Margarete Stokowski

Antifeminismus-Lexikon der Böll-Stiftung Hier steht, wer alles doof ist

Die Heinrich-Böll-Stiftung bringt ein Onlinelexikon heraus, das Antifeministen aufzählt. Eine Liste mit ungeliebten Personen - ernsthaft? So kämpft man nicht für Gleichberechtigung.
Femen-Aktivistin

Femen-Aktivistin

Foto: FRED DUFOUR/ AFP

Einmal hat mich nach einer Lesung jemand gefragt, warum Feministinnen immer so aggressiv rüberkommen. Das war merkwürdig angesichts der Tatsache, dass ich ihm vorher anderthalb Stunden ziemlich entspannt vorgelesen hatte, aber was weiß ich schon. Jedenfalls meinte der Fragensteller: Er sei ja im Großen und Ganzen für Gleichberechtigung und alles, nur, er möge es nicht, dass das alