Guttenberg bei "Beckmann" Golden Boy

Erst kurz im Amt und schon ein Star - Karl-Theodor zu Guttenberg ist der neue Darling der deutschen Politik, sein Tatendrang überstrahlt auch dröge Talk-Runden wie die von Beckmann. Kein Wunder: Der Mann kann AC/DC vom ADAC unterscheiden.
Von Reinhard Mohr

Nicht alles muss schwer sein im Leben. Manchmal ist es sogar recht leicht, die Mitmenschen für sich einzunehmen. Wenn man zum Beispiel wie selbstverständlich mehrere Sätze sinnvoll und logisch miteinander verknüpfen kann. Dies zugleich mit wachem Blick, gut frisiert und ohne erdenschwer herabhängende Mundwinkel.

Minister Guttenberg (in New York): Frischer Hauch der alten Werte

Minister Guttenberg (in New York): Frischer Hauch der alten Werte

Foto: AP

Bei aller Ernsthaftigkeit - die Lage, die Lage! - darf hier und da sogar ein wenig Heiterkeit, gar Ironie aus den Augen blitzen; elegant gebremste Jugendlichkeit, freilich gefiltert durch die spürbare Verantwortung fürs große Ganze.

Dennoch dominiert der Eindruck einer gewissen Unbekümmertheit und Frische, die weiß, woher sie kommt: aus einer offenbar glücklichen Kindheit und Jugend, in der zugleich schon früh fürs Leben gelernt wurde. Daher auch die in der politischen Szene Deutschlands außergewöhnliche Mehrsprachigkeit, die den souveränen Auftritt abrundet. Schließlich Anzug und Krawatte: Ein Schlips, der schlank herunterfällt und nicht, wie üblich, überm Bierbauch baumelt.

Nach wenigen Wochen im Amt des Bundeswirtschaftsministers hat Karl-Theodor zu Guttenberg, 37, schon Platz drei der politischen Beliebtheitsskala erklommen, eine kleine Sensation in flüchtig bösen Krisenzeiten. Und ein klarer Fall für Reinhold Beckmann, der ihn zusammen mit seinem FDP-Amtsvorgänger aus Helmut-Schmidt- und Kohl-Zeiten, Otto Graf Lambsdorff, 82, ins Studio lud. Ein Kontrastprogramm par excellence.

Auch hier zeigte sich, dass Guttenberg sich in erstaunlicher Geschwindigkeit ins neue Amt ebenso eingelebt wie eingearbeitet hat, obwohl ihm bislang tiefe ökonomische Kenntnisse nicht unbedingt nachgesagt werden konnten.

Sein Gebrauch von Gemeinplätzen hält sich am unteren Rand des branchenüblichen Durchschnitts, und auch beim unvermeidlichen Thema "Regulierung der Finanzmärkte", das inzwischen jeder aufmerksame Zeitungsleser in Form eines akademischen Kurzvortrags referieren kann, offenbart sich Guttenberg keineswegs als stolzer Besserwisser, der sein gerade angelesenes Fachwissen als allerneueste und allerletzte Wahrheit verkauft.

Selbstverständlich lobt man sich erst einmal gegenseitig: Der Jüngere den Älteren für seine "Kantigkeit" und "Geradlinigkeit", und dieser jenen für die Bewahrung des adligen Erbes, "Verpflichtung", Ernsthaftigkeit und Bescheidenheit.

In diesem Augenblick sind "Deutschland sucht den Superstar" und "Germany's Next Topmodel" ganz weit weg - all die virtuellen Replikanten des Ruhms, der so künstlich ist wie aufgespritzte Lippen.

Comeback der coolen BRD

So kehrt mit Guttenberg auch ein frischer Hauch der guten alten Werte zurück in die Arena, die Erinnerung an Tradition und Beständigkeit, Zuversicht und Verlässlichkeit, Individualität und persönliche Freiheit. Maxim Biller würde sagen: an die coole BRD.

Immer wieder spricht der jüngste Minister des Bundeskabinetts davon, dass er seine Arbeit bis zur kommenden Bundestagswahl Ende September erst einmal "anständig" und "ordentlich" verrichten wolle. Dann sehe man weiter.

Auch in seiner politischen Argumentation präsentiert der CSU-Mann eine Mischung aus Forschheit und kluger Zurückhaltung.

Einerseits berichtet er von intensiven Gesprächen mit "Opel-Interessenten", andererseits betont er immer wieder, dass es ohne die Erfüllung wichtiger Kriterien eines Rettungskonzepts, darunter ein finanzstarker Investor, keine Staatshilfe geben werde.

"Ein realistisches Bild" müsse gezeichnet werden, ohne Beschönigung. Gleichwohl werde man alles versuchen, um Opel zu retten.

Auch im Falle der Hypo Real Estate, jenes "systemrelevant" fallenden Kolosses der deutschen Finanzwirtschaft, akzentuiert Guttenberg die "Dramatik der Situation". In einem Wort: "Wir müssen jetzt handeln", auch wenn ihn die "ultissima ratio" einer Enteignung der Aktionäre geradezu erschaudern lässt: "Da schüttelt's mich regelrecht."

Doch nun scheint es zu spät für marktwirtschaftliche Prinzipienfestigkeit um jeden Preis, und Finanzminister Peer Steinbrück, SPD, hatte wohl nicht ganz unrecht mit der Bemerkung, die faktische Enteignung habe schon längst stattgefunden - durch das verantwortungslose Agieren der Hypo Real Estate selbst.

Wie schön ist es da, dass Guttenberg in der Woche der Weltkrisengipfel seinen Sinn für Optimismus und Humor nicht verlieren will. Auf das inzwischen weltberühmte Foto vom New Yorker Times Square angesprochen, für das er sich mit ausgebreiteten Armen in weltmännische Pose geworfen hatte, antwortet er ebenso selbstbewusst wie sympathisch: "Hätte ich lieber in eine dunkle U-Bahn-Station oder auf den Zentralfriedhof in Wien gehen sollen?"

Mehrere publizistische Beobachter der Szene wurden per Einspielfilm zu Rate gezogen und beugten sich professionell über "the phenomenon" Guttenberg. Michael Spreng, einst Edmund Stoibers Berater im Bundestagswahlkampf 2005, prophezeite, das Foto vom Times Square werde dem Master of the fränkisch Universe noch mal auf die Füße fallen, und vielleicht hat der PR-Profi ja recht. Andererseits ist diese Wette auf fallende Kurse an der Börse der Beliebtheit auch ein mediales Nullsummenspiel, ein typisches Produkt der Inzucht der politischen Klasse.

Auch die Stilkritik des Feuilletonchefs der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Claudius Seidl, traf nur zur Hälfte. Dass der flotte Theodor nun zum Krawattenmann des Jahres, gleichsam zum politisch austauschbaren Krawattenverkäufer mutieren könnte, scheint eher unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Das elegante, aber nicht extravagante Auftreten gibt ihm gerade den entscheidenden Raum zwischen Selbstbewusstsein und Selbstironie, Kennzeichen eines Mannes mit Eigenschaften.

Innerlich derart gerüstet kann er, wie geplant, auch auf das nächste Konzert von AC/DC gehen. Immerhin war er auch seiner heutigen Ehefrau einst auf der Loveparade näher gekommen, ohne Schaden an Körper und Seele zu nehmen.

Otto Graf Lambsdorff allerdings musste passen. Von AC/DC hat er nie was gehört. Er kennt nur den ADAC.

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