

Hamburg/Bonn- Josef Heinrich "Jupp" Darchinger gilt als einer der herausragenden Fotojournalisten in Deutschland. Als Starfotograf der Bonner Republik hielt Darchinger mit seiner Kamera die Geschichte des Landes fest. Er war unter anderem für den SPIEGEL und die "Zeit" tätig. Der SPIEGEL, wo er seit den sechziger Jahren rund 10.000 Aufnahmen veröffentlicht hat, nannte Darchinger "das Auge von Bonn".
Jupp Darchinger, geboren 1925, kam als Teenager schwer verletzt in französische Kriegsgefangenschaft. Erst nach dem Krieg traute sich der als Landwirt ausgebildete Darchinger, den Beruf des "Fotojournalist" zu ergreifen - eine Bezeichnung, die er 1952 selbst wählte, da er sich mangels Ausbildung nicht Fotograf nennen durfte.
Darchinger war immer dicht an den Politikern, aber stets auch um Distanz bemüht. Ein Fotograf müsse immer Abstand wahren, dann sehe er mehr -das war sein Motto. Viele Politiker kannte er über Jahrzehnte, und sie öffneten ihm auch ihre Privaträume. So wurde er eine veritable Institution der Bonner Republik - immer angetrieben von einer sich selbst auferlegten Chronistenpflicht. Staatsbesuche, Auslandsreisen, Parteitage - wo andere Fotografen hinwollten, stand er meist schon. Sein Ziel waren keine steifen Handshake-Bilder, sondern situative, aussagekräftige Aufnahmen. Er machte etwa das berühmte Foto von Ex-Kanzler Willy Brandt, dem der - später als DDR-Spion enttarnte - Günter Guillaume ins Ohr flüstert.
"Majestät, mehr Zähne bitte!"
Er hielt fest, als Rut Brandt ihrem Mann für den Bundespresseball 1967 die weiße Smokingfliege am Hals zurechtrückte. Auch als der damalige sowjetische Parteichef Leonid Breschnew 1973 innig die Hand von Rut Brandt küsste, drückte Darchinger auf den Auslöser.
Von Helmut Schmidt allein hat er fast 40.000 Bilder gemacht. Dazu gehören auch Aufnahmen von Schmidt in seinem Ferienhaus am Brahmsee und beim Segeln. Ein exklusives Bild gelang ihm, als der damalige DDR-Staatschef Erich Honecker im Dezember 1981 vom Bahnsteig in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) Schmidt ans Zugfenster noch ein Hustenbonbon zum Abschied reichte. Für dieses Bild, fotografiert auf dem Bahnhof Güstrow, hatte sich Darchinger, wie er einmal sagte, "vier Stunden lang bei Minus 15 Grad den Arsch abgefroren."
Es ging ihm um den Menschen hinter der Fassade. Dafür rückte er sich kurzerhand auch schon mal Persönlichkeiten zurecht. Vom Schah von Persien forderte er: "Majestät, mehr Zähne bitte." Beim Porträt sei er "ein schrecklicher Diktator", meinte er 2010 in einem Interview. "Wer sich nicht in meine Obhut begeben wollte, der war nicht mein Mann oder meine Frau."
Die Wende und den Umzug der Hauptstadt von Bonn nach Berlin begleitete der Fotograf noch mit, dann zog er sich allmählich aus dem aktuellen Geschäft zurück. 1997 würdigte das Rheinische Landesmuseum in Bonn den Fotografen mit einer umfangreichen Retrospektive seiner charakteristischen Schwarzweißfotos. 2008 erschien Darchingers
Josef Heinrich "Jupp" Darchinger starb bereits am Sonntag im Bonner Stadtteil Endenich. Das bestätigte sein Sohn Marc am Freitag. Am 6. August wäre er 88 Jahre alt geworden.
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"Eine Stange Paradies": Für zehn Pfennig gab es 1955 eine Stange mit fünf Karamellbonbons - eines der berühmten Darchinger-Motive aus der Wirtschaftswunderzeit. Wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag ist einer der herausragendsten Fotojournalisten in Deutschland gestorben.
"Er ist der Beste", sagte Altkanzler Helmut Schmidt über Heinrich Josef "Jupp" Darchinger - hier ein Selbstporträt im Spiegel mit Agfa Karat Kamera aus dem Jahr 1949. Erst nach dem Krieg traute sich der gelernte Landwirt, den Beruf des Fotojournalisten zu ergreifen.
Der berühmte Schnappschuss von Ex-Kanzler Willy Brandt, dem Günter Guillaume - später als DDR-Spion enttarnt -ins Ohr flüstert. Darchingers Ziel war immer, keine steifen Handshake-Bilder, sondern situative, aussagekräftige Aufnahmen zu machen.
Willy Brandt vor dem Brandenburger Tor 1958: Ein Jahr zuvor war der politische Emigrant und Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden.
Jugend in den Fünfzigern: Kippe an der Lippe und Frisur nach James-Dean-Art: Eine Kulturrevolution bringt das bürgerliche Wertesystem allmählich ins Wanken. Diese Aufnahme hat Darchinger 1959 in Dortmund gemacht.
Familie Darchinger beim Sonntagsausflug in der Eifel: Mit VW Käfer ins Grüne - ein weit verbreitetes Freizeitvergnügen, dass perfekt festgehalten wurde. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1957.
Ein exklusives Bild, für das sich Darchinger "vier Stunden lang bei Minus 15 Grad den Arsch abgefroren" hat. Der damalige DDR-Staatschef Erich Honecker im Dezember 1981 vom Bahnsteig in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) reicht Schmidt noch einen Hustenbonbon zum Abschied ans Zugfenster.
Helmut Schmidt am Berg: Der Ex-Kanzler, Rudolf Augstein, Erich Böhme und Wolfgang Kaden (v.r.n.l). Darchinger machte dieses Bild anlässlich eines SPIEGEL-Gesprächs 1974 am Brahmsee. Bei Bier und Sonne ergriff ein leicht aufgekratzter Augstein zur Axt, mit der Schmidt sonst sein Holz hackte, und tat so, als ob er Schmidt erschlagen wolle. Ein Leibwächter des Kanzlers berichtete später, dass er bereits die Waffe gezogen und entsichert hatte und nur deshalb nicht feuerte, weil zwei Kollegen Augsteins in der Schussbahn standen.
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