
"Saving Mr. Banks": Porentief reingewaschen
Disney-Biopic "Saving Mr. Banks" Der Wolf im Tom-Hanks-Pelz
Walt Disney war kein Heiliger. Das räumt selbst der neue Film "Saving Mr. Banks" ein. Da stürmt P. L. Travers, Verfasserin der Buchvorlage von "Mary Poppins", in Disneys Büro im kalifornischen Burbank - um ihn dort beim heimlichen Rauchen zu ertappen. "Sorry", murrt Disney peinlich berührt, und drückt den Stummel schnell aus. "Ich hasse es, den Kindern ein schlechtes Vorbild zu sein." Das war's dann auch.
Die Qualm-Szene ist die einzige, die dem von Hollywood-Darling Tom Hanks dargestellten Disney einen Makel unterstellt. Ansonsten kommt der Urvater der Animation in dem Spielfilm, der die turbulente Entstehungsgeschichte des Disney-Klassikers "Mary Poppins" von 1964 rekonstruiert, als charmanter Wohltäter daher, der der zickig-widerspenstigen Autorin P. L. Travers (die Oscar-verdächtige Emma Thompson) die Filmrechte abluchst.
Was kein Wunder ist: Die Komödie - die am 6. März auch in Deutschland anläuft - ist eine Disney-Produktion. Zwar beharren Regisseur John Lee Hancock und die Drehbuchautorinnen Kelly Marcel und Sue Smith darauf, dass ihnen das Studio nicht reingeredet habe. Doch Walt Disney hätte kaum schmeichelhafter porträtiert werden können, zumal von Hanks, dem ewigen Mr. Nice Guy des Kinos.
Dabei war Disney mitnichten der nette Onkel von nebenan, der die Amerikaner sonntags im Fernsehen in seiner "wundervollen Welt" begrüßte. Selbst die fast lachhaft diskrete Zigarettenszene in "Saving Mr. Banks" untertreibt: Disney, ein notorischer Kettenraucher, starb 1966 an Lungenkrebs.
Meryl Streep schimpft auf Disney
Bis heute scheiden sich die Geister an kaum einem Hollywood-Pionier mehr als an Disney, der mit Micky Maus und Donald Duck ein Entertainment-Imperium schuf. Die einen sehen ihn als Genie, die anderen als Monster, dazwischen liegt wenig. "Saving Mr. Banks" hat den alten Konflikt neu entfacht, kurz vor den Oscar-Nominierungen am Donnerstag, bei denen der Film gute Chancen hat.
Verehrt oder verteufelt - den Zwiespalt umriss zuletzt Meryl Streep, die Grande Dame Hollywoods. Als die ihrer Kollegin Thompson vergangene Woche einen Kritikerpreis für ihren Parforce-Ritt als "Mary Poppins"-Erfinderin überreichte, ließ Streep es sich nicht nehmen, gegen Disney auszuteilen.
"Walt Disney konnte Frauen nicht ausstehen", sagte Streep, die gerade selbst einen Disney-Film abgedreht hat, eine Adaption des Musicals "Into The Woods". Und er sei "angeblich ein scheußlicher Antisemit" mit "rassistischen Neigungen" gewesen. Aber dann doch: "Seine Poesie wusch seine Seele rein."
Diese Vorwürfe, später weichgezeichnet durch seine Errungenschaften, verfolgten Disney seit den Vierzigern. "Saving Mr. Banks" sollte diese Zeit ausklammern: Die Vorgaben für das Drehbuch seien streng gewesen, berichtete Hanks in der "Los Angeles Times". Disneys dunkle Vergangenheit habe zur Zeit von "Mary Poppins" ja schon "weit genug zurückgelegen". Sprich: mindestens zwei Jahrzehnte.
Der böse Wolf als jüdischer Hausierer
1941 streikten Disneys Zeichner während der Produktion von "Dumbo" für mehr Geld. Ihr Chef schlug gnadenlos zurück: Er bezichtigte sie, Kommunisten zu sein, schüchterte sie mit Waffengewalt ein, feuerte die Hälfte der Belegschaft, kürzte die Gehälter - und war seitdem verhasst.
Dazu trug auch "Onkel Remus' Wunderland" (Originaltitel: "Song of the South") bei, ein Disney-Film von 1946, der in den USA seit 1986 unter Verschluss ist - zu rassistisch die Südstaaten-Klischees wie das vom fröhlichen Ex-Sklaven. Der Song "Zip-a-Dee-Doo-Dah" jedoch, 1947 mit einem Oscar prämiert, ist weiterhin ein Disney-Gassenhauer.
Bis in die Dreißiger zurück reicht die etwas schwammigere Anschuldigung, Disney sei Antisemit gewesen. Sie stützt sich zum Beispiel auf den legendären Kurztrickfilm "Die drei kleinen Schweinchen" von 1933, der den bösen Wolf zunächst als jüdischen Hausierer gezeigt hatte. Die Szene wurde später neu animiert. Und 1938 - einen Monat nach der Reichspogromnacht - hieß Disney einen Ehrengast in seinem Studio willkommen: die NS-Propagandistin Leni Riefenstahl. Neal Gabler, der zuverlässigste Disney-Biograf, nahm ihn in Schutz: Selbst unter Disneys jüdischen Angestellten, schrieb er 2006, "war es schwer, einen zu finden, der Walt für einen Antisemiten hielt".
Als belastender gilt Disneys Mitgliedschaft in der Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals (MPAPAI), einer unverblümt antisemitischen Gruppe, der Stars wie Clark Gable und John Wayne angehörten und die sich gegen die vermeintliche "kommunistische Infiltration" Hollywoods wehrte. Und als FBI-Informant soll Disney viele Kollegen bespitzelt haben. 1947, während der McCarthy-Ära sagte er als Kronzeuge vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe aus, der die berüchtigte "Schwarze Liste" erstellte.
Am Ende war Disneys Rolle in jenen Jahren wohl komplexer, als es die zu Mythen erstarrten Vorwürfe nahelegen. "Walt Disney - Prinz oder Frosch?", betitelte die "Los Angeles Times" einmal einen Artikel. Beides irgendwie wahr.