Sibylle Berg

S.P.O.N. - Fragen Sie Frau Sibylle Immer wieder, bis sich etwas ändert

Die Herrschaft des weißen Mannes ist längst nicht gebrochen. Frauen eignen sich als Preisübergeberinnen, doch kein Preisträger nennt eine Frau als Vorbild. Diese Klage langweilt Sie? Mich auch. Hilft aber nichts.

Schwarze, Homosexuelle, Kinder, Frauen, Tiere - letztere wurden gejagt und erschossen, der Rest früher gerne verbrannt, enthauptet, erschlagen, schrieb ich: wurden? Egal.

Die Endrunde hat begonnen und wird vielleicht noch lächerliche hundert Jahre dauern, vielleicht wird aber auch immer die Weltherrschaft dem gehören, der nicht zwingend klüger ist, aber aggressiver. Evolution. Sie wissen schon. In allen Bereichen Maßstab sein, wie erfreulich das ist. Und selbstreflektierte Menschen, also sagen wir zum Beispiel Künstler jeden Geschlechts, repetieren, ohne zu hinterfragen, alte Muster.

Kaum ein Mann orientiert sich gerne nach unten

Ich durfte jüngst dem begabten Schriftsteller Karl Ove Knausgård einen Preis überreichen (weibliche Kernkompetenz) und seiner Dankesrede lauschen, in der er andächtig die Namen jener aufzählte, die ihn beeinflusst haben.

Es waren die üblichen Verdächtigen. Es hätte auch Nietzsche dabei sein können, recht sicher Dostojewski, vielleicht auch Mann. Ein guter Name, es fand sich nicht eine Frau unter den Erwähnten. Fragen sie mich bitte nicht, ob es bedeutende Dichterinnen, Autorinnen gab. Googeln sie. Ich bin den Diskurs über den weiblichen Shakespeare leid. Natürlich gab es sie, sie wurden nur von der männlichen Elite, den Kritikern, den Preiskomitees, den Kanon-Schreibern nicht wahrgenommen, und wenn ich richtig schlechte Laune hätte, würde mir auch die Erklärung einfallen, warum das so ist und war.

Kaum ein Mann orientiert sich gerne nach unten. An etwas Unterlegenem. An etwas, das nicht dem Maßstab, siehe oben, entspricht. Fast möchte ich denken, sicher, ich vergleiche mich ja auch nicht mit einem Border Collie, womöglich aus der Sorge, intellektuell schlechter abzuschneiden.

Es ist so unendlich langweilig in jede Richtung. Für die denkenden Männer, sich immer anhören zu müssen, was für einer bornierten Spezies sie angehören, für die Weiblichen, die nicht Weißen, die nicht Heterosexuellen, permanent in jedem Detail darauf gestoßen zu werden, dass sie eben nicht der Norm entsprechen. Dass sie weniger wert sind, dass sie nicht genügen. Langweilig. Unmodern. Öde. Ich rede nicht von Bezahlung als Ausdruck der Gleichheit, sondern über Kunst , weil das sowieso keinen interessiert. Ich rede nicht über die 70 Prozent der Welt, in der Frauen in einer Art als Haustier behandelt werden, von der die meisten in Europa nichts ahnen.

Kunst lässt sich nicht in Geschlechter teilen

Ich rede über uns. Hier. Über Intellektuelle, über Künstlerinnen und Schriftstellerinnen, über Schauspielerinnen und Regisseurinnen, die sich von Männern anhören müssen, was Männer alles geleistet haben. Über die immer gleiche langweilige Soße rede ich solange, bis sich etwas ändert.

Der Moderator der diesjährigen Oscars, Chris Rock, machte neben vielen Witzen einige Feststellungen, die selbst mir noch nie aufgefallen waren. Neben der offensichtlichen Benachteiligung schwarzer SchauspielerInnen fragte er sich, warum es eigentlich Oscar-Kategorien für männliche und weibliche SchauspielerInnen gäbe. Als ob die Kunst sich in Geschlechter teilen ließe. Als ob sich unsere globalisierte blöde Welt noch so einen Mist wie Diskriminierung und Ignoranz leisten könnte. Wer Entwicklungen ignoriert, wird von ihnen überrannt .

Sie, als die intelligentesten LeserInnen Deutschlands, machen Sie sich doch bitte die Mühe und forschen Sie ein wenig nach. Informieren Sie sich über die Leistungen von Frauen, Schwarzen, von Transpersonen, überdenken Sie ihr Wertesystem, sonst enden sie in einem dieser albernen Tankwagen als Kämpfer in einer Welt, die sich geändert hat .

Ändern Sie mit mir die Welt, damit ich hier endlich Artikel über Hundewelpen schreiben kann.

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Foto: SPIEGEL ONLINE
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