Falscher Speed-Freak Betrüger legt "Polylux" herein
Eine fette Story, dachten wohl die Macher des TV-Magazins "Polylux": Der übergewichtige Tim will abnehmen, um seinen Platz in der Gesellschaft wiederzufinden. Schon sechs Wochen quält er sich mit einer Diät, raucht ununterbrochen und konsumiert regelmäßig die aufputschende Droge Speed - sie hilft ihm, den Hunger zu unterdrücken. Im Interview mit dem "Polylux" sagt er, dass Speed für ihn ein Medikament sei und gibt Tipps wie man trotzdem nicht "körperlich abkackt".
Heute hat Tim eine Pressemitteilung an zahlreiche Redaktionen in Deutschland geschickt. Darin erklärt er, er heiße gar nicht Tim und gehöre der Aktivistengruppe "Kommando Tito von Hardenberg" an.
Den Speed-User Tim habe er erfunden, der Auftritt bei "Polylux", in dem er von seinem Leiden erzählt, sei nicht authentisch.
Der Tim-Darsteller will seinen Klarnamen nicht preisgeben, er nennt sich Tito von Hardenberg - in Anlehnung an den Namen der "Polylux"-Moderatorin Tita von Hardenberg. Mit dem gefälschten Interview wolle man die mangelnde Recherche der Redaktion anprangern, sagte der Medienscherzbold in seiner Presse-Mail. Auch in Zukunft müsse die Medienlandschaft sich vor ihm in Acht nehmen.
Den Vorwurf der vernachlässigten Sorgfaltspflicht lässt "Polylux" nicht auf sich sitzen. Zu SPIEGEL ONLINE sagte Ralph Kotsch, Sprecher des "Polylux" ausstrahlenden Rundfunks Berlin Brandenburg, der falsche Speed-Junkie habe seine Rolle glaubwürdig verkörpert. Auch Zittern und Schweißausbrüche habe der Mann simuliert.
Die zuständige Redakteurin Claudia Bäckmann habe den Protagonisten in einem Forum im Internet aufgespürt und mehrmals mit ihm telefoniert, bevor der Beitrag gedreht wurde. "Der Protagonist hat gelogen, die Redakteurin hat sich auf seine Authentizität verlassen, sie trifft keine Schuld."
Medienterroristen im Bekennervideo
Die Aktivistengruppe "Kommando Tito von Hardenberg" hat inzwischen ein Bekennervideo im Internet verbreitet. Darin geben die Mitglieder zu Protokoll, sie hätten "Polylux" angegriffen, um gegen Praktikantenausbeutung und schlechtes Fernsehprogramm zu demonstrieren.
Die Tatsache, dass es für sie ein Leichtes war, sich ins Fernsehen einzuschleusen, führen sie darauf zurück, dass in den deutschen Medien immer schlechter recherchiert werde. Der Grund: Praktikanten müssten unter großem Druck anfallende Projekte betreuen, für Sorgfalt sei zu wenig Zeit.
Den Vorwurf, Fernsehredaktionen würden schlecht recherchieren, wies Kotsch von sich. Man müsse sich trotzdem in Zukunft darüber Gedanken machen, wie ein weiterer Vorfall dieser Art verhindert werden könne. Personelle Konsequenzen würde der Sender allerdings nicht ziehen; genügend Personal, um gründlich zu recherchieren, gebe es auch.
Tito von Hardenberg hat sich inzwischen bei Redakteurin und Produktionsfirma entschuldigt. Seinen Auftritt bezeichnete er als "grenzwertiges Handeln", das er eingesetzt habe, um ein Thema, das ihm wirklich am Herzen liege, in die Öffentlichkeit zu bringen.
sta