
Auf Rezept Basiskochen mit Peter Wagner: Dip, Dip, hurra!
Auf Rezept - Basiskochen mit Peter Wagner Dip, Dip, hurra!
Das soll jetzt nicht als flammende Rede gegen die Frauenquote an Deutschlands Fettpressen missverstanden werden, aber Frittieren ist ja auch deshalb ganz oft Männersache, weil Frauen angesichts dieser Kalorienbilanz gern schon mal in Ohnmacht fallen: Magerfischfilets steigern ihren Fettgehalt beim Bad im heißen Öl von 1,2 auf 13 Prozent; Schmalzgebäck wie Krapfen oder Fritole Veneziane von fünf auf 20 Prozent; Pommes von 0,1 auf 13 Prozent und Kartoffelchips gar auf knapp 40 Prozent. Und selbst das zarte Gemüse, das wir im heutigen Rezept in Erdnussöl zu japanisch angehauchter Tempura aufkrossen, lädt sich bei dieser Prozedur erheblich mit Nährenergie auf.
Mit einem kleinen Trick lässt sich dies aber halbwegs im Rahmen halten. Gut 80 Prozent der Fettaufnahme passiert erst kurz nach dem Herausnehmen der panierten Gemüse (wie auch der Pommes) aus der Fritteuse. Durch das rasche Abkühlen saugt das Frittiergut das Fett durch die feinen Kanäle, aus denen zuvor der Wasserdampf ausgetreten ist, wie ein Schwamm auf. Der Profitrick: das Frittierte sofort nach Entnahme aus dem Ölbad im 80-100 Grad heißen Backofen auf Küchenkrepp entfetten.
Gegen die Fettspritzer rings um den Öltopf ist dagegen kein Kraut gewachsen. Denn nach dem Eintauchen bildet sich binnen Sekunden eine dünne Kruste mit einem Fettfilm auf dem Frittiergut. Diese Trennschicht macht außen kross und innen saftig, lässt aber den aus der Speise austretenden Wasserdampf durch. Deshalb sprudelt und spritzt es in der Fritteuse.
Es knackt und kracht beim Beißen
Kenner trocknen die Speisen deshalb vor dem Frittieren so gut wie möglich ab. Alles, was reich an Stärke (Pommes), Zucker (Gebäckteig wie bei Churros oder Schmalznudeln) oder dem Protein Albumin (Hühnereiweiß, Insekten, Wursthaut) ist, darf ungeschützt ins Heiße, alles andere (Fisch, Fleisch, Gemüse) besser vorher panieren oder durch Ausbackteig ziehen.
Welches Fett in den Topf kommt, ist letztlich Geschmackssache. Feste Brocken (Palmin, Kokosfett) sind nicht besser als Öl, wichtiger ist der hohe Rauchpunkt: Erdnussöl qualmt (und verbrennt) bei 235 Grad, Maiskeimöl bei 200 Grad, Sonnenblumenöl bei 220 Grad und nicht-natives Olivenöl bei 230 Grad. Öle mit vielen ungesättigten Fettsäuren wie Leinöl oder Olivenöl Extra Vergine sind kalt immer erste Wahl, haben in ihren Molekülketten aber mehrere Doppelbindungen, oxidieren deshalb schnell (werden ranzig) und sollten nicht über 65 Grad erhitzt werden. Tierische Fette wie Butterschmalz oder Rindernierenfett (in Belgien der beliebteste Pommesbegleiter) geben dem Frittiergut ein herzhaftes Aroma, liegen oft aber schwer im Magen. Ungeklärtes Gänseschmalz oder Hammelfett dagegen haben in der Fritteuse nichts zu suchen, sie entwickeln ein penetrantes Schweißfußaroma.
Alternativ wird in der Avantgarde-Küche auch gern in Spezialzuckern oder in flüssigem Stickstoff "frittiert". Der Aha-Effekt etwa von Kräutern, die kurz in das bei minus 200 Grad flüssige Gas getunkt werden, ist spannend - es knackt und kracht beim Beißen, danach wird es sofort saftig-schmackig im Mund. Wegen der extremen Verletzungsgefahr (Gas! Augen! Hautverbrennungen!) ist das aber eher etwas für Molekularköche und andere Chemielaboranten.
Eine andere Lösung: Zucker. Gewöhnliche Saccharose (Haushaltszucker) schmilzt bei 150 Grad, zusammen mit etwas Flüssigkeit kann bei etwa 125-130 Grad darin auch frittiert werden - allerdings nur, wenn das Essen süßliche Geschmacksdrehungen verträgt (z.B. karamellisierte Zwiebeln als Ansatz für Tomatensugos). Profis nehmen deshalb hier gern Trehalose, ein nur minimal süß schmeckendes Disaccharid, in der zum Beispiel Gemüse bis hin zum Spargel auch ohne schützende Teighülle frittiert werden kann - natürlich ohne jeglichen Bräunungseffekt.
Ölwechsel? Nein Danke!
Das Fett muss nach dem ersten Einsatz nicht gleich entsorgt werden. Etwas abkühlen lassen und durch ein Haarsieb in die Originalflasche filtern. Mehr als vier- bis sechsmal sollte es aber nicht verwendet werden (zum Vertiefen dieses Themas: Thomas Vilgis Buch "Das Molekül-Menü"). Immerhin wird sogar bei modernen Autos mit langen Wartungsintervallen das Öl noch häufiger gewechselt als in so manchem Imbiss - andererseits verschmelzen Pommes-, Fisch- und Wurst-Reste ja erst mit der Zeit zum unverwechselbaren Alleinstellungs-Aroma einer jeden Frittenbude. Deshalb wird dort das neue Fett oft erst "einfrittiert", dem Öl fehlen anfangs noch diverse Abbausubstanzen für die typischen Frittieraromen. Wenn es sich aber schon dunkel färbt, schäumt und im Hals kratzt, muss gewechselt werden, denn jetzt nehmen die darin frittierten Lebensmittel doppelt so viel Fett auf. Und dann läuft auch der Bauchmotor nicht mehr wie geschmiert.
