
Gleichberechtigung Sind Frauen behindert?
Brauchen wir Frauenquoten? Natürlich nicht. Man muss nicht für die Quote sein, man kann auch einfach warten und sterben, bevor es Gleichberechtigung gibt. Geht auch. Dann lassen wir uns eben alle paar Jahre vom Weltwirtschaftsforum vorrechnen, dass es noch über 200 Jahre dauern wird, bis Frauen und Männer die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben .
Kein Ding. Noch über 200 Jahre lang nicken und zuhören, wenn sie sagen, dass Frauen und Männer in Deutschland doch rechtlich längst gleichgestellt sind, dass wir uns vom Leben alles nehmen können, wenn wir nur wollen, dass die Welt uns offensteht, wenn wir einfach... sorry, kurz eingeschlafen... also, dass wir natürlich alles tun und lassen können, solange wir unser Maul halten, hart arbeiten, gut aussehen, nett sind und keine Forderungen stellen.
Wenn man hört, warum Leute gegen Frauenquoten sind, kommt man nicht umhin zu glauben, dass es immer noch sehr viele Menschen gibt, die es gar nicht so schlecht finden, wenn Frauen einfach den Platz einnehmen, der ihnen vom Rest der Welt zugewiesen wird: Schön hinten anstellen und höflich verrotten.
Es wird oft gesagt, dass Angela Merkel vielleicht keine ganz große Feministin ist, aber dass sie allein schon dadurch sehr viel für die Frauen getan habe, dass sie Kanzlerin geworden ist. Das stimmt ein bisschen, ist aber auch ungefähr genauso falsch. Seit Merkel Kanzlerin ist, verzögert sich jede Diskussion über Gleichberechtigung um die Viertelstunde, die irgendein Horst sich immer nimmt, um zu erklären, dass ja wohl heutzutage alles möglich sei, und die Zeit, in der man ihn dann daran erinnert, dass dieses Land immer noch keine Bundespräsidentin hatte.
Ideen, die sich noch Generationen halten werden
Es gibt ein paar Einwände, die man immer wieder hört, wenn Leute gegen Frauenquoten argumentieren. Weil das nach aktuellen Berechnungen noch einige Generationen so bleiben wird, bietet es sich an, diese Einwände einmal zu sammeln. Da wären:
- Die Idee, es sei ungerecht, wenn Frauen "nur ihres Geschlechts wegen" Jobs bekommen.
- Die Idee, dass Frauen ja wohl keine Behinderten seien, die Hilfsmittel brauchen, um klarzukommen und
- die unsterbliche Beschwerde darüber, dass ja auch niemand eine Frauenquote für die Müllabfuhr fordere.
Der erste Einwand, die Nur-wegen-Geschlecht-Klage, ist noch nicht mal ein richtiges Argument, es ist eher so eine Art Husten? Keine Ahnung. Irgendetwas, was aus Leuten rauskommt. Frauenquoten haben noch nie bedeutet, dass Frauen nur wegen ihres Geschlechts einen Job bekommen, sondern dass sie bei gleicher Qualifikation so lange bevorzugt werden, bis sie angemessen repräsentiert sind. Wenn es anders wäre, gäbe es Stellenausschreibungen, in denen steht: "Wir suchen: eine Frau, Fähigkeiten: egal", und mehr nicht, und ich habe schon viel gesehen, aber das nicht.
Der zweite Einwand ist etwas anspruchsvoller, aber auch schlecht, und ableistisch dazu. Frauen, so heißt es dann, sind ja wohl nicht behindert, nur weil sie Frauen sind. Wer Frauenquoten fordert, so die Idee, behandelt Frauen wie Behinderte, und das könne man ja nicht wollen. Warum nicht?
Man kommt nicht als Behinderte zur Welt, man wird behindert
Abgesehen davon, dass manche Frauen eine Behinderung haben, werden sehr viele Frauen ohne Behinderung so behandelt als hätten sie eine: unterschätzt, an Teilhabe gehindert, und für anstrengend befunden, wenn sie was wollen. Frauen kommen genauso nicht in bestimmte Männernetzwerke rein wie Leute, die nicht laufen können, in manche Gebäude nicht ohne Hilfsmittel reinkommen. Wer glaubt, dass es frauenfeindlich ist, Frauen mit "Behinderten" zu vergleichen, hat sich wahrscheinlich zu viel von den uncoolen Kids beeinflussen lassen, bei denen "bist du behindert?" synonym ist mit "du Arschloch". Sollte man nicht tun.
"Behinderte" sind Menschen, an denen irgendwas anders ist, als ein Großteil der Gesellschaft sich das normalerweise vorstellt. Sie können trotzdem Professorinnen oder Spitzensportler sein, es kann nur sein, dass der Weg dahin für sie härter ist als für andere. Eine Gemeinschaft, die es ihnen schwer macht, hat den Namen Gemeinschaft nicht verdient. Wenn Simone de Beauvoir über Frauen sagt: "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es" , dann gilt das auch für Menschen mit Behinderung: Man kommt nicht als Behinderte zur Welt, man wird behindert.
