Diktatorenfotos Wir sind Adolf
Adolf Hitler ist nackt. Er starrt seinem Gegenüber kalt in die Augen. Das Gesicht in Nahaufnahme, jede Falte zeichnet sich deutlich ab. Hans Weishäupl, 38, wollte den Diktator unverfälscht zeigen, ohne Uniform oder einstudierte Gesten, nur "das pure Gesicht des Bösen".

Die "Faces of Evil": So sollen sie in einer Ausstellung aussehen
Foto: Hans WeishäuplDetailgetreu hat der Fotokünstler die Gesichter der 13 "bekanntesten und grausamsten Diktatoren der letzten 100 Jahre" nach der Vorlage von Fotos zusammengebaut, auf jede Hautrötung, auf jeden Bartstoppel geachtet. Weishäupls Botschaft: Die Tyrannen der Menschheit sind Menschen wie du und ich, mit Muttermalen, großen Poren und Haaren, die aus der Nase wachsen.
Der Clou an den Porträts sind die Bestandteile: Die "Faces of Evil" sind kompiliert aus fotografierten Gesichtspartien von unbescholtenen Zeitgenossen. Das Gesicht von Adolf Hitler besteht aus Einzelteilen von 37 Personen. Die Nase stammt von einem Immobilienmakler aus Berlin, die Oberlippe von einem Schlosser aus Dresden. Das Kinn gehört eigentlich einem Hamburger Restaurantbesitzer, die Tränensäcke sind die eines Feinmechanikers aus Bautzen.
Für 13 Porträts hat Weishäupl insgesamt Detailfotos von mehr als 350 Personen verarbeitet. Im seinem Who's Who der Diktatoren sind unter anderem vertreten: Benito Mussolini, Josef Stalin, Robert Mugabe, Mao Zedong, Saddam Hussein, Pol Pot und Slobodan Milosevic.
Das Böse steckt in der Masse
Die verwendeten Einzelteile stammen von Menschen aus den jeweiligen Ländern, in dem die Diktatoren herrschten oder weiterhin in Amt und Würden sind. "Die Fotos für Stalin habe ich per Streetcasting in Moskau zusammengesucht", sagt Weishäupl.
Und wie reagierten die Angesprochenen, wenn man ihnen sagte, sie hätten Hitlers Augen oder seine Kinnpartie? "Ich habe ja immer nur Teile fotografiert, nie das ganze Gesicht. Und beim Auge ging es zum Beispiel vor allem um das Lid." Er habe den Leuten sein Projekt erklärt, ungefähr jeder zehnte habe sich dann auch fotografieren lassen. Viele wollten ihr Gesicht nicht für einen Diktator hergeben, auch nicht der Kunst zuliebe.
Indem er die Gesichter der Massenmörder aus Einzelteilen von vielen komponiert, will Weishäupl auf die vielen Unterstützer und Mithelfer des Diktators verweisen, ohne die eine Schreckensherrschaft nicht möglich wäre. "Das Potential des Bösen steckt in der Masse", erklärt Weishäupl - keine originelle, aber eine durchaus korrekte Einschätzung welthistorischer Katastrophen.
Schockierend große Diktatoren
Seine in voller Größe 1,80 Meter hohen und 2,30 breiten Porträts sollen im kommenden Jahr in Moskau ausgestellt werden. Natürlich will Weishäupl sie auch in Deutschland zeigen, konkrete Planungen existieren aber noch nicht. Zunächst veröffentlicht er seine "Faces of Evil" in einem Bildband.
Die Bedrohlichkeit der Porträts entsteht durch das Wissen der Zuschauer um die Taten der Gezeigten. Für alle Fälle wurde eine Biografie zu jedem Bild gestellt. Allerdings hält Weishäupl die kritische Art der Darstellung nicht durch. Konsequent wäre es, die Köpfe in Originalgröße zu zeigen, damit der Betrachter ihnen in Augenhöhe - als seinesgleichen - gegenübertreten kann.
Weishäupl aber wollte auf den Schockeffekt nicht verzichten. Zu verlockend war die planbare Reaktion der Betrachter. Eingeschüchtert von einer fast zwei Meter hohen Hitler-Visage soll der Besucher zurückschrecken: "Man geht wegen der Person und wegen dem großen, gestochen scharfen Bild erst einmal drei bis vier Meter nach hinten." Natürlich ist so ein Riesendiktator beeindruckend, er erzeugt einen planbaren Gruseleffekt.
Unglückszahl und düstere Musik
Aber mit den geplanten riesenhaften Gesichtern erzeugt Weishäupl das, was er eigentlich vermeiden wollte, wenn er die Tyrannen unretuschiert und nackt zeigt: Er dämonisiert sie, indem er sie in Übergröße von der Wand starren lässt. Dazu passt die düster-dräuende Musik, die man auf der Website des Projekts www.faces-of-evil.com zu hören bekommt.
Ein Jahr lang hat Weishäupl an seinen "Faces of Evil" gearbeitet. Adolf Hitler war der Erste, er hat ihm auch am meisten Schwierigkeiten gemacht. Über zwei Monate hat der Fotograf allein für sein Porträt gebraucht. "Wahrscheinlich, weil sein Gesicht so präsent ist," sagt der 38-Jährige.
Jetzt ist es noch ein wenig präsenter: In seinen Zügen lauern die Gesichter unserer Gegenwart.
Hans Weishäupl: "Faces of Evil", deutsch/englisch, 120 Seiten; 49,95 Euro; bestellbar über Homepage; lieferbar ab September