Giraud-Ausstellung Moebius im Museum

Eine Comic-Ikone als Museums-Blockbuster: Paris zeigt die große Retrospektive des Zeichners Jean Giraud, der unter den Pseudonymen Gir und Moebius die Popkultur verändert hat. Die Pariser danken es ihm - und bescheren der Cartier-Stiftung Besucherrekorde.

Jean Nouvel

Klar hat die Pariser "Fondation Cartier pour l'art contemporain" schon bei den Planungen ihrer Ausstellung "Moebius Transe-Forme" gewusst, dass die Schau bei vielen Comic-Fans auf große Begeisterung stoßen würde. Aber dass sie die besucherstärkste und damit erfolgreichste Ausstellung sein würde, die es jemals seit Bestehen des Museums im Gebäude des prominenten Architekten gegeben hat, das hatte niemand geahnt. Sie kommt nicht nur bei jungen Besuchern an, sondern auch bei denen im Rentenalter.

Jean Giraud

Für Kenner ist das kein Wunder, denn "Moebius Transe-Forme" ist in Paris die erste große Schau des französischen Künstlers und Comic-Papstes , der besser unter seinen Pseudonymen Moebius oder Gir bekannt ist. Unter diesen beiden Namen ist der 1938 geborene Franzose Giraud eine Ikone in der Welt des Comics. Schon mit 18 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Comicstrip, heute ist er berühmt als brillanter Cartoonist und Zeichner sowohl von Western- und Abenteuercomics als auch von Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten, von Animationen, Werbung, 3-D-Filmen und Video-Spielen. Und für seine Mitarbeit an Filmen wie "Alien", "Tron" oder "Das fünfte Element".

Für so unterschiedliche Arbeitsbereiche habe er zwei Namen gebraucht, sagt Giraud, weil Gir und Moebius in ihrer jeweils eigenen Weltsicht und ihrem jeweils eigenen Stil existierten. Gir sei der Autor "der klassischen Hollywood-Western" und halte an der traditionellen narrativen Form des Comicstrip fest, während Moebius die "Welt der Träume und Science-Fiction" erforsche, Konventionen überschreite und Techniken des surrealistischen "dessin automatique" einsetze, um eine Welt im ständigen Fluss zu schaffen.

Von der esoterischen bis zur intellektuellen Bildgeschichte

Die Resultate seines Könnens liegen nun in einer geschwungenen Tischvitrine, die sich als große Kurve durch den gesamten Raum zieht. Darüber hängen einige Lautsprecher, aus denen man Giraud über seine Arbeit sprechen hört.

Zu sehen sind Comic-Serien, Selbstporträts, Porträts, perspektivische Landschaften, wuchernde Urwälder, flächige Wüsten und ferne Welten, manche perfekt ausgeführt, andere als Skizzen, Entwürfe, Scripts. Große Einzelblätter und kleine Seiten aus Zeichnungsheften werden gezeigt, ausgeführt in verschiedensten Techniken wie Bleistift, Tusche und Pinsel, Aquarellfarben oder mit feinem schwarzen Strich. Es gibt Storyboards, Skizzen mit Texten, mit Sprechblasen und mit Umbruch-Anordnungen, damit sich ein Gag nicht durch Umblättern verliert. Es gibt esoterische und intellektuelle Bildgeschichten, komische, spöttische, ironische und kritische.

Girauds erstes Selbstporträt von 1973 ist zu sehen, das er für die Hauptperson in seinem Comicstrip "Le Déviation" verwendet hat. Später hat er sich selbst oft unter die Charaktere seiner Geschichten gemischt; in einer neueren Serie zeichnet er sich umringt von seinen eigenen Helden.

Natürlich wird der legendäre Western-Comic "Blueberry" vorgestellt, dessen rebellischer Held unverkennbar Jean-Paul Belmondo ähnelt. Giraud, alias Gir, hat "Blueberry" 1963 zusammen mit dem Autor Michel Charlier entwickelt, und bis 2005 wurden mehr als 30 Geschichten produziert.

Ebenso berühmt sind Girauds Charaktere, die er als Moebius erfand: der anarchistische Held "Arzach", "Major Grubert" und "John Difool", ein abenteuerlicher Privatdetektiv. Oder die androgynen Space-Traveller "Stel und Atan", deren Abenteuer in dem wunderbaren achtminütigen 3-D-Animationsfilm "La Planète encore" in einem kleinen Kinoraum zu sehen sind.

Inspiration durch Naturbeobachtungen und Schamanen-Kultur

Im Untergeschoss hängen abstrakte und figurative Bilder an der Wand, die Moebius' experimentelle Konzepte zu "Metamorphic Forms", "Metaprocesses" und zur "Metamorphosis" zeigen. So sind die organischen und hybriden Formen seiner Figuren inspiriert von Girauds Naturbeobachtungen und seiner Faszination für Steine und Pflanzen. Die Transformationen seiner Figuren, so Giraud, habe er Meditationen in der Wüste, dem Gebrauch von Kristallen, der Schamanen-Kultur und den Experimenten mit halluzinogenen Pilzen zu verdanken.

Der US-amerikanische Science-Fiction-Autor Harlan Ellison sagte über Giraud, er sei ein "Genie, das die Welt verändert" habe. Über diesen Aspekt seines Schaffens hat die Ausstellung allerdings wenig zu erzählen - von dem immensen Einfluss des Comic-Zeichners Giraud auf die Werbe-Ästhetik, auf Filme, Video-Spiele oder die Popkultur allgemein ist in der Ausstellung nichts zu sehen.


"Moebius Transe-Forme". Paris. Fondation Cartier pour l'art contemporain.  Bis 13. März.

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