Rezept für Gemischtes Gemüse-Tempura mit vier Dips (Hauptspeise für 4 Personen)
Vorbereitungszeit: 40 Minuten
Zubereitungszeit: 35 Minuten
Schwierigkeitsgrad: einfach
Zutaten
Tempura
1 Kilo verschiedene saisonal verfügbare, möglichst frische Gemüse, z.T. aus dem Asia-Laden (z.B. Ingwer, Shiitakepilze, asiatische Frühlingszwiebeln, Möhren, Wasserspinat, Baby-Pak-Choi, Süßkartoffeln, Yamwurzel, Asia-Mini-Aubergine, Bambus-Shoots, eingelegte Lotuswurzeln, Koriandergrün, Thai-Basilikum etc.)
500 g Tempura-Fertigmehlmischung (Asia-Laden)
2 Liter Erdnussöl
Tentsuyu-Dip
150 ml Dashibrühe (aus dem Glas oder angerührtes Pulver)
3 El Mirin (asiat. Reis-Süße)
2 El Japanische Sojasauce
Ingwer-Knoblauch-Dip
3 El mikrofeine Brunoise (Würfelchen) vom frischen Ingwer
3 El mikrofeine Brunoise vom chinesischen Knoblauch
1 El Schalenabrieb von einer Bio-Limette
3 El Limettensaft, frisch gepresst
2 El Mirin
2 Tl Ingweröl
1 Tl Knoblauchöl
Ponzu-Dip
100 ml Ponzu-Sauce
50 ml Yakitori-Sauce
1 Tl Knoblauchöl
1 Spritzer geröstetes Sesamöl (vorsichtig dosieren!)
Wasabi-Mayo-Dip
150 g Mayonnaise ohne Ei (selbst gemacht oder als japanisches Mayo-Fertigprodukt)
3 El Erdnussöl
1 Tl Limettensaft, frisch gepresst
1-6 Tl Wasabipaste (je nach Schärfeziel)
Beilage
150 g Rettich
1 Tl sehr feines Meersalz
2 El Reisessig
1 El Mirin
1 El schwarzer Sesam
Zubereitung
Tempura
Die Hälfte des Tempuramehls nach Packungsangabe mit eiskaltem Wasser anrühren, mehrere Eiswürfel zugeben. Restliches Tempuramehl in einem tiefen Teller bereit halten.
Alle Gemüse putzen, evtl. schälen und in mundgerechte Stücke schneiden: z.B. Möhren, Süßkartoffeln oder Ingwer in sehr dünne Scheiben, beim Pak Choi oder dem Wasserspinat die Blätter abzupfen, die Frühlingszwiebeln häuten und zuschneiden, die Pilze in Streifen schneiden, Möhren evtl. auch mit dem Spiralschneider in dünne Spaghetti zuschneiden.
Öl in einem großen Topf (besser: Wok) auf exakt 180 Grad erhitzen (mit Garthermometer kontrollieren). Gemüsestücke einzeln mit dünner Fleischzange oder einer 30-cm-Anrichtpinzette zunächst im Mehl wälzen, dann kurz in den dünnen Teig tauchen und sofort ins Öl geben. Grüne Blätter und den Pak Choi doppelt panieren (Mehl/Teig/Mehl/Teig). Die goldgelb frittierten Stücke im auf 80 Grad vorgeheizten Backofen (Umluft) auf einem mit vier Lagen Küchenkrepp ausgelegten Backrost beidseitig entfetten und im Backofen warm halten, bis alle Stücke frittiert sind. Die Tempura bleibt dort max. 30 Min. kross, bei längerem Warmhalten trocknen dazu die Gemüse aus.
Alle Dips
Die jeweiligen Zutaten mit einem Schneebesen glatt verrühren. Wenn Spezialsaucen wie Ponzu oder Yakitori nicht zur Verfügung stehen, eignen sich auch andere flüssige und nicht zu süße Asia-Fertigsaucen aus dem Supermarkt.
Beilage
Rettich schälen und auf einem Spiralschneider (oder mit einem Juliennehobel) in dünne Spaghettiform zuschneiden. Mit den restlichen Zutaten außer dem Sesam vermengen. Alle 10 Min. durchschwenken, direkt vor dem Servieren den Sesam unterheben.
Anrichten
Dips und Beilagen in je 4 Schüsselchen aufteilen; die Tempura in eine große, weite Schüssel geben, aus der sich jeder selbst bedient.
Küchen-Klang
Frittieren ist ja immer auch ziemlich funky, zumindest riecht man hinterher so. Deshalb beschallen wir das Ölschwallen mit funky Sounds - entweder old school mit dem dauertourenden Quartett The Mastersonds aus Leeds und dessen schon zweitem Best of "An Introduction To The Mastersounds Vol. 2" (Légère Recordings) oder modern-loungig und deutlich poppiger mit dem Heidelberger Jazzer Jo Bartmes und seinem Album "Modular Soul" (Blisstone).
Getränketipp
Wein ist weitgehend chancenlos gegen die starken Aromen der Dips. Besser passt ein Bier aus Japan wie z.B. das herbe Ashai oder das etwas weichere Sapporo.