Fotoausstellung "Bye Bye" Weltgeschichte ohne Willy

Platz da! Für die Ausstellung "Bye Bye" hat der Werber Michael Schirner weltberühmte Fotos retuschiert - und dabei Entscheidendes entfernt: Kein Willy Brandt kniet in Warschau, kein James Dean schlendert über den Times Square.

Wie war das: Jeder Mensch ist ersetzbar? Und sei es durch das Nichts, könnte man hinzufügen angesichts der 40 Bilder, die Michael Schirner, einst als "Werbepapst" gehandelter Texter, Kreativdirektor und Agenturprimus für die Ausstellung "Bye Bye" bearbeitet hat.

Fotografien, die sich ins kollektive Gedächtnis geradezu eingebrannt haben, hat Schirner am Computer retuschiert und dabei die entscheidenden Personen und Objekte entfernt: Willy Brandt kniet nicht mehr in Warschau; kein Panzer rollt über den Platz des Himmlischen Friedens; Adolf Eichmann, einer der hauptverantwortlichen Planer des Nazi-Massenmords an den europäischen Juden, scheint seine Kabine im israelischen Gerichtssaal verlassen zu haben. Verfremdung als Atempause: Geschichte wird nicht gemacht.

Schirners Ziel sei die "Sichtbarmachung des Unsichtbaren", so die Pressemitteilung zur Ausstellung. Die Manipulation von Fotos gibt es beinahe so lange wie die Fotografie selbst. Im Zeitalter der Bildbearbeitung ist sie alltäglich geworden. Diese Ausstellung stellt nun ikonisch gewordene Motive in Frage.

Manchmal überraschend, manchmal amüsant, so, wenn James Dean angesichts des Schmuddelwetters auf dem Times Square einfach zu Hause geblieben zu sein scheint.

Zuweilen allerdings wirkt Schirners Arbeit auch wie eine eitle Spielerei: Auf der weltberühmten, zum Inbegriff von Vietnamkriegsgräueln gewordenen Aufnahme von schreienden Kindern auf der Straße von Trang Bang fehlen die Opfer. Stattdessen rücken die Soldaten und Fotografen vom Bildhintergrund in die allgemeine Wahrnehmung. Welche Erkenntnis soll der Betrachter dadurch gewinnen?

Es ist eben ein entscheidender Unterschied, ob man ein inszeniertes Motiv - wie das berühmte Bild der die amerikanische Flagge hissenden GIs 1945 - seiner Inszenierung beraubt oder ein wichtiges historisches Dokument seines Kerns. Das, was dann zurückbleibt, ist mitunter noch weniger als das Nichts: nämlich gar nichts.


"Bye Bye", bis 25. April, Haus der Fotografie, Deichtorhallen Hamburg; bis 29. Mai, Galerie Ascan Krone, Berlin

sha
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