
Horst P. Horst: Magier des Lichts
Legendärer Modefotograf "Sie lächelte nur für Horst"
Es gibt ja wenige Fotografen, bei denen die Reichen und Schönen um ein Porträt betteln. Horst P. Horst war einer von ihnen. "Wenn Du auch nur ein bisschen adelig warst oder in der Gesellschaft einen Namen hattest, dann war es wichtig, von Horst fotografiert zu werden", sagt Anna Wintour, Chefredakteurin der amerikanischen "Vogue".
Der 1999 im Alter von 93 Jahren verstorbene Horst, der seine Werke stets nur mit Horst signierte, zählte neben Irving Penn und Richard Avedon zu den wichtigsten Fotografen des vergangenen Jahrhunderts. Doch ist er ungleich weniger bekannt.
Eine große Retrospektive im Londoner V&A Museum ("Horst - Photographer of Style") zeigt nun mehr als 250 Fotos aus seiner 60-jährigen Karriere. Sie beginnt mit einem Kinderbild von "Horst und seinem Bruder Heinz" anno 1908 im heimatlichen Weißenfels. Der Kleine hieß damals noch Horst Paul Albert Bohrmann. Erst viel später, im Jahr 1943, änderte er seinen Namen in Horst P. Horst, als er amerikanischer Staatsbürger wurde. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war er in die USA geflohen.
Die Freundinnen der "Vogue"-Mitarbeiter
Den Glanzpunkt der Ausstellung bilden die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Paris der Dreißigerjahre, wo Horst seine Karriere bei der "Vogue" begann. Er war Assistent (und Liebhaber) des "Vogue"-Starfotografen George Hoyningen-Huene. Die ersten Supermodels, darunter Lisa Fonssagrives, posierten in langen Satin-Roben von Couturiers wie Robert Piguet, Coco Chanel und Jeanne Lanvin. Viele Models waren russische Emigrantinnen, die vor der Oktoberrevolution geflohen waren. Den Beruf des Models gab es noch nicht, die Frauen waren meist die eleganten Freundinnen der "Vogue"-Mitarbeiter.
Eine besondere Vorliebe hatte Horst für Ludmila Leonidovna Feodoseveya, genannt Lud. Er pries ihre Ausstrahlung, sinnlich wie eine Katze sei sie. Horst hatte sie entdeckt, als sie Kleider in die "Vogue"-Redaktion lieferte. "Sie lächelte fast nie", schrieb "Vogue"-Mitarbeiterin Bettina Baillard. "Nur für Horst, in den sie, glaube ich, verliebt war."
In Paris entwickelte Horst seine Liebe für Schatten - was bei seiner Chefin nicht auf Gegenliebe stieß. "Ich habe mit Horst ein ernstes Wort über den Mangel an Licht in seinen Fotos geredet", schrieb die damalige "Vogue"-Chefredakteurin Edna Woolman Chase in einem Memo an die Redaktion. "Wir müssen dieses Streben unserer Fotografen überwinden, alles in geheimnisvolles Dunkel zu hüllen".
Das Spiel mit Dunkel und Hell entwickelte sich zu Horsts Handschrift, ehrfürchtig wurde er "Magier des Lichts" genannt. Niemand habe besser gewusst, wie das Licht auf ein Objekt fallen muss, wird Model Carmen Dell'Orifice in der Ausstellung zitiert.
Bald überflügelte Horst seinen Partner Hoyningen-Huene und ersetzte ihn schließlich als Nummer eins der Zeitschrift. Der Zweite Weltkrieg setzte seiner Zeit in Paris ein Ende, im August 1939 zog er nach New York. Sein letztes Foto vor der Überfahrt sollte sein berühmtestes werden: Das "Mainbocher-Korsett", eine Frau im Korsett, die der Kamera den Rücken zuwendet.
Kompromisse? Nicht mit ihm!
Fortan arbeitete Horst in der New Yorker Zentrale der "Vogue". Die Zeitschrift stellte in jenen Jahren von Schwarz-Weiß auf Farbfotos um. Sein Verleger Condé Montrose Nast schärfte ihm ein, dass der Geschmack des amerikanischen Publikums anders sei als der des französischen. "Frisch und spontan" sollten die Fotos sein, nicht dunkel und geheimnisvoll. Horst passte sich schnell an. Insgesamt fotografierte er 94 Titelbilder für die "Vogue" - jedes einzelne ist jetzt in London zu sehen.
Tage konnte es dauern, bis das Set Horsts Wünschen entsprach. Der Meister machte keine Kompromisse. Dafür standen die Diven bei ihm Schlange: Rita Hayworth, Ginger Rogers, Bette Davis, Joan Crawford. Als Marlene Dietrich ihm Anweisungen gab, wie ihr Gesicht auszuleuchten sei, ignorierte er ihre Wünsche einfach.
Doch Horst beschränkte sich nicht auf Porträts von Models und Hollywood-Adel. Die Schau zeigt auch Fotos der Ruinen im iranischen Persepolis, entstanden auf einer Nahostreise 1949, die ihn tief beeindruckte. Ebenso experimentierte er mit Mustern aus der Natur wie etwa Blättern, Schneckenhäusern und Schmetterlingsflügeln sowie männlichen Akten. Und auch dem Surrealismus näherte er sich an: Er brachte sogar Salvador Dalí dazu, einige Sets für seine Mode-Shoots zu entwerfen.
Horst arbeitete, bis er nicht mehr konnte: Erst 1992 gab der alte Mann das Fotografieren auf. Seine Augen spielten nicht mehr mit. Er hinterließ ein so gewaltiges Werk, dass die Kuratorin des V&A, Susanna Brown, ohne Übertreibung sagen kann: "Wir hätten fünf Ausstellungen füllen können."
"Horst Photographer of Style" im V&A Museum, 6. September 2014 bis 4. Januar 2015