Die Macrons im Weißen Haus Gipfeltreffen der Symbolpolitik
In der politischen Theologie des Mittelalters sprach man von den "zwei Körpern des Königs". Der erste Körper ist der natürliche, menschliche, hinfällige Leib. Der zweite Körper ist insofern unsterblich, als er die Funktion des Königs als Herrscher repräsentiert. Wichtiger als seine Figur ist also, ob er eine "gute Figur" macht.
Im Garten des Weißen Hauses war denn auch mehr zu beobachten als das rituelle Pflanzen einer zarten Freundschaftseiche. Angela Merkel und Theresa May pflegen ein eher frostiges Zweckbündnis mit Donald Trump. Einziger Anprechpartner nach seinem Geschmack ist Emmanuel Macron. Das Tête-à-Tête zwischen dem wichtigsten Amerikaner und dem wichtigsten Europäer ist inszeniert als Begegnung auf Augenhöhe. Ein Gipfeltreffen der Symbolpolitik.
Hier könnte man nun, wie üblich, mühelos die Damen miteinander vergleichen. Während die Herren zupackend Erde ausheben, als würden sie ein Grab schaufeln, stehen die First Ladys beifällig dabei und machen eine gute Figur. So ist es gedacht. Sonst würden Melania Trump und Brigitte Macron nicht beide mit den spitzen Absätzen ihrer Stilettos von Christian Louboutin den ehrwürdigen Rasen lüften, nicht beide vergleichbar kniefreie Kostüme tragen - mal von Louis Vuitton (Macron), mal von Dolce & Gabbana und ergänzt um ein vampirhaftes Cape von Givenchy (Trump). Schwestern im Geiste oder doch wenigstens Modegeschmack.
Und die Männer?
Bedeutender sind, um den anzüglichen Modejournal-Stil mal auf Männer anzuwenden, die Style-Unterschiede zwischen den Präsidenten.
Der Franzose kann mit seinen Idealmaßen jeden Anzug tragen, mit nacktem Oberkörper gar einen Wladimir Putin beim Angeln vor Neid erröten lassen. Entschieden hat er sich für einen nachtblauen Nadelstreifen von Jonas et Cie - eng geschnitten, sexy und pragmatisch zugleich. Am Handgelenk Macrons korrespondiert seine Cartier Tank MC mit weißem Zifferblatt vortrefflich mit schlichten silbernen Manschettenknöpfen. Edel auch seine Schuhe von Weston, das Modell ("Richelieu") eine augenzwinkernde Verbeugung vor der französischen Geschichte. Birgitte Macron hat die komplette Kollektion zusammengestellt.
Der Amerikaner hingegen ist zusehends damit beschäftigt, seine Problemzonen (Bauch, Beine, Po, Gesicht) zu verbergen. Seine Anzüge von Brioni sind zu diesem Zweck gleich mehrere Nummern zu groß. Clever! Den Schlips befestigt er mit Klebestreifen von Scotch. Pfiffig! Manschettenknöpfe und Uhr sind von "Trump". Mehr ist nicht in Erfahrung zu bringen, Trump pflegt einen bescheidenen All-American-Billionaire-Style. Melania will damit nichts zu tun haben.

Fotostrecke: Die Macrons zu Gast in Washington
Womöglich ist, was wir sehen, sogar noch komplizierter. Dem unbefangen umherscheifenden und an Äußerlichkeiten sich aufhängenden Blick scheint es, als wäre Brigitte Macron die ideale First Lady und Melania Trump eine passende Première Dame - in der Nachfolge einer Carla Bruni.
Anders als die beiden ehemaligen Mannequins bindet Brigitte Macron ihrem Gatten nicht nur die Krawatten. Sie ist auch in politische Entscheidungen involviert und schreibt an den Reden des Präsidenten mit. Sie wird es auch gewesen sein, die am Abend des Wahlsiegs seinen einsamen Marsch durch den Innenhof des Louvre ikonografisch am legendären Gang Mitterands ins Panthéon ausgerichtet hat.
Trump trifft also gleich zwei mit Inszenierung sehr vertraute französische Politiker (in vier Körpern), während er selbst, wie man hört, recht alleine ist - aber oft aussieht, als steckten gleich drei Leute unter seinem unförmigen Mantel. Womit wir die entscheidende Verbindungslinie aufgespürt hätten, nämlich jene zwischen Donald Trump und Brigitte Macron.
Obama hatte Eleganz. Und Trump?
Zum zweifelhafteren Erbe des vorigen US-Präsidenten gehörte seine Eleganz. Bei Barack Obama schienen beide Körper des Herrschers identisch zu sein. Mag sein, dass er in Syrien zauderte, die Staatsverschuldung der USA auf Rekordniveau anwachsen ließ oder einen beispiellosen Drohnenkrieg entfesselte. Aber hey, er sah cool aus. Redete smart. Hatte Humor und den Swing. Faustcheck, Bro'!
Und Donald Trump kämpft mit diesem Erbe. Wird mal nicht seine Politik kommentiert, dann beömmelt sich alle Welt über die plumpe Physis und Psyche des Präsidenten. Ist der noch ganz dicht? Wie dick sein Hintern ist! Wie orange seine Haut, wie unförmig sein Anzug. Und das tote Meerschweinchen auf seinem Kopf? Ist bestimmt ein Toupet! Wäre er nicht der mächtigste Mann der Welt, man könnte ihn für ein bemitleidenswertes Opfer von "Lookism" oder "Bodyshaming" halten.
Brigitte Macron wiederum ist, wie alle mächtigen Frauen oder Frauen überhaupt, den üblichen sexistischen Anfeindungen ausgesetzt - ergänzt um hämischen "Ageism", weil sie 25 Jahre älter ist als ihr 41-jähriger Mann; ein größerer Abstand freilich als zwischen Donald und Melania. Die übrigens bereits Bilder verbreiten ließ, wie hausfraulich sie die Vorbereitungen des Abendessens mit den Macrons überwachte.
Zu hoffen bleibt also, dass Emmanuel einen guten Draht zu Melania findet. Sie können ja zusammen ins Museum gehen. Oder shoppen. Wichtiger wäre vielleicht, dass Donald weniger unbeholfene Worte findet, als er sie bei seinem letzten Besuch in Paris an Brigitte richtete: "You're in such a good shape!"