Einwanderungstest-Debatte "Gut, dass ich schon Deutscher bin"
Wie schön, wenn die Welt mal wieder in alter Ordnung ist. Das System der klaren Kluft zwischen rechten und linken Politikern funktioniert beim Thema Ausländer immer noch einwandfrei, wenn es sein muss.
In der ARD-Talkshow "Hart aber fair" schiebt CDU-Politiker Christian Wulff, normalerweise ein Konservativer der moderaten Sorte, die Schuld an der Integrationsmisere auf die Ausländer. Nicht die Aufnahmebereitschaft der Deutschen sei das Problem - sondern der Unwille der Migranten, sich in die deutsche Gesellschaft einzugliedern.
Dagegen sieht Grünen-Chefin Claudia Roth den Ursprung allen Integrationsübels vor allem darin, dass die sieben Millionen Ausländer "sich hier einfach nicht willkommen fühlen".
"Deutsch ist, wenn's vom Kirchturm läutet - Wie angepasst müssen Zuwanderer sein?" lautete der Titel der Sendung, bei der sich Moderator Frank Plasberg wie üblich bemühte, möglichst viel zu provozieren. Die Folge war, dass Roth nicht aus ihrer Haut als Hobby-Türkin schlüpfen konnte ("Selbst ich hab mich schwer getan mit dem Einbürgerungstest") und Wulff sich genötigt sah, gegen den EU-Beitritt der Türkei zu argumentieren: "Wir Christen können dort auch keine Gebetshäuser bauen."
Das ist Musik in den Ohren vieler Konservativer, die durch eine moderate Kanzlerin und diverse Integrationsgipfel verwirrt sind und ein schärferes Profil ihrer Partei wünschen. Zumindest sie kamen auf ihre Kosten.
Migrations-Marathon in Rekordzeit
Zwangsheirat, Doppelpass, Terror, Staatsbürgerschaft, Parallelgesellschaft, Pisa-Studie und Islam - kein Reizwort des Multikulti-Genres wurde in der einstündigen Diskussion ausgelassen, als gelte es, einen Migrations-Marathon in Rekordzeit zu absolvieren.
Ergebnis: Der Zuschauer war nach der Sendung nicht schlauer, dafür aber um etliches Halbwissen reicher.
Mit von der Partie waren die Muslimin Özlem Nas (Kopftuchträgerin), Autorin Serap Cileli ("Ich bin eine Kopftuchgegnerin") und Moderator Michel Friedman ("Solange niemand gezwungen wird, ist ein Kopftuch okay"). Anlass der Debatte war die Einführung des bundesweiten Einbürgerungstests zum 1. September, der schon vor seiner Einführung viel Aufregung ausgelöst hat.
Und, wer hätte es gedacht: Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff findet ihn richtig - die Grüne Roth hält ihn für schädlich.
"Ist doch vorzüglich, dass man lernt, was man machen und sagen darf", sagt der CDU-Mann.
Dagegen Roth: "Es gibt schon genug Bedingungen für die Einbürgerung", wie Deutschkenntnisse und ein sauberes Strafregister.
Gestritten wurde aber nicht nur über den Test an sich, sondern auch über die 300 Fragen, die ein Einbürgerungswilliger beantworten können soll.
"Zu schwer", sagt Roth.
"Für Hauptschüler konzipiert", kontert Wulff.
Grassierendes Unwissen bei den Schützenbrüdern
Passenderweise machte die ARD kräftig Werbung für ihre Staatsbürgerschaftsshow am Donnerstag, in der der Einbürgerungstest als Fernsehquiz inszeniert werden soll. Krawallrapper Bushido oder Schauspieler Heiner Lauterbach sollen dort beweisen, "wie deutsch sie wirklich" sind.
Einen kleinen Vorgeschmack auf das Allgemeinwissen zweifelsfrei typischer Deutscher gab ein Einspielfilm in Plasbergs Talksendung. Auf einem urteutonischen Schützenfest in Neuss wurden Passanten auf die Probe gestellt. Kaum einer der uniformierten Männer konnte zum Beispiel die Frage nach der Anzahl der Bundesländer korrekt beantworten - 16. Ein Schützenbruder landete bei den ihm gestellten Fragen lediglich einen einzigen Treffer. Im Test wäre er durchgefallen. Sein Kommentar: "Gut, dass ich schon Deutscher bin."
Wenn überhaupt etwas bei dieser Diskussionsrunde der Erhellung diente, dann waren es diese Einspielfilme. Besonders gelungen: eine Reportage über die deutsche Rentnerkolonie im türkischen Alanya - von Einheimischen inzwischen "Almanya" genannt.
Und siehe da: In der Diaspora legt der Deutsche eine ähnliche Integrationsbereitschaft an den Tag wie mancher Einwanderer aus Anatolien in Berlin-Kreuzberg.
Integrationsunwillige Deutsche in der Türkei
Die örtlichen Speisekartenpreise für Matjes, Schweinebraten oder Currywurst werden in Euro angegeben. An den Kiosken gibt es deutsche Zeitschriften. Und die Deutschen sind stolz auf ihre gewissenhafte Mülltrennung.
Fazit des Films: In Alanya bleiben die rund 10.000 Deutschen lieber unter sich, lernen auch nach Jahren nicht die Landessprache und verbringen ihre Freizeit am deutschen Stammtisch mit Skat, Bier oder Bowling.
Spannender als dieses Phänomen von Integrationsunwilligkeit fand Plasbergs Runde aber offenbar das Kopftuch von Talkkollegin Nas. "Verzeihen Sie die Frage", sagte Plasberg mit übertriebener Höflichkeit, aber seine Mutter würde jetzt wissen wollen, warum sie das Kopftuch überhaupt trage.
Noch ehe die junge Muslimin antworten konnte, warf sich Anwalt Friedman in die Bresche: "Wann legen denn Nonnen ihren Schleier ab?" Cileli, die selbsternannte Anführerin der Anti-Kopftuch-Liga, empörte sich so über den Vergleich, dass sie wahrlich Merkwürdiges stammelte: "Ich möchte Frau Nas keine terroristischen Ambitionen unterstellen, aber man muss die Ängste der Menschen ernst nehmen." Kopftücher und Extremismus sind für sie offenbar zwangsläufig miteinander verbunden. Nas, an solche Fragen offenbar gewöhnt, wartete das Chaos ab. "Ich mache Gebrauch von meinem Selbstbestimmungsrecht", konterte sie kühl.
Viel Lärm um nichts: Das Ergebnis der Runde könnte in der Erkenntnis zusammengefasst werden, die Wulff nach dem Schweizer Dichter Max Frisch zitierte - "Deutschland hat Gastarbeiter gerufen, doch gekommen sind Menschen." Leider nicht viele hochqualifizierte, sondern meist bildungsferne.
Die Folgen sind heute hinlänglich bekannt - Bildungsmangel, Armutsspiralen, Diskriminierung.
Lösungen fanden Plasbergs Gäste nicht. Und so nutzten die anwesenden Politiker das Forum zur Parteiprofilierung: "Es kann nicht sein, dass Ausländer in die Sozialsysteme abwandern", wetterte Wulff. Roth rollte mit den Augen.