai Weiwei (zeigt Skulpturen), Romuald Karmakar (zeigt Filme), Santu Mofokeng und Dayanita Singh (beide zeigen Fotografie) im französischen zu finden sind. Der Grund? "Internationale Kooperation und Kommunikation", "Dialog zwischen kulturellen Sphären", "transnationale Alltagsrealität", "Kuratoren und die Künstler fühlen sich der Idee einer gemeinsamen europäischen Kultur innerhalb eines größeren Bezugssystems einer globalen kulturellen Gemeinschaft verpflichtet". In anderen Pavillons geht es auch ohne Ortswechsel transnational zu: den russischen kuratiert der Direktor der Berliner Nationalgalerie Udo Kittelmann und zeigt Vadim Zakharov, die Österreicherin Kathrin Rhomberg hat als Kuratorin für den ersten Kosovo-Pavillon den Künstler Petrit Halilaj ausgewählt, der 1986 im Kosovo geboren wurde, im Krieg nach Italien flüchtete und heute in Berlin lebt.
Wer auf Reisen Kunst ansehen will, könnte im Louisiana Museum für Moderne Kunst in Humlebaek nahe Kopenhagen die Retrospektive von "Yoko Ono - Half-A-Wind Show" ansehen (1.6.-15.9.), in der Londoner National Gallery "Vermeer and Music: The Art of Love and Leisure", die wunderbaren Bilder von Vermeer und seinen Zeitgenossen zusammen mit seltenen Musikinstrumenten und alten Partituren und Büchern aus derselben Zeit bewundern (28.6.-8.8.), oder die große Werkschau des Malers Albert Oehlen im Wiener Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien (14.6.-6.10.) besuchen, in der ein ständiger "Widerstreit der Ideen", so Oehlen, sichtbar sein wird.
Auch in Deutschland hat der Juni einiges zu bieten: Im Berliner Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart Berlin ist eine Ausstellung von Hilma af Klint mit 200 Arbeiten zu sehen, die eine echte Entdeckung ist. Denn die abstrakten Gemälde und Papierarbeiten der Schwedin (1862-1944) sind in Deutschland fast unbekannt, vielleicht auch, weil af Klint zu Lebzeiten nicht ausstellte und verfügte, dass ihre Werke erst 20 Jahre nach ihrem Tod ausgestellt werden dürfen, denn sie glaubte nicht, dass ihre Zeitgenossen die Bedeutung ihrer Kunst erkennen würden (15.6.-6.10.).
Der Kunstverein Braunschweig zeigt in seinem klassizistischen Haus eine Schau mit Skulpturen, Fotografie, Film und Videoinstallationen von David Zink Yi. Dabei wird die wunderschöne Villa Salve Hospes im Rahmen der Ausstellung selbst zu einem Klangkörper, weil in jedem ihrer 13 Räume Musiker spielen werden (8.6.-18.8.).
In Düsseldorf (K21, 22.6.-7.9.) führt Tomás Saraceno seinen Erfolg fort: Für "Saraceno - In den Umlaufbahnen" spannt er eine riesige Rauminstallation in 20 Meter Höhe in der Glaskuppel im K21 aus drei fast transparenten Stahlnetzen auf, in denen man herumklettern darf. Mit Warteschlangen muss gerechnet werden.
Die Stadt Frankfurt bietet mehrere Highlights: In der Schirn Kunsthalle heißt es "Glam! The Performance of Style" (14.6.-22.9.). Darunter versteht man den visuell extravaganten Stil, den Musiker wie Bryan Ferry, David Bowie und Marc Bolan im Großbritannien der frühen siebziger Jahre populär machten und dessen Respektlosigkeit gesellschaftlich tradierter Begriffe wie Identität und Geschlecht in Frage stellte. Den Einfluss auf die Kunst zeigen rund 150 Werke von zahlreichen bekannten Künstlern sowie umfangreiches Dokumentationsmaterial. Fast gleichzeitig ist in der Schirn Kunsthalle die Fotografie des amerikanischen Fotografen Philip-Lorca di Corcia in einer umfassenden Retrospektive zu sehen, die neben vielen Werkgruppen wie "Streetwork" (1993-1999), "Lucky 13" (2001-2004) und "A Storybook Life" (1975-1999) auch das momentan in Entstehung begriffene Projekt "East of Eden" zeigt (20.6.-8.9.).
Nach Hamburg in die Deichtorhallen kommen die großartigen Gemälde der 92-jährigen Maria Lassnig. "Der Ort der Bilder" heißt die Schau mit rund 60 Bildern, die alle aus dem Besitz der Künstlerin stammen, und die schon in Graz zu sehen war (21.6.-1.9.). Im Hamburger Bucerius Kunst Forum ist die Schau "Eine neue Zeit" des russischen Avantgarde-Künstlers Alexander Rodtschenko zu sehen, der mit seinen experimentellen Gemälden, Collagen, Montagen, Fotografien, Skulpturen und mit Typografie in den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution eine neue Welt gestalten wollte (8.6.-15.9.).
Etwas Ähnliches hatte auch Kurt Schwitters mit seinen Arbeiten im Sinn. Als er Deutschland verlassen musste und nach England ins Exil ging, änderte sich seine stilistische Entwicklung in der völlig anderen Situation und Umgebung. Schwitters in England zeigt im Sprengel Museum Hannover das Spätwerk mit rund 170 Arbeiten aus England, dazu einem dokumentarischen Teil, der den persönlichen und historischen Hintergrund seines Exils anhand von Archivalien und Fotografien beleuchtet (2.6.-25.8.).
Am 15. Januar setzen wir diese Vorschau fort mit den Monaten Juli, August, September. Die Kunst-Highlights des ersten Jahresviertels 2013 finden Sie hier.