
Ehepaar Guttenberg: Blitzbesuch in Kunduz
Guttenberg-Hype Mir ist nicht GUTT
Schon klar: Jeder, der die Guttenbergs nicht ganz besonders toll findet, soll "die Klappe halten" ("Bild"-Zeitung), aber so lange die Guttenberg-Verehrung noch nicht per Gesetz vorgeschrieben ist, möchte ich mich noch mal kurz äußern. Mit Verlaub. Geht auch ganz schnell. Es ist nämlich so: Ich kann Karl-Theodor zu Guttenberg nicht lieben. Und seine Frau auch nicht. Schlimmer noch: Ich mag sie nicht leiden.
Dass es so etwas noch gibt, im einundzwanzigsten Jahrhundert, Sie werden es kaum glauben. Eigentlich sollten doch alle längst auf Linie sein, eingeschworen auf den Baron und seine Gattin. Guttenberg-Gleichgültigkeit, Guttenberg-Abneigung gar, sollte es doch längst nicht mehr geben, nach all den Guttenberg-Titelseiten und Guttenberg-Talkshows. Eigentlich sollte doch jeder und jede längst begriffen haben, wie glamourös und dabei bescheiden, wie unabhängig und dabei bodenständig, kurz: wie fabelhaft dieses Paar ist. Sorry, aber mir will das nicht in den Kopf.
Promi-Paar mit soldatischen Statisten
Wenn ich beispielsweise Fotos von Karl-Theodor zu Guttenberg mit seiner Frau Stephanie in Afghanistan sehe, dann kann ich diesen Besuch nicht "großartig" finden wie "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner. Es fehlt mir die Gabe, darin eine "Liebeserklärung an unsere Soldaten" erkennen zu können. So sehr ich mich auch bemühe, so oft ich auch hinsehe, ich sehe immer nur ein Promi-Paar, das sich vor afghanischer Kulisse, umringt von soldatischen Statisten, in Szene setzt.
Oder wenn ich "die politische Lichtgestalt" Karl-Theodor zu Guttenberg bei Thomas Gottschalks Jahresrückblick auf dem Sofa sitzen sehe: Thomas Gottschalk redet davon, dass jetzt ja auch er erfahren habe, was politische Verantwortung bedeute, weil in seiner Sendung ein Mann sich die Wirbelsäule verletzt hat, der auf Sprungfedern über auf ihn zufahrende Autos springen wollte. Er selbst, sagt Gottschalk, trage daran zwar keine Schuld, aber irgendwie sei er doch verantwortlich.
Sprungfeder-Verantwortung ein ganzes Leben lang
Wenn ich dann höre, wie Gottschalk den Sprungfeder-Unfall allen Ernstes in Beziehung setzt mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, und der Verteidigungsminister sitzt daneben und lässt diesen Unsinn nicht nur unwidersprochen, sondern steigt auch noch darauf ein, dann kann ich nicht dem Fernsehgerät zunicken. Dann regt mich das auf. Und wenn Guttenberg dann sagt, gemeinsam sei beiden, also Gottschalk und ihm, dass sie ein Leben lang an ihrer Verantwortung zu tragen hätten, dann kann ich nicht mit glasigen Augen jeden Satz des Barons beklatschen wie Gottschalks Studiopublikum. Dann frage ich mich, ob für den Minister der Krieg vielleicht tatsächlich nicht viel mehr als eine Spielshow ist und er ihr Moderator.
Wenn ich lese, dass Karl-Theodor zu Guttenberg für einen "unverkrampften Umgang" mit wirtschaftlichen Interessen in der Sicherheitspolitik, im Grunde also für Wirtschaftskriege wirbt, und es abgesehen von der Opposition niemanden zu stören scheint, dann schüttelt es mich. Dann kann ich das nicht erfrischend finden, sondern frage mich, warum eigentlich ein Bundespräsident zurückgetreten ist, der dasselbe gesagt hat - etwa nur, weil er sich "sperrig" ausgedrückt hat, wie Guttenberg das nennt? Ist Krieg für den Verteidigungsminister etwa nur eine Frage der Kommunikation? "Wir leisten uns eine immense Schüchternheit, wenn es an den Einsatz von Waffen geht", hat er vor einem Jahr bei "Beckmann" gesagt, und: "Ich glaube, dass die Bevölkerung in unserem Lande es bei weitem mehr verstehen würde, würde man es ihr endlich auch anständig erklären." Ganz ehrlich: Ich will mir von Guttenberg nicht den Krieg erklären lassen.
Vermutlich stellen Sie sich jetzt vor, ich sei ein bedauernswerter, zerknirschter Mensch, zerfressen vom Neid auf die wunderbaren Guttenbergs. Da kann ich Sie beruhigen: Ich beneide Karl-Theodor zu Guttenberg weder um sein schweres Amt noch um seine schöne Stephanie. Und manchmal bringt mich die allgemeine Guttenberg-Verehrung sogar zum Lachen. Zum Beispiel, wenn in der ARD ein geradezu kriecherisches Guttenberg-Porträt des BR-Journalisten Eckhart Querner läuft, in welchem zu dramatischer Geigenmusik Verwandtschaft und "Adelsexperten" den Verteidigungsminister in höchste Höhen loben dürfen und die "FAZ" dazu ausgerechnet schreibt, Guttenberg habe die Lektion, dass zu viel Medienpräsenz auch schaden könne, "längst begriffen". Er sei "geerdet".
Mantel und Degen, Adel und Ehre
Herzlich lachen musste ich auch bei der Lektüre der Liebeserklärung des "Focus"-Chefredakteurs Wolfram Weimer, der so sehr über die Äußerlichkeiten seines Ex-Praktikanten ins Schwärmen gerät, dass ihm dessen politische Ziele gleichgültig werden: "Gar nicht so bedeutsam, welche Haltung er gerade hat, sondern dass er eine hat." Das ist schon saukomisch, wenn man bedenkt, dass hier ein Spitzenpolitiker in einem politischen Magazin beschrieben wird. Großartig auch die jüngste Guttenberg-Verteidigungsschrift in der "Welt", die ganz auf die kennerische Beschreibung von Bekleidung und Schuhwerk setzt - und folgert: "Zu oft haben sich hinter einem abschreckenden Äußeren aber nicht innere Werte, sondern trostlose Leere und gähnendes Mittelmaß verschanzt. Davon haben wir genug." Mit anderen Worten: Die Guttenbergs sind so schön, da müssen sie ja auch gut sein. Damit kennt sich Ulf Poschardt offenbar bestens aus.
Auch entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn "Bild"-Kolumnist Wagner in seinem Brief an das "liebe Ehepaar Guttenberg" nach dem Lob für ihre Truppen-Visite ("Herz zeigen, Gefühle zeigen") etwas überraschend den Adressaten wechselt und SPD-Chef Sigmar Gabriel abstraft, weil der ironisch noch Frau Katzenberger mit den Guttenbergs nach Afghanistan schicken wollte. Katzenberger sei ein "Tittenstar", und: "Was erlaubt sich dieser SPD-Chef?", entrüstet sich Wagner. "Entschuldigen Sie sich", wirft er Gabriel abschließend hin. Wenn nicht, fügt mein Hirn automatisch hinzu, kommt es zum Duell im Morgengrauen: Guttenberg gegen Gabriel. Und Wagner sekundiert.
Mantel und Degen, Adel und Ehre: Die Guttenbergs erfüllen "die Sehnsucht der Deutschen nach einer Königsfamilie", hat "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo gesagt. Tut mir leid, ich habe diese Sehnsucht nicht. Ich bin ein großer Anhänger der Demokratie.