Graffiti-Künstler Banksy Das Bilder-Rätsel von New York

Einen Monat lang verwandelte der mysteriöse Graffiti-Künstler Banksy New York in seine Privatgalerie und versetzte die Stadt in Aufruhr. Jeden Tag tauchte ein neues Werk auf - hier die besten.
Graffiti-Künstler Banksy: Das Bilder-Rätsel von New York

Graffiti-Künstler Banksy: Das Bilder-Rätsel von New York

Foto: CARLO ALLEGRI/ REUTERS

Es begann in der Allen Street auf der Lower East Side. Über Nacht erschien da an einer Hauswand das Sprühbild zweier Jungen. Der eine, auf dem gebeugten Rücken des anderen, griff nach einer Farbdose in einem rot-weißen Verbotsschild: "Graffiti is a crime." Graffiti ist ein Verbrechen.

Ein Graffito über Graffiti: Tags darauf war das Meta-Kunstwerk auch schon wieder weiß übermalt - was genau seiner Botschaft entsprach.

Der Mann, der dahinter steckte, war niemand anderes als Banksy. Den ganzen Oktober über suchte der ebenso legendäre wie mysteriöse britische Graffiti-Künstler New York City heim und machte die Stadt, die Graffiti erfand, zu seiner Open-Air-Galerie. Ein neues Werk pro Tag, ohne Vorwarnung, wann oder wo: "Eine Künstlerresidenz in den Straßen New Yorks", so kündigte er es auf seiner Website  an.

Titel der Aktion: "Better Out Than In" - die Essenz eines Zitats von Paul Cézanne: "Bilder, die drinnen, im Atelier, gemalt werden, werden nie so gut sein wie die, die draußen entstehen."

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Banksy in New York: Im Bann der Schablonenkunst

Foto: ERIC THAYER/ REUTERS

Die von täglichem Hype lebenden Lokalmedien und Blogs schluckten brav den Köder, und damit begann für die New Yorker die tollste Schnitzeljagd, die diese kunst- und kultbesessene Metropole seit langem erlebt hat. Bald rätselten selbst die mit, die das Pseudonym Banksy zuvor noch nie gehört hatten: Wo taucht das nächste Graffito auf? Wie lange überlebt es die städtischen Putzkolonnen? Wird sich Banksy endlich selbst zu erkennen geben?

Heute Schmiererei, morgen Museumsstück

Typisch New York auch die Reaktionen, von Wut bis Wahnwitz: Rangeleien, Pöbeleien, hitzige Debatten, spontane Partys. Die einen rasten kreuz und quer durch die Stadt, um Banksys Spuren mit ihren Smartphones zu verewigen, zu twittern und zu instagrammen, bevor sie wieder verschwanden wie Halluzinationen. Andere veredelten die Graffiti mit eigenen Pinseleien. Wieder andere bewachten ihre Fassaden, als sei das Kriegsrecht ausgerufen. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg hatte für die Banksy-Aktion wenig übrig. Graffiti sei "ein Zeichen von Verfall und Kontrollverlust", kommentierte Bloomberg.

Alles Elemente eines clever inszenierten Mythos, weiß Angelo Madrigale vom New Yorker Auktionshaus Doyle. Heute Schmiererei - morgen Museumsstück: "Die Leute hatten früher mit Pop-Art die gleichen Probleme", sagt er. "Selbst Impressionismus war mal ein abfälliger Begriff."

Es war die bisher gelungenste PR-Aktion des britischen Aktionskünstlers, dessen Werke auf dem Kunstmarkt siebenstellige Summen einbringen. Anonymität, Polit- und Kunstsatire, gepaart mit dem American Dream vom Selfmade-Millionär: Die Kombination der Schlüsselreize war einfach zu unwiderstehlich.

"Banksy ist in town, und er könnte dich reich, reich, reich machen", jubelte Jerry Saltz, der Kunstkritiker des "New York Magazine", das Banksys klandestine Aerosol-Stadtrundfahrt per interaktivem Stadtplan  dokumentierte.

Blökende Schafsattrappen

Das Timing hätte nicht besser sein können. NSA-Enthüllungen, Obamacare-Debakel, Shutdown-Krise, Washington-Frust: Die USA stecken in einer düsteren Sinnkrise - perfekter Saatboden für Banksys subversive Blickfänge.

Etwa die Silhouette des World Trade Center samt Feuerball-Chrysantheme, nicht weit von Ground Zero entfernt. Der Schatten eines Kindes mit Vorschlaghammer auf der Upper West Side. Zwei Geishas mit Schirmen im Osten Brooklyns. Ein paar Straßen weiter die gesprühte Aufschrift: "Occupy The Musical."

Andere "Werke" waren mobil, so der Truck mit blökenden, quiekenden Schafsattrappen auf dem Weg zum Schlachter, betitelt "The Sirens of the Lambs", angelehnt an den Gruselklassiker "The Silence of the Lambs". Oder die Skulptur eines überdimensionalen Ronald McDonald, der eine Woche lang Filialen der Fast-Food-Kette in der Bronx "besuchte".

Am treffendsten freilich nahm Banksy die Kunstszene im Central Park aufs Korn. An einem Samstag baute er dort einen Stand auf, der signierte Spray-Bilder anbot. Keiner der Passanten erkannte sie als echte Banksys, nur drei Werke verkauften sich - für je 60 Dollar. Bewacht wurde der Stand von einem älteren Herrn. War das Banksy selbst? Niemand weiß es - am nächsten Tag war er verschwunden.

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