Fotostrecke

Bilderserie "Offstage": Das Glänzen in den Augen

Foto: David Biene

Musiker nach Auftritten Kurz vor dem Kollaps

Verschwitzt, verschmiert, kaputt: David Biene hat Musiker wie Marteria, Wiz Khalifa oder Queens of the Stone Age direkt nach ihren Auftritten fotografiert - und Momente zwischen Euphorie und Erschöpfung festgehalten.
Zur Person
Foto: Dirk Mathesius

David Biene, Jahrgang 1978, hat Kunstgeschichte und Foto-Design studiert. Seit dem Jahr 2002 ist er als freiberuflicher Fotograf tätig. Biene lebt und arbeitet in Berlin. Neben der Auftragsarbeit für Agenturen und Redaktionen setzt Biene freie Fotokunst-Projekte um, die national und international ausgestellt werden. So erschien 2009 sein erster Bildband "Hopped-Up".

SPIEGEL ONLINE: Herr Biene, Sie fotografieren Musiker, direkt nach ihren Konzerten hinter der Bühne. Wie riecht es offstage?

Biene: Es riecht nach Leidenschaft und Action. Aber natürlich auch nach Schweiß. Ich mache die Fotos ja direkt in dem Moment, in dem die Künstler von der Bühne kommen, weil ich so authentische Bilder wie möglich möchte. Der Geruch gehört da einfach mit dazu, daran habe ich mich schon gewöhnt.

SPIEGEL ONLINE: Wie geht es den Musikern nach den Konzerten?

Biene: Die sind noch ganz auf Adrenalin und voller Begeisterung, aber körperlich total erschöpft. In dem Moment, in dem sie die Bühne verlassen, legen sie ihre Rolle ab, das macht die Porträts auch so natürlich.

SPIEGEL ONLINE: Haben die Künstler nach ihren Auftritten überhaupt noch Lust, sich fotografieren zu lassen?

Biene: Schon, die finden die Idee meist super und verstehen, um was es mir geht. In seltenen Fällen geht mal was schief.

SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel?

Biene: Die Punk und Rock'n'Roll-Band Guitar Wolf aus Japan ist dafür bekannt, dass sie bis zur völligen Erschöpfung spielt. Die Musiker spielen drei Stunden lang mit dicken Lederjacken auf der Bühne und geben die ganze Zeit Vollgas. So war es auch, als ich sie fotografieren wollte. Nach dem Auftritt sind zwei Bandmitglieder sofort an mir vorbei gestürmt und verschwanden in den Ruhe-Bereich. Der Sänger wollte auch dahin, aber er war so erschöpft, dass er sozusagen vor mir zusammenbrach.

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Foto: seen.by

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie sich keine Sorgen um ihn gemacht?

Biene: Nein, er musste sich einfach nur ein bisschen ausruhen. Ich machte dann trotzdem eine einzige Belichtung.

SPIEGEL ONLINE: Als er auf dem Boden lag?

Biene: Ja. Der Sänger ist ja ein Künstler, der das Showbusiness kennt. So ein Bild passt ja irgendwie auch zu seiner Figur.

SPIEGEL ONLINE: Wie lange haben Sie normalerweise für ein Foto Zeit?

Biene: Ein bis zwei Minuten. In dem Moment, in dem die Tür aufgeht, muss ich loslegen. Das macht meine Serie aber auch aus: diesen besonderen Ausdruck der Künstler einzufangen. Er ist so schnell wieder vorbei. Ich fotografiere analog mit einer Hasselblad-Mittelformat-Kamera auf Diafilm. Das sind maximal zwölf Aufnahmen. Meistens belichte ich aber gar nicht den ganzen Film. Wenn ich mir die Bilder später anschaue, sehe ich schon, dass der Ausdruck auf dem Gesicht des Musikers nach ein paar Aufnahmen schon nicht mehr so intensiv ist.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Biene: Irgendwann lässt der Adrenalinspiegel bei den Musikern nach, dann gewinnt die Erschöpfung Oberhand und das Glänzen in den Augen verlischt.

Charles Bradley

Charles Bradley

Foto: David Biene

SPIEGEL ONLINE: Sagen Sie den Musikern auch, wie sie sich hinstellen oder gucken sollen?

Biene: Nein, ich gebe keine Regieanweisungen. Wenn sie sich auf ein Gespräch konzentrieren würden, wäre der Moment, den ich festhalten will, noch schneller vorbei. Nach den Fotos tauschen wir dann schon noch ein paar Sätze aus. Aber lange will ich eigentlich nicht mit ihnen reden, weil sie so kaputt sind und sich ihre Erholung verdient haben. Aber die Grundlage des Ganzen ist, dass die KünstlerInnen direkt nach dem Auftritt kommen. Nur beim Soulsänger Charles Bradley war das ganz anders.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

Biene: Als sein Konzert vorbei war, kam er einfach nicht hinter die Bühne. Nach zehn Minuten haben meine Assistentin und ich dann nachgeschaut und sahen Bradley mitten im Publikum. Er ist direkt nach seinem Auftritt in die Menge gegangen und hat jeden einzelnen umarmt.

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Foto: seen.by

SPIEGEL ONLINE: Und danach hatte er noch Zeit für Ihr Projekt?

Biene: Ja, als er danach hinter die Bühne kam, war er emotional total aufgewühlt und sehr ergriffen. Bradley war erst sehr spät erfolgreich. Bei jedem Konzert geht ein Lebenstraum für ihn in Erfüllung. Der brennt für seine Musik. Dieses Gefühl festzuhalten, das macht meine Serie aus. Auch die kanadische Band Die Mannequin hat das rübergebracht.

SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?

Biene: Die Band hatte beim Auftritt alles gegeben, die Sängerin hat sogar Crowdsurfing gemacht, obwohl sie knapp 40 Grad Fieber hatte. Und dann hat sie auch noch das Shooting über sich ergehen lassen. Wahnsinn.

SPIEGEL ONLINE: Welche Künstler würden Sie noch gern fotografieren?

Biene: Daniel Barenboim würde ich sehr gerne noch dabei haben und Udo Lindenberg - aus persönlichem Interesse.

SPIEGEL ONLINE: Fotografieren Sie Künstler anders, wenn Sie selbst Fan sind?

Biene: Ich interessiere mich zwar sehr für Musik, aber würde mich nicht als Fan bezeichnen. Ich würde nie nach einem Autogramm fragen. Als Fotograf Fan zu sein, wäre nicht angebracht.

Das Interview wurde für das Fotoportal seen.by geführt. Die Fotos aus der Reihe "OFFstage" sind ab dem 6. Oktober in einer Ausstellung in der Berliner Seven Star Gallery zu sehen.

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David Biene (Autor und Fotograf):
Hopped-Up

European Hot Rod Culture. Fine-art Photography.

Verlag Onkel & Onkel; Englisch; 2009; 240 Seiten.

Buch bei Amazon: "Hopped-Up" von David Biene 
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