"Frau TV Kratzbürsten" Botox ja, Sex nein
Hübsch, so ein Weiberstammtisch. Auch wenn die fidelen Drachen nicht wirklich an einer Tafel sitzen und hemds- oder besser blusenärmelig grenzwertige Allgemeinplätze zum Besten geben, sondern bei dem Spezialformat "Frau TV-Kratzbürsten" im WDR als Talking Heads-Collage ihre Weisheiten von sich geben.
Und schlimm kratzbürstig ist das meiste auch gar nicht: Irgendwie sind die sieben Frauen, die den Auftakt unter dem Titel "Lust und Frust des Älterwerdens" zu dieser neuen Kratzbürsten-Staffel bestreiten, ganz schön zufrieden mit sich.
"Ich hab nichts gegen mein Alter", behauptet gleich zu Anfang die TV-Talkerin Margarete Schreinemakers, mit 49 das Küken der Sendung, während sie glücklich und bestens onduliert in roter Lederjacke vor dem heimatlichen Esstisch hockt. 20 Jahre länger dabei ist Grit Boettcher, die findet, sie sei wahrscheinlich gar nicht so alt, weil sie sich nie um das Alter geschert habe schließlich musste immer alles gemacht werden - zum Beispiel die Enten füttern.
Es sind die klassischen Frauenthemen, die die muntere Collage in einer halben Stunde durchhecheln lässt: Alter, Männer, Liebe zwischen Jung und Alt, Gewicht, Schönheits-OPs. Mag sein, dass sich für jene Auswahl an Damen fünf sind Schauspielerinnen, die anderen beiden stehen als Kabarettistinnen und Moderatorinnen ebenfalls im Rampenlicht auch tatsächlich eine Menge um Faltentiefe, Kilos und eine damit verbundene Konkurrenzfähigkeit dreht.
Und sie sind durchaus sympathisch, wie sie versuchen, auf "Ist mir jetzt ja ohnehin egal" zu machen Schreinemakers benutzt angeblich lieber Melkfett als teure Kosmetik. Susanne Uhlen, 52, die entweder eine unsichtbare Gesichtsmaske trägt, oder das Geheimnis der Pfirsichhaut entdeckt hat, schließt sogar "ein paar Abnäher" chirurgischer Art nicht aus, wenn sie sie mal irgendwann bräuchte.
Überhaupt scheint die Mehrheit der Damen sich mit dem Igitt-Thema Schönheits-OPs positiv auseinandergesetzt zu haben. Bis auf die Fernsehsoldatin Schreinemakers, die ihr Derriere lieber mit Sport stählt, Grit Boettcher und die angenehm zynische 80-jährige Schauspielerin Rosemarie Fendel finden die Damen es schon ok, wenn man sich nur von den richtigen Ärzten verjüngen lässt. "Ein bisschen die Falten um den Mund aufplustern" entschlüpft es Lisa Fitz aus dem anscheinend bereits aufgeplusterten Mund, das täte zwar weh, aber nicht, wenn man sich vorher wie beim Zahnarzt betäuben ließe. Lakonischer wurde Botox seltener enttabuisiert.
Liebe? Lieber nicht
Die Liebe kommt ebenfalls auf den Stammtisch, wenn auch eher zum Abwinken. "Passiert einfach nicht mehr", versichert Fendel lakonisch, die drei Männer in ihrem Leben seien Windeier gewesen, und Sex habe sich ohnehin längst verabschiedet. Ansonsten aber alles paletti, übereinstimmend bescheinigen die Frauen sich, dass in ihrem Himmel mit zunehmendem Alter mehr Geigen aufspielen, denn mit den Jahren habe der Druck, den die Gesellschaft und man sich selbst macht, abgenommen: Erst durch die für die überwiegend an Jugendlichkeit interessierte Öffentlichkeit verblühende Schönheit konnten quasi andere Werte und Glücksquellen entdeckt werden.
Es ist immer in Ordnung, zufriedene reife Ladies zu zeigen, denn die sollen schließlich Beispiele sein, und Jammerlappen gibt es schon genug. Den ausgewählten Kratzbürsten nimmt man ihre recht selbstreflexive Haltung ab, und man könnte ihren naturgemäß eitlen Beruf manchmal fast vergessen.
Trotzdem wäre eine Auswahl aus anderen Berufszweigen repräsentativer und damit einfach näher an der Zuschauerin und "Brigitte"-Leserin. Dass ein solches Format Jahrzehnte nach der Frauenbewegung eh nur über Gala-Prominenz zu funktionieren scheint, ärgert einen.
Zwar ist es bestimmt schwierig, eine Politikerin, eine an Öffentlichkeit total desinteressierte Bäuerin oder etwa eine Polizistin vor der Kamera zu einigermaßen unterhaltsamen Aussagen über diese extrem eingeschränkte Bandbreite zu bewegen. Aber "Frau TV" heißt schließlich auch nicht "Rampensau TV".