Fotografielegende Eggleston Ich bin ein Star, lasst mich allein

William Eggleston mag schrille Farben, schöne Frauen, starken Alkohol - nur eines nicht: über seine Arbeit sprechen. Jenny Hoch traf den Mann, der die Farbfotografie salonfähig machte, trotzdem zum Interview. Und machte eine Grenzerfahrung.

Wenn William Eggleston seine Koffer packt, geht das ruck, zuck. Weiße Hemden zum Wechseln, zwei, drei elegante dunkle Anzüge, ein paar Krawatten, ein Einstecktuch. Fertig. Das ist die Uniform, die der legendäre Fotograf, bekennende Dandy und Sprössling einer wohlhabenden Südstaaten-Familie schon immer getragen hat. Als Student inmitten Anti-Vietnamkrieg-bewegter Hippies, auf seinen drogenbefeuerten Roadtrips zusammen mit dem Maler und Filmemacher Dennis Hopper und dem Kurator Walter Hopps, und natürlich bei der Arbeit.

Es gibt unzählige Geschichten über diesen schillernden Charakter. Meistens spielen schöne Frauen, scharfe Waffen und starker Alkohol darin die Hauptrollen. Oft fallen außerdem die Stichwörter Knast und Drogen. Sie sind wahrscheinlich alle wahr. Fest steht, der schmale, 1939 geborene William Eggleston war immer ein Außenseiter, und seine Fotografien waren es zuerst auch. Denn er traute sich etwas, was der amerikanische Fotopionier Walker Evans als "vulgär" titulierte: Er fotografierte in Farbe. Und bezeichnete die Ergebnisse als Kunst.

Bei seiner ersten Einzelausstellung im New Yorker Museum of Modern Art 1976 fielen die Kritiker prompt wie Hyänen über ihn her: "Die meistgehasste Ausstellung des Jahres", konstatierte die "New York Times", "schillernde Anmaßung", "vollendete Langeweile" geiferten die Kollegen.

Heute sieht das natürlich ganz anders aus. William Eggleston ist längst eine Fotolegende, er gilt als der Mann, der die Farbfotografie in Kunstkreisen salonfähig gemacht hat. Seine durch das Dye-Transfer-Verfahren, das die Farben einzeln aufs Papier bringt, extrem farbstrotzenden Arbeiten erzielen Spitzenpreise. Dank seiner kargen Kompositionen, seiner ungewöhnlichen Perspektiven und der lakonischen Sujets gilt er als Chronist des amerikanischen Traums und zugleich als dessen treffsicherer Entlarver.

Denn Eggleston fotografierte lieber die staubigen Hinteransichten der amerikanischen Provinz als deren glatte Fassaden. Er fotografierte vergammelte Diner, matt glimmende Reklameschilder, leere Autos. Sein vielleicht berühmtestes Bild zeigt eine nackte Glühbirne, die von einer blutroten Decke baumelt. Elvis Presleys Landsitz Graceland setzte er als mausoleumartige Kitschhölle in Szene. Als er den damaligen Präsidentschaftskandidaten Jimmy Carter beim Wahlkampf fotografieren sollte, fuhr er just in dem Moment in dessen Heimatstadt Plains in Georgia, als Carter abwesend war und fotografierte, was ihm vor die Linse kam, also alles, außer den Präsidentschaftskandidaten.

William Eggleston gab nun anlässlich seiner in ihrer Unaufdringlichkeit großartigen Ausstellung "Democratic Camera" im Münchner Haus der Kunst eines seiner seltenen Interviews. Ein Ereignis - denn der Ausnahme-Künstler ist berüchtigt für seine schwer zu überbietende Lakonie und die störrische Weigerung, sein eigenes Werk zu interpretieren.

Kettenrauchend, selbstverständlich im dunklen Anzug, sitzt er steif zurückgelehnt da. Vor ihm steht ein Wasserglas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit: Wodka. Es wird im Laufe des Gesprächs mehrmals aufgefüllt.

SPIEGEL ONLINE: Sind Sie ein Cowboy, Mr. Eggleston?

Eggleston: Wie kommen Sie denn darauf?

SPIEGEL ONLINE: Viele Ihrer Bilder sehen so aus, als hätten Sie sie im Vorbeifahren aus der Hüfte geschossen.

