Sibylle Berg

Babymaschinen Rage against the Gebärmutter

Konservative wünschen sich, dass mehr Kinder geboren werden. Aber bitte nur solche, die sich durch deutsche Geburtskanäle auf die Welt gekämpft haben. Echt, brauchen wir wirklich noch mehr Menschen?
Geburt

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Foto: Daniel Karmann/ dpa

Seit der Steinzeit siegt, wenn man Wissenschaftlern glaubt, was ja viele Menschen nicht mehr tun, weil sie sich auf Facebook informiert haben, im Krieg mit anderen, wer über die Frauen herrscht .

So weit, so Steinzeit. Das Problem, dass unsere Erde eher unter zu vielen Menschen als zu wenigen leidet, ist die Logik vieler, sagen wir eher konservativer Menschen, und seit siebentausend Jahren unverändert simpel: Wer über die fleißigeren Gebärmütter verfügt, dominiert die Welt. Deutsche Parteien, die eher traditionellen Werten verpflichtet sind, kämpfen um die Besiedelung von Frauenbäuchen. Auf einem Wahlplakat heißt es zum Beispiel: "Neue Deutsche machen wir selbst!" Keine Ahnung, welcher Smartkopf sich solche tollen Parolen ausdenkt .

Auf Twitter postet der Politiker Herr Wild: "Für Einwanderung durch den Geburtskanal deutscher Frauen." Süß. Tausend kleine Wildlinge, die durch deutsche Auen hoppeln, wenn sich denn eine Frau im gebärfähigen Alter finden mag, die sich mit Herrn Wild leidenschaftlich auf Lümmelwiesen tummeln möchte.

Auch konservative Damen haben einen ausgeprägten fremduteralen Fetisch entwickelt. Bei der Trauerminute im Europaparlament für die Holocaustüberlebende und Politikerin Simone Veil wandte sich die geborene Herzogin von Oldenburg Frau von Storch ab und schreibt dazu: "Gern widme ich Simone Veil eine Schweigeminute. Möge sie in Frieden ruhen. Aber den Standing Ovations der Kollegen für die frz. Abtreibungs-Vorreiterin kann ich mich nicht anschließen."

Die gebärfähige Frau wird also genderneutral als Besitz betrachtet, über den erträumte Volksvertreter verfügen können. Das ist gut gedacht, aber nicht ganz zu Ende, wie das Scheitern des Lebensborns zeigt. Selbst wenn jetzt alle Biodeutschen nach einer Stammbaumkontrolle verschmelzen wollten, wird es schwierig, Deutschland auf Spitzenreiterniveau zu pimpern. Im letzten Jahr ist die Geburtenrate  in Deutschland um 6,08 Prozent auf 760.652 gestiegen (die Geburtenzahl der Migranten spielte dabei eine kleine Rolle, behauptet die "Süddeutsche" ), damit gebärt sich Deutschland auf einen veritablen neunten Weltranglistenplatz. Von unten gerechnet.

Alles soll so bleiben, wie es war

Selbst wenn alle Damen in der westlichen Welt in den nächsten fünf Jahren fünf Kinder gebären, schafft man es in den nächsten zwanzig Jahren nicht, ein der Restwelt überlegenes Heer von westlichen jungen Menschen auf die Beine zu stellen. Neben dem kleinen, eingangs erwähnten Umstand, dass die Ressourcen der Welt begrenzt sind, und dass pessimistischen Propheten zufolge jetzt bereits die Hälfte der Erdbewohner in wenigen Jahren nicht mehr versorgt werden können. Weder mit Wasser, noch mit Nahrung oder - ganz absurd - mit Arbeit und Einkommen.

Warum also machen Konservative die Geburtenrate zu ihrem erklärten Kampfziel? Geht es um den Wunsch, Frauen wieder ins Private zu komplimentieren, um sie als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt auszuschalten? Oder um die Verdrängung des Fremden durch das Eigene? Werden die Kinder, die morgen geboren werden, wirklich in der Lage sein, den Fachkräftemangel von heute auszufüllen? Und wenn wir doch eine europäische Gemeinschaft sind, Brüder und Schwestern sozusagen, warum beschäftigen wir dann nicht die Nichten und Neffen , um den Mangel an Arbeitskräften in diversen Branchen zu füllen?

Vermutlich liegt dem Bestehen auf Geburtenwachstum das tiefe Wissen um die Überlegenheit des Deutschen Erbguts zugrunde. Alles soll so bleiben, wie es war. Das westliche Kind, das von allen Weltproblemen verschont glücklich durch die Ausbeutung fern entlegener Länder lebt. Ein Land abgekoppelt von einer globalen Zukunft zu betrachten, klingt nach einem schlauen und zukunftsversprechenden Plan. Fast so clever wie das Verbot der Geburtenkontrolle durch ein paar Rentner im Vatikan.

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