

München - Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist tot. Er starb am Dienstagvormittag in seiner Wohnung in München-Schwabing, wie sein Sprecher Stephan Holzinger bestätigte. Sein Arzt und sein Pfleger seien bei ihm gewesen. Gurlitt war seit Monaten schwerkrank, er wurde 81 Jahre alt.
Gurlitt, so hieß es aus seinem Umfeld gegenüber SPIEGEL ONLINE, habe die letzten Wochen in seiner Wohnung verbracht und sei rund um die Uhr von zwei Pflegerinnen betreut worden. Anfang des Jahres habe sich der an einer Herzkrankheit leidende Gurlitt den Angaben zufolge einer Bypass-Operation in Stuttgart unterziehen müssen, von der er sich zunächst gut erholt habe.
Doch die Aufregung durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft habe ihm gesundheitlich schwer zugesetzt, am Ende sei er äußerst schwach gewesen. Gurlitt sei gestorben, ohne seine geliebte Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben. Mit seinem Tod ende nun auch das Ermittlungsverfahren, heißt es in einer Mitteilung, die unter anderem von Gurlitts Sprecher unterzeichnet ist.
Erbe einer spektakulären Kunstsammlung
Gurlitt war der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Der hatte nach 1933 Geschäfte mit den Nationalsozialisten gemacht - und seinem Sohn eine spektakuläre Sammlung von Kunstwerken vermacht. Im Februar 2012 war diese in der 100 Quadratmeter großen Schwabinger Wohnung von Cornelius Gurlitt gefunden und beschlagnahmt worden. Unter den rund 1300 Werken waren auch Bilder von Marc Chagall, Max Beckmann, Franz Marc, Pablo Picasso und Henri Matisse.
Bis Ende dieses Jahres sollte die Herkunft der Gemälde weitgehend erforscht sein. Wer die Kunstsammlung erbt, ob sie möglicherweise an den Staat fällt und wie die Herkunftsforschung fortgesetzt wird - all das ist noch unklar. "Ich kann dazu aktuell nicht Stellung beziehen", sagt Gurlitts Sprecher. "Es ist Aufgabe des Nachlassgerichts zu ermitteln, ob es ein gültiges Testament und beziehungsweise oder einen Erbvertrag gibt."
Die Fahnder waren während einer Zugfahrt im September 2010 auf Gurlitt aufmerksam geworden: Der Kunstsammler war auf dem Weg von Zürich nach München und Zollfahnder vermuteten nach einer Kontrolle Gurlitts, es könne ein Steuerdelikt vorliegen. Das Amtsgericht Augsburg bewilligte daraufhin einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für die Münchner Wohnung von Gurlitt.
Erst Anfang April hatte Gurlitt der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern vertraglich zugesichert, seine Sammlung von Experten untersuchen zu lassen und unter Nazi-Raubkunstverdacht stehende Werke gegebenenfalls zurückzugeben. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft sämtliche beschlagnahmten Gemälde freigegeben.
"Herr Gurlitt hat sich sehr über die Aufhebung der Beschlagnahme gefreut und auch darüber, dass er mit der getroffenen Vereinbarung so viel positiven Zuspruch aus dem In- und Ausland erhalten hat", teilten seine Anwälte nach seinem Tod mit.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters nannte die Zusammenarbeit von Gurlitt mit dem Bund und Bayern ein "Bekenntnis zur moralischen Verantwortung". Die Vereinbarung sei auch für die Erben bindend, teilte das bayerische Justizministerium mit. Gurlitt habe so "dafür Sorge getragen, dass die Erforschung der Herkunft der Bilder auf jeden Fall weitergehen kann", sagte Justizminister Winfried Bausback. "Damit kann nationalsozialistisches Unrecht aufgearbeitet werden und Opfer des NS-Unrechtsregimes können ihre Ansprüche geltend machen." Dafür gebühre Gurlitt Respekt und Anerkennung.
