Frauen im Journalismus Pro Quote vergibt Schmähpreis ans "Handelsblatt"

Pro-Quote-Vorsitzende Annette Bruhns: Einstellungen haben sich verändert
Foto: ProQuoteHamburg - Eine weiße Eule, ein goldener Frosch und ein grüner Gartenzwerg stehen vor Annette Bruhns auf dem Tisch. Die Vorsitzende der Journalistenorganisation Pro Quote sitzt im Café des Hamburger Frauenhotels Hanseatin. Die Wände sind hier grün gestrichen und im Nebenzimmer stehen Häppchen und Orangensaft. Ein behaglicher Ort im Zentrum der Hansestadt, um eine Pressekonferenz zu halten.
Die Tierfiguren sind Preise, die an Journalisten in Chefpositionen gehen sollen. Denn es ist Halbzeit für Pro Quote. Fünf Jahre hat sich die Organisation gegeben, um ihr Ziel zu erreichen. Die Initiative will, dass Führungspositionen in Redaktionen bis zum Jahr 2017 zu 30 Prozent mit Frauen besetzt werden. 2012 hatte sich die Initiative gegründet, damals fragten 350 Journalistinnen in einem Brief an Chefredakteure, Intendanten und Verleger, ob dieses Ziel machbar sei. Nun zieht die Initiative Zwischenbilanz und vergibt Tierfiguren als Preise.
Die weiße Eule, die ausdrücklich eine weise Eule sein soll, erhält Dagmar Reim, die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Frauen machen hier 42,3 Prozent des Führungsanteils aus. Der Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung", Kurt Kister, erhält einen goldenen Frosch. Die Zeitung berichte zwar sehr viel über Pro Quote, aber installiere noch zu wenig Frauen in Spitzenpositionen, sagt Bruhns.
Den Negativpreis, ein grüner Gartenzwerg, bekommt Gabor Steingart, Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt (VHB). Auch wenn an die Spitze der zur VHB gehörenden "Wirtschaftswoche" im Mai 2014 Miriam Meckel berufen wurde, habe Steingart "viermal gute Gelegenheiten verpasst, Frauen in seine mit acht Männern besetzten Chefredaktionen von Print, Online und App aufrücken zu lassen".
"Wir haben den deutschen Journalismus nachhaltig verändert", meint Bruhns, die beim SPIEGEL als Redakteurin arbeitet. Zu den Erfolgen zähle der Wechsel an der Spitze der "Bild am Sonntag", die seit Oktober 2013 von Marion Horn geleitet wird. Bei fünf von acht Leitmedien stieg der Frauenführungsanteil an: bei "Zeit", "Spiegel", "Süddeutsche", "Stern" und "Bild". Die Einstellungen bei den Chefredakteuren habe sich geändert.
Ein Punktesystem für die Verschiebung der Macht
Die Journalistenorganisation hat ein Punktesystem geschaffen, mit dem sie die Verschiebung der Macht zwischen Männern und Frauen erhebt: Demnach werden Führungsköpfe nach Hierarchieebenen gewichtet - Chefredakteure erhalten also mehr Punkte als etwa Ressortleiter.
"Die Zeit", deren stellvertretende Chefredakteurin Sabine Rückert ist, schnitt am besten in der Halbzeitbilanz ab. Mit 36 Prozent Frauenmachtanteil entspricht die Wochenzeitung bereits der Minimalanforderung von Pro Quote. Andere Medien sollten nachziehen, fordert Bruhns. Der Machtanteil der Journalistinnen bei anderen Medien ist deutlich geringer. So liegt er
- beim "Stern" bei 24 Prozent
- bei "Bild" bei 23 Prozent
- beim SPIEGEL bei 19 Prozent
- bei "Focus", "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" und "Süddeutscher Zeitung" bei je 15 Prozent
- und bei der Welt bei 11 Prozent
Annette Bruhns ist skeptisch, ob das erklärte Ziel von Pro Quote bis 2017 erreicht werden kann. Noch immer sind 95 Prozent aller Zeitungschefs männlich sowie zehn von zwölf Senderintendanten. "Ohne feste Quoten stehen diese Etappenerfolge auf Treibsand", sagt Bruhns. Männer könnten leichter "nach oben" netzwerken. Frauen, die generell gesehen, nicht so laut seien und eher selbstkritisch, hätten es schwerer aufzusteigen als jemand, der mit den Hufen scharre und ohnehin die ganze Zeit sage, er sei der Beste.