Hamburger Dialog Rifkin fordert kulturelle Verantwortung der Medien

Der amerikanische Gesellschaftskritiker Jeremy Rifkin ermahnt die Medien, sich ihrer Verantwortung für das Wohl der Gemeinschaft und die kulturelle Vielfalt bewusst zu werden. Kommerzialisierung komme nicht vor Kultur, sagte Rifkin zum Auftakt des Medienforums "Hamburger Dialog".

Hamburg - Wenn Kultur nur ein Feld für die Medienunternehmen sei, das sie für kommerzielle Zwecke ausschlachteten, dann sei es mit der über Jahrhunderte gewachsenen Vielfalt vorbei, sagte Rifkin zum Auftakt des Kommunikationskongresses "Hamburger Dialog" am Dienstag in der Hansestadt. Er appellierte an die Verantwortung der Unternehmen und verwies mit Rückblick auf die Terroranschläge vom 11. September darauf, dass es Kulturen gebe, die "Kultur-Feudalismus" nicht wollten. "Eine Weltkulturorganisation tut Not", sagte Rifkin.

Kommerzialisierung von Zeit

Für den oft kontroversen Verbraucherschützer Rifkin erfolgt derzeit auf Grund der modernen Technologien eine tief greifende Umwälzung vom Marktkapitalismus zu einer kulturbasierten Wirtschaft. Die alte Wirtschaftsordnung sei mit ihren Geschäftsmodellen vom Verkäufer und Käufer nicht für die mit Lichtgeschwindigkeit arbeitende vernetzte Welt ausgelegt, erläuterte der 56-Jährige. Stattdessen werde es zu einer Kommerzialisierung von Zeit kommen. Als ein Beispiel dafür nannte Rifkin die Internet-Musikbörse Napster, bei der sich Kunden Musikdateien herunterladen und dann die CD physisch nicht mehr kaufen müssen.

Ging es früher um den Erwerb von Eigentum, sieht Rifkin den Zugang zu Erfahrungen und Erlebnissen der Menschen als Schlüssel für das 21. Jahrhundert. So könnten Autohersteller statt Fahrzeugen ganze Mobilitätspakete verkaufen oder Pharmaunternehmen Gesundheitsvorsorgesysteme aufbauen mit dem Ziel, Produktionsmengen zu minimieren. Gewinne würden dann in der neuen Zusammenarbeit mit Versicherungen oder Arbeitgebern anders verteilt.

Keine Leitkultur

Die bisher auch in Deutschland praktizierte Politik war laut Rifkin darauf ausgelegt, durch Liberalisierung und Deregulierung ein Füllhorn materieller Güter zu schaffen, auf das kulturelle Werte dann aufgesattelt wurden. "Es gibt aber in der Geschichte kein Beispiel dafür, dass zuerst der Kommerz und dann die Kultur entstanden ist." Auch in Deutschland dürfe man auf Grund der Zeit des Nationalsozialismus nicht so tun, als habe man keinen Wurzeln, sagte Rifkin und verwies auf die deutschen Dichter und Denker. Es sollte aber nicht um eine Leitkultur gehen, sondern die vielfältigen Ausdrucksweisen der Kultur gefördert werden. Die Medienunternehmen müssten sich wie jeder Einzelne fragen, wie viel Verantwortung sie für das Gemeinwesen tragen wollten.

Beim "Hamburger Dialog" debattieren rund tausend Journalisten, Werbefachleute, Verlagsmanager sowie Marketing- und Vertriebsexperten in über 20 Foren über Wege aus der Konjunkturkrise.

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