
Grass holt gegen Israel aus: "Gealtert und mit letzter Tinte"
Gedicht zum Iran-Konflikt Günter Grass holt gegen Israel aus
Berlin/Hamburg - Das Gedicht trägt den Namen "Was gesagt werden muss": Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat in einer lyrischen Einlassung die israelische Politik gegenüber Iran heftig kritisiert.
"Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?", schreibt Grass in dem Gedicht, das die "Süddeutschen Zeitung" am Mittwoch in ihrem Feuilleton veröffentlicht. Der 84-Jährige kritisiert dort außerdem die geplante Lieferung eines weiteren U-Boots "aus meinem Land" nach Israel. Gleichzeitig bekundet Grass seine Verbundenheit mit Israel.
Zudem forderte Grass in dem Text, dass "eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird".
"Prototyp des gebildeten Antisemiten"
Das Gedicht von Günter Grass erscheint gleichzeitig auch in der italienischen Tageszeitung "La Repubblica", wie am Mittwoch die "Welt" berichtet. Auch die Madrider Zeitung "El País" druckt das Gedicht , in der spanischen Übersetzung heißt der Titel wortgetreu "Lo que hay que decir".
In der "Welt" reagiert der Publizist Henryk M. Broder auf die Einlassung von Grass. Der streitbare Berliner Autor gibt seinem Text den Titel "Nicht ganz dicht, aber ein Dichter" und wirft Grass vor , er habe "schon immer ein Problem mit Juden" gehabt. Nur: So deutlich wie in dem neuen Gedicht habe er dies noch nirgends gesagt.
Broder schreibt, Grass sei "der Prototyp des gebildeten Antisemiten, der es mit den Juden gut meint", aber von Schuld- und Schamgefühlen verfolgt und von dem Wunsch getrieben werde, "Geschichte zu verrechnen". Broder nimmt Bezug auf ein Interview mit Grass auf SPIEGEL ONLINE vom 10. Oktober 2001, in dem der Schriftsteller gesagt habe, wie er sich die Lösung der Palästina-Frage vorstelle.
Grass sagte in dem Interview: "Israel muss aber nicht nur besetzte Gebiete räumen. Auch die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung ist eine kriminelle Handlung. Das muss nicht nur aufhören, sondern rückgängig gemacht werden. Sonst kehrt dort kein Frieden ein."
Aufgrund dessen vergleicht Broder die Meinung von Grass jetzt mit der des iranischen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad und schreibt zu dem oben genannten Zitat: "Das war nicht mehr und nicht weniger als eine Aufforderung an Israel, nicht nur Nablus und Hebron, sondern auch Tel Aviv und Haifa aufzugeben. Ebenso wie die Hamas und die Hisbollah macht auch Grass keinen Unterschied zwischen den 1948 und den 1967 'besetzten Gebieten', für ihn ist 'die Besitznahme palästinensischen Bodens und seine israelische Besiedlung eine kriminelle Handlung'. Genau so sieht es auch der iranische Staatspräsident."
"Konfuses Rauschen"
Auch "La Repubblica" bedenkt den Text von Grass mit einem kritischen Kommentar und bezeichnet dessen Meinung als "konfuses Rauschen": "Günter Grass tritt wieder auf den Plan. Und er tut dies mit einem lyrischen Text, der dazu bestimmt ist, einen Streit auszulösen. Der Literaturnobelpreisträger meint, dass Israel die wahre Gefahr für den Frieden ist und nicht der Iran."
Im Jahr 2006 hatte Grass einen Eklat verursacht: In seiner Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" bekannte er zur allgemeinen Überraschung, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Der Autor musste zum Teil heftige Kritik einstecken. Ihm wurde vor allem vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit jahrzehntelang verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisierte. Manch einer sprach ihm die moralische Integrität ab.
Berichtigung: In einer früheren Version dieses Textes war zu lesen, Grass' Gedicht sei auch von der "New York Times" veröffentlicht worden. Das ist nicht der Fall.