Eggleston: Das stimmt, aber als Cowboy habe ich mich nie gefühlt ... (Steckt sich eine Zigarette an)

SPIEGEL ONLINE: Aber als Alien, oder? Schließlich haben Sie einmal gesagt, dass ihre Bilder so aussehen sollen, als seien sie nicht von einem Menschen gemacht worden.

Eggleston: Einmal, auf dem Land, flogen Hunderte Libellen herum und ich habe danach viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, was die wohl sehen. Das habe ich nie vergessen, ich wollte die Perspektive dieser Insekten einnehmen.

Das fängt vielversprechend an. Und interessant. Das Dreirad beispielsweise, das Eggleston von 1969 bis 1970 für seinen "William Eggleston's Guide" ablichtete, muss er quasi auf dem Boden liegend fotografiert haben. Das in der Sonne leuchtende Colaglas auf einem Ausklapptisch im Flugzeug von schräg oben. Die Libelle also.

Doch als man sich gerade auf ein anregendes Gespräch einstellt, sackt Egglestons Gesprächsbereitschaft gegen null.

SPIEGEL ONLINE: In ihrer fast psychedelischen Farbintensität wirken die Bilder, als wollten Sie damit eine emotionale Wirklichkeit kreieren.

Eggleston: Nein. (Pause, er zündet sich eine Zigarette an)

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern lassen sich Ihre Bilder als gesellschaftlicher Kommentar lesen?

Eggleston: Gar nicht. (Pause)

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie heute noch mal auf einen Roadtrip durch die Südstaaten aufbrechen würden, wie würden ihre Bilder dann aussehen?

Eggleston: Sie wären genau gleich. (Pause)

SPIEGEL ONLINE: Aber die Welt hat sich verändert ...

Eggleston: Das stimmt zwar, aber meine Methode ist dieselbe geblieben.

SPIEGEL ONLINE: Woher kommt der Impuls abzudrücken?

Eggleston: Ich weiß es nicht. Mich interessiert der Moment. (Pause)

SPIEGEL ONLINE: Was sind die Licht- und Schattenseiten des amerikanischen Traums?

Eggleston: Darüber habe ich nie nachgedacht. (zündet sich eine neue Zigarette an)

SPIEGEL ONLINE: Wie fühlt es sich an, schon zu Lebzeiten ein Mythos zu sein?

Eggleston: Kein bisschen anders als vorher.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern war es ein Hindernis für Ihre künstlerische Entwicklung, so berühmt zu sein?

Eggleston: Das hat mich nie behindert.

Okay, so kommen wir nicht weiter. Es ist ja auch verständlich, wenn er keine Lust hat, sein eigenes Werk zu erklären. Seit Jahrzehnten immer dieselben Fragen. Sprechen wir über Politik.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich früher mit Jimmy Carter beschäftigt, was interessiert Sie an Barack Obama?

Eggleston: Nichts. Ich habe keine Meinung über ihn. Ich wähle nicht. Es würde mich interessieren, wenn es jemanden gäbe, der es wert wäre, zu wählen. So jemanden wie Kennedy. (die nächste Zigarette)

SPIEGEL ONLINE: Sie waren ein großer Bewunderer von John F. Kennedy?

Eggleston: Ziemlich. Es war schwer, es nicht zu sein. (Pause)

SPIEGEL ONLINE: Aber Obama wird ja mit Kennedy verglichen.

Eggleston: Das ist lächerlich. Er ist er selbst. Der Rest ist von den Medien fabriziert. Durch den technischen Fortschritt sind die Medien außer Kontrolle geraten.

SPIEGEL ONLINE: Sie stehen dem technischen Fortschritt also eher skeptisch gegenüber, was halten Sie von der Digitalfotografie?

Eggleston: Ich habe keine Ahnung davon, also ist es sinnlos, darüber zu reden.

Wo er recht hat, hat er recht. Nicht umsonst heißt es ja, man soll Künstler nicht nach Interpretationen ihrer Werke fragen. Und William Egglestons beeindruckendes Werk spricht für sich. Es prunkt mit Leerstellen und Farbe, mit Tristesse und Magie. Man kann sich dessen suggestiver Wirkung nur schwer entziehen.

Also: Hingehen und anschauen!


William Eggleston: "Democratic Camera. Fotografie und Video, 1961-2008 ", Haus der Kunst, München , bis zum 17. Mai 2009. Katalog: Hg. vom Whitney Museum of Art und dem Haus der Kunst, 304 Seiten, 49,80 Euro

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren