

Unangenehm ist das. Fremde Menschen zu fotografieren. Feriel Bendjama fühlt sich dabei immer etwas unwohl, gehemmt. Deshalb setzt sie sich selbst in Szene, arbeitet mit Make-up, mit Kostümen, Gesichtsausdrücken, nimmt ihren Sohn mit vor die Kamera. Bendjama ist 33 Jahre alt, Fotografin, Künstlerin und wohnt in Berlin. Bis sie die Hauptstadt als Heimatstadt gefunden hat, ist viel Zeit vergangen.
Bendjama wuchs in einem kleinen Dorf in Algerien bei ihrer Großmutter auf. Aber auch in Offenbach in Deutschland. Hin und her wechselte sie. Zwischen Abenteuer und Ordnung. Algerien, das Land ihres Vaters, ihrer Großmutter. Algerien, das Land der Gerüche, Gewürze, der interessanten Geräusche. Und Deutschland, das Land ihrer Mutter, der schönen Sprache, der Verlässlichkeit und der vielen verschiedenen Brotsorten.
Viele Jahre reiste sie nach der Schulzeit umher. Zeiten des Nomadentums. Nach Ägypten, Tunesien und immer wieder zurück in ihre Kindheit - nach Algerien. "Ich wollte aus Offenbach fliehen", sagt sie. Bendjama suchte ihren Platz im Leben, ihr Glück, einen Sinn, eine Aufgabe. Vor allem aber suchte sie nach ihrer Identität als Algerierin.
Ein Handtuch als Kopftuch
Wie muslimische Frauen gesehen werden - das hat sie in ihrer Fotoserie "We, they and I" verarbeitet. Drei verschiedene Sichtweisen auf die islamische Kopfbedeckung beschreibt sie damit. Einmal, wie Muslime das Tuch am liebsten auf den Köpfen sehen würden, einmal den Klischeeblick von Nicht-Muslimen und einmal eine Perspektive, die von gängigen Kopftuch-Klischees abweicht. "Ich wünsche mir, dass die Medien Kopftuch tragende Frauen bunter und vielfältiger darstellen", sagt sie. Ich wünsche mir mehr Toleranz, mehr Vielfalt. Mit ihrer Serie belegte sie 2012 den dritten Platz des Fotopreises der Zeitschrift "Zenith". Nun können sich Fotografen wieder dafür bewerben und sechs bis zwölf Bilder zum Thema "Muslime in Deutschland" einreichen.
Mit zwölf Jahren begann Bendjama, zu fotografieren. Ihre Geschwister hat sie damals geschminkt und verkleidet und Bettlaken an Zimmerwände genagelt, damit sich die Hintergründe abwechselten. Als Kind setzte sie sich zusammen gewickelte Handtücher auf und stellte sich vor, wie es ist eine muslimische Frau zu sein, die ein Kopftuch trägt.
Reflektieren über Deutschland
Feriel Bendjama spielt mit ihrer Herkunft, einem Leben zwischen zwei Welten. Sie ist islamisch verheiratet und steht dem Islam näher als dem Christentum.
Religion, das ist für sie eine Öffnung zum Spirituellen, zum Frieden, zur Liebe und zum Optimismus. Wer ausgezeichnet wird, bekäme mehr Anerkennung, sagt Bendjama. Aufträge hat sie durch ihn bekommen. Aber ernüchtert, hat er sie auch. "Irgendwann war es nicht mehr meine Fotoserie, sondern sie gehörte anderen Menschen", sagt sie. Auf einen Schlag wurde von ihr erwartet, sich zum Kopftuch zu positionieren. Ob sie dafür oder dagegen sei, wurde sie gefragt. Doch Bendjama wollte lediglich reflektieren, was sie jeden Tag in Deutschland sah und erlebte.
Sie beobachtet, nimmt Kleinigkeiten wahr, erkennt Missstände, macht darauf aufmerksam. Darin hat sie ihren Sinn im Leben, ihr Glück gefunden.
"Zenith"-Fotopreis 2013: Bis zum 30. September können Fotografen und Fotografiebegeisterte sechs bis zwölf Bilder zum Thema "Muslime in Deutschland" einreichen.
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"Zenith"-Fotopreis-Gewinnerin Feriel Bendjama: Im Mittelpunkt ihrer Fotoserie steht das Kopftuch.
"In meiner Arbeit reflektiere ich meine persönlichen Beobachtungen und Berührung mit dem Kopftuch", sagt sie.
Feriel Bendjama zeigt Klischeevorstellungen, die Europäer über Muslima haben.
Sie setzt sich gern selbst in Szene, weil es ihr unangenehm ist, fremde Menschen zu fotografieren.
Zwölf Selbstporträts stellen verschiedene Sichtweisen auf die islamische Kopfbedeckung dar.
Ihre Mutterschaft verarbeitete sie in der Serie "Mother and Son".
Auch hier spielt Bendjama wieder mit Klischeevorstellungen.
Unter dem Namen "Maalisch" vereint die Fotografin Feriel Bendjama eine Serie aus drei Selbstporträts.
Auch Filmprojekte hat die 33-Jährige bereits realisiert. Hier der Kurzfilm "Die Schläferin".
Beerdigung eines deutschen Muslims auf dem muslimischen Friedhof in Berlin. Der Fotograf Kai Löffelbein belegte mit seinen Fotografien beim "Zenith"-Fotopreis den ersten Platz.
Teestube in Berlin. Kai Löffelbein arbeitet als freier Fotograf und wohnt in Berlin und Hannover.
Muslime beten nahe einer Kundgebung eines Salafisten. Löffelbeins Serie heißt "Fremde Heimat".
Agata Szymanska-Medina wurde beim "Zenith"-Fotopreis Zweite. Ihre Fotoserie nannte sie "Auf der Suche".
Sie begleitete den 22 Jahre alten Ali, der aus Palästina nach Deutschland kam.
In Berlin lebte Ali in einem Studentenwohnheim.
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