
Generationenkonflikt Jugend an die Macht


Alt und Jung geben sich die Hand
Foto:Uwe Anspach/ dpa
Warum haben die meisten ziemlich jungen Menschen in der Schweiz und Deutschland und Österreich eigentlich keine Angst vor allem? Nicht vor dem Sterben, nicht vor Flüchtlingen und dem Weltuntergang. Dabei hätten sie doch allen Grund dazu, wenn man den düsteren Prognosen der Flat-Earthler glaubt. Alles wird schrecklich werden. Alter!
Warum schreien die Jungen nicht unentwegt vor Angst, sie müssen den Untergang ja noch viel länger mitmachen? Warum schließen sie sich nicht brüllend und zitternd in schallisolierte Räume ein, warum sieht man sie nicht mit Pegida- (und wie sie alle heißen) Gruppen marschieren, die Jungen?
Sie wissen schon, die mit der Endgeräte-Abhängigkeit und der leichten Reizüberflutung und einer weltbedingten Nervosität. Alte nennen das Krankheit und versuchen die Gereiztheit der Jungen mit Ritalin zu bekämpfen. Wie schade, dass es früher so wenige überzeugende Psychopharmaka gab. Gegen die 68er-Hippies und die 50er-Rocker hätte man sie einsetzen können. Pillen gegen alles, was nicht der eigenen, zusammengestauchten Lebensrealität entspricht.
Statt sich Gedanken darüber zu machen, was sie versaut haben, sorgen sich die Ü40-Jährigen um die Jugend. Um Selfies, Lochis, Handys. Und ballern die Jugend weiter zu, mit rosa-blau gegenderten Mistprodukten, mit Body-Shaming-Vorlagen in Illustrierten, mit Frauenhass und Geschlechterstereotypen in Fernsehen und Medien. Die von den jungen Menschen ohnehin ignoriert werden.
In den Regierungen verhindern alte Menschen die Gleichberechtigung per Gesetz und Sexualunterricht, der mehrere Geschlechter erklärt und verschiedene Formen von Liebe. Ältere Leute, die ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht erwägen, das Netz als Neuland bezeichnen, und die weiter so regieren, als gäbe es da nur die Ängste der Alten vor dem Verlust ihrer weißen, europäischen Privilegien, ihrer Renten und der Bedeutungsbehauptung des westlichen Menschen. Das betrifft die meisten Jungen nicht, denn sie denken nicht an Renten, die sie vermutlich nicht erhalten werden, sie sorgen sich, wenn überhaupt, um den Zustand der Erde, den die Alten ihnen beschert haben.
Sechs Stunden täglich am Smartphone - WTF, was denn sonst
Angst vor dem Islam, den Nazis, die sie eh für Deppen halten und den Flüchtlingen? Eher nein. Da denkt doch kaum eines mit 16: "OMG, in was für unruhige Zeiten bin ich nur geboren, ich möchte so gerne zurück in die Fünfzigerjahre".
Da wird gelebt, das macht man so. Da hat man Feinde in der Schule und Angst davor, nie zu wissen, wo ihr Platz mal sein könnte, und ob es ein Platz sein muss, oder viele, man sorgt sich ein wenig wegen Terroranschlägen oder Zoff auf dem Schulhof, ist ermüdet von den Vorschriften und den Eltern und den Lehrern und dem schlechten Netz. Genervt ab und zu von den Diskussionen der Älteren über das, was Jungen selbstverständlich erscheint. Sechs Stunden täglich am Smartphone - WTF, was denn sonst. Wo denn sonst?
Das ist doch das Bezaubernde an all den neuen Wutbürgern und Protestlern und Wir-wollen-der-Regierung-mal-einen-Denkzettel-verpassen-Leuten: dass sie in einer egoistischen Ältere-Menschen-Blase vor sich hin grummeln, dass sie sich einen Scheiß um den Erhalt der Welt kümmern, oder was davon übrig ist, dass sie sich nicht um die Jugend sorgen, sondern nur um sich.
Und ihre Wut, nicht unsterblich zu sein und nicht mit den Daumen tippen zu können oder das alles nicht mehr zu verstehen, das Netz, die Technologie, die Beschleunigung. Zu erkennen, dass sie eventuell für die Evolution nicht mehr benötigt werden, und darum wollen sie so gerne die Zeit zurückdrehen, dahin, als sie selber jung waren und noch Hoffnung hatten. Und wenn sie es doch endlich einmal sagen wollten, auf großen Transparenten vor sich hertragen: Es geht uns nur um uns!