"Ich bin doch etwas ganz Stilles"
Bis er in das Zentrum der wohl spektakulärsten Kunstsensation der vergangenen Jahrzehnte geriet, hatte Gurlitt ein zurückgezogenes Leben in seiner Schwabinger Wohnung und seinem Haus in Salzburg geführt - dort wurden weitere wertvolle Kunstgegenstände gefunden.
"Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben", sagte Gurlitt Ende 2013 im Gespräch mit dem SPIEGEL. Die Aufregung um seine Person konnte er nicht nachvollziehen: "Ich bin doch nicht Boris Becker, was wollen diese Menschen nur von mir? Ich bin doch etwas ganz Stilles. Ich habe doch nur mit meinen Bildern leben wollen."
Über die Beschlagnahmung der Gemälde in seiner Wohnung sagte Gurlitt damals: "Die hätten doch warten können mit den Bildern, bis ich tot bin."
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Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist tot. Der 81-Jährige starb am Dienstag nach monatelanger schwerer Krankheit in seiner Münchner Wohnung.
In Gurlitts Wohnung in München-Schwabing lagerten Gemälde wie dieses von Max Liebermann: "Zwei Reiter am Strande". Zu dem Fund zählten darüber hinaus Werke von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde.
Der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt hatte nach 1933 Geschäfte mit den Nazis gemacht - und seine Kunstsammlung später seinem Sohn vermacht. Dieses Foto von Hildebrand Gurlitt entstand circa 1925.
Hildebrand Gurlitt, hier auf einem Sterbekärtchen, profitierte von der Willkür des Nazi-Regimes. Sein Sohn Cornelius erbte die spektakuläre Sammlung seines Vaters.
Wie kam Hildebrand Gurlitt an so viele wertvolle Gemälde? Diese Frage beschäftigt Ermittler und Forscher seit Monaten. Dieses Foto von 1952 zeigt Hildebrand Gurlitt (M.) im Gespräch mit dem Architekten Friedrich Tamms (r.).
In seinem Gespräch mit dem SPIEGEL sagte Gurlitt: "Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben."
Nicht nur in der Münchner Wohnung, sondern auch in diesem unscheinbareren Haus Gurlitts in Salzburg wurden wertvolle Kunstgegenstände gefunden.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte Gurlitt für seine Rolle beim Schwabinger Kunstfund. Er habe noch jüngst der Provenienzrecherche und freiwilligen Rückgabe von Werken aus seiner Sammlung zugestimmt, sagte Grütters. Mit diesem Bekenntnis zur moralischen Verantwortung habe Gurlitt ein Zeichen für faire und gerechte Lösungen bei der Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzt.
Die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann von der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin ist Expertin für die bei Gurlitt gefundenen Bilder. Die Wissenschaftlerin untersuchte den Schwabinger Kunstschatz im Auftrag der Augsburger Staatsanwaltschaft.
Wegen des spektakulären Falls um Cornelius Gurlitt wurde eine Taskforce eingesetzt - dieses Foto zeigt Generalstaatsanwalt Christoph Strötz und Ministerialdirektorin Ingeborg Berggreen-Merkel im November 2013 in München. Zum Chef der Gruppe wurde der Kunstwissenschaftler Uwe Hartmann ernannt.
Der Schwabinger Kunstfund rief auch hochrangige Politiker wie den bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) auf den Plan. Anfang April sicherte Gurlitt der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern vertraglich zu, seine Sammlung von Experten untersuchen zu lassen und unter Nazi-Raubkunstverdacht stehende Werke zurückzugeben.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte Gurlitt für seine Rolle beim Schwabinger Kunstfund. Er habe noch jüngst der Provenienzrecherche und freiwilligen Rückgabe von Werken aus seiner Sammlung zugestimmt, sagte Grütters. Mit diesem Bekenntnis zur moralischen Verantwortung habe Gurlitt ein Zeichen für faire und gerechte Lösungen bei der Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzt.
Foto: Christoph Schmidt/ dpa