Fotografie-Ausstellung Was Banken so sammeln
Fotografie und Kunst? Eine längere Beziehung, aber eine späte Akzeptanz. Wie spät erst die Fotografie als künstlerische Disziplin anerkannt wurde, darüber schreibt der Kunsthistoriker Walter Grasskamp in seinem Essay im Katalogbuch "Konzept: Fotografie. Real", das zur gleichnamigen Ausstellung im Städel Museum erschienen ist.
An der "internationalen Weltausstellung moderner und zeitgenössischer Kunst" konnte man das ablesen, der "Documenta in Kassel, die sich beharrlich weigerte, die Fotografie als künstlerische Gattung ernst zu nehmen", schreibt er. Die ersten Fotos als Kunstwerke waren 1972 auf der 5. Documenta von Harald Szeemann zu sehen, "aber auch das nur, weil vieles in Land Art, Performances oder Konzeptkunst ohne dieses Hilfsmittel nicht hätte veranschaulicht, auf Dauer ausgestellt und vermarktet werden können", so Grasskamp.
Dann ging es allerdings schnell: 1977 war die Fotografie auf der Documenta 6 als eigenständige Kunstgattung etabliert "sowohl historisch wie aktuell". Und seitdem ist sie aus der Kunst und dem Kunstbetrieb nicht mehr wegzudenken. Und schon gar nicht aus Sammlungen.
Eine der größten, frühen und hochrangigsten hat die Kunsthistorikerin Luminita Sabau seit 1993 für die DG Bank angelegt 6000 Fotos von 550 Fotografen oder mit dem Medium Fotografie arbeitenden Künstlern. Stolz war die DG Bank auf ihre Sammlung, die dem Unternehmen moralische und kulturelle Aufwertung bescherte, denn Sabau sammelte nicht, um die Bank zu dekorieren oder aus Repräsentationszwecken.
Aber 2001 kam dann die Krise: Die DG Bank fusionierte mit der GZ Bank zur DZ Bank. Und die wollte auf jegliches Kunst-Engagement verzichten keine Ankäufe mehr, keine Fortführung irgendeiner Sammlertätigkeit, keine Leihgaben mehr an Museen, keine Ausstellungen oder Kataloge. Und es sickerte durch, dass der neue Vorstand die inzwischen auf rund 20 Millionen Euro geschätzte Sammlung verkaufen wolle. Gott sei Dank kam es anders, 2002 war die Kuh vom Eis nicht zuletzt durch die Einsicht, dass so eine Sammlung mehr als einen materiellen Wert hat.
Jetzt hat ein Teil der Sammlung einen neuen Besitzer bekommen. Die DZ Bank hat dem Frankfurter Städel Museum eine üppige Schenkung gemacht, zum eigenen 125-jährigen Jubiläum und weil sie sich "aufgrund ihrer genossenschaftlichen Tradition" verpflichtet fühlt, "eine Investition in die gesellschaftliche Infrastruktur zu tätigen" und "bürgerschaftliches Engagement" zu zeigen.
215 Werke konnte sich Max Hollein für seine neue Fotosammlung aus den rund 6000 Arbeiten auswählen. Zum Dank zeigt das Städel die Jubiläums-Ausstellung "Real" mit 80 Arbeiten, gehängt nach den sechs Gattungen der Kunstgeschichte Porträt, Architektur, Interieur, Landschaft, Genre und Stillleben.
In der Ausstellung staunt man wieder einmal, wie hochkarätig und vorausschauend Luminita Sabau die Sammlung aufgebaut hat. Fotografien von Andreas Gursky, Thomas Ruff und Thomas Struth hat sie noch vor dem "Strutzky"-Boom gekauft, Klassiker wie David Hockney, Andy Warhol, Balthasar Burkhard, Arno Fischer, Boris Michajlov, Gordon Matta-Clark oder Anne & Patrick Poirier und Mario Merz gesammelt, natürlich sind Wolfgang Tillmans, Matthew Barney, Günter Förg und Jeff Wall dabei und Louise Lawler, Katharina Sieverding, Candida Höfer und Tacita Dean. Und auch Fotografen, die noch nicht lange im Fokus stehen und sehr jung sind, wie Beate Gütschow, Delia Keller, Raissa Venables und Sanna Kannisto.
Nicht alle der ausgestellten 80 Bilder hat Hollein für seinen künftigen Sammlungsschwerpunkt Fotografie ausgewählt ein bisschen Überraschung soll es ja 2011 auch noch geben, wenn der neue, 3000 Quadratmeter große Erweiterungsbau für den Neuzugang fertig ist. Eine andere Überraschung hingegen, wie sie vor kurzem das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt mit dem Rückzug einer Dauerleihgabe durch einen Sammler erlebte, ist für das Städel ausgeschlossen worden. Denn die Bilder werden Eigentum der vom Museum und der Bank gemeinsam gegründeten GmbH sein, die beiden zu gleichen Teilen gehört.
Damit, so Hollein, wird "die Übergabe keine unnötigen steuerlichen Belastungen mit sich bringen", und die Bilder gehen "unwiderruflich in den Besitz des Städel über und können nicht zurückgenommen werden". Vielleicht ein Geschäftsmodell für die Museen im Umgang mit Privatsammlern.
Ausstellung "Konzept: Fotografie. Real". Bis 21.9., Frankfurt/Main. Städel Museum, Tel. 069/605 09 80.
Katalog Luminita Sabau (Hg.): "Konzept: Fotografie. Real Aus der Sammlung der DZ Bank". Hatje Cantz Verlag, Ostfildern; deutsch/englisch; 192 Seiten, 51 Abbildungen; im Museum 29,90 Euro, im Buchhandel 39 Euro.