Müllmänner sind wenigstens versichert
Der dritte Einwand, das Müllabfuhr-Thema, hält sich sehr beharrlich. Solange niemand sich beschwert, dass hauptsächlich Männer bei der Müllabfuhr arbeiten, könne man das ganze Quotending nicht ernst nehmen. Wenn Frauen sich nicht die Hände schmutzig machen wollen, sondern nur an die tollen, gut bezahlten Jobs leichter ranwollen, dann sei das ungerecht. Da ist etwas Wahres dran, zumindest insofern Quotendiskussionen sich häufig um einige wenige Positionen drehen - Chefetagen, Vorstände, Parlamente - und es dabei tatsächlich um einen sehr kleinen Bereich geht.
Aber. Wenn man schon mal den Blick von den "oberen" Jobs zu den "unteren" wendet, muss man sich sehr geschickt anstellen, um nicht zu sehen, dass die allermeisten pflegebedürftigen Hintern in diesem Land immer noch von Frauen abgewischt werden. Frauen pflegen und putzen um ein Vielfaches mehr als Männer, und das ist unter anderem so, weil diese Gesellschaft die unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit von Frauen braucht, um weiter so ungerecht bestehen zu können.
Müllmann ist wenigstens ein Beruf, in dem man in Deutschland versichert ist, während sehr viele Reinigungskräfte illegal und ohne jegliche Absicherung arbeiten. Ich habe, nebenbei gesagt, sehr häufig das Gefühl, bei der Müllabfuhr zu arbeiten, wenn ich meinen Posteingang durchsehe, aber das ist fast ein anderes Thema.
Frauen an sich müssen nicht für Fortschritt stehen
Natürlich wird nicht alles besser, wenn es Frauenquoten gibt. Es reicht nicht, Quoten zu haben, wenn Uni-Absolventinnen sich gar nicht erst bewerben, weil sie nicht alle 20 Voraussetzungen einer Stellenausschreibung erfüllen und ihre Kommilitonen die Bewerbung losschicken, sobald ihnen ein Zehntel der Bedingungen passt. Es reicht nicht, wenn berichtet wird, dass - dank der Quote - in den Dax-Aufsichtsräten erstmals mehr als 30 Prozent Frauen sitzen, wenn es gleichzeitig Tausende gibt, die nicht wissen, was ein Dax-Vorstand ist, geschweige denn, wie man da reinkäme, wenn nicht als Putzfrau, Prostituierte oder Einbrecherin.
Und es reicht nicht, Quoten zu haben, solange Frauen, die Spitzenposten innehaben, bisweilen genauso vorurteilsbehaftet sind wie ihre männlichen Kollegen. Frauen an sich müssen nicht für Fortschritt stehen. Siehe: die Frauen in der Union. Annegret Kramp-Karrenbauer mag die einzige Hoffnung auf eine weibliche Merkel-Nachfolge sein, aber sie hält wacker an homosexuellenfeindlichen Einstellungen fest .
Die "Flexi-Quote" - etwas zum Bodenwischen?
Kristina Schröder war mal Staatsministerin und schreibt heute für die "Welt", ein zugegeben interessanter Karrieresprung, und konsequenterweise tut sie in ihrer Funktion als Kolumnistin genau so viel für Frauen wie in ihrer Zeit als Frauenministerin, nämlich nichts. Sie erfand ihrerzeit die "Flexi-Quote", die nicht nur dem Namen nach klingt wie irgendwas zum Bodenwischen, sondern auch bedeutete, dass Unternehmen sich eine mutige Frauenquote von null Prozent als Ziel setzen konnten und dann stolz sein konnten, wenn sie sie um drei Prozent übertrafen.
Gerade erst schrieb sie in der "Welt" darüber, dass ein Staat, der Quoten einführt, die "Präferenzen seiner Bürger ignorieren" würde. Das stimmt natürlich, wenn mit "Bürgern" die Buddys gemeint sind, die einander weiterhin Jobs zuspielen werden, solange es keine Quoten gibt. Das ist halb traurig und halb lustig, wenn man bedenkt, dass es in Schröders Schwesterpartei CSU sogar eine Quote für Franken gibt, über die sich nur selten beschwert wird.
Und Dorothee Bär twitterte neulich über die Zukunft ihrer Partei : "Die CSU verjüngt und verweiblicht sich radikal. Nach der hervorragenden Kabinettsbesetzung in Bayern muss jetzt auch an der Spitze unserer Partei ein Aufbruch her. Markus Söder ist dafür der Richtige. Ich würde mich freuen, wenn er am 19. Januar unser Vorsitzender wird." Bär scheint neben ihrem Amt als Staatsministerin auch eine Satirekarriere anzustreben, und das ist natürlich lobenswert, weil auch Satire ein Bereich ist, in dem es immer noch zu wenige Frauen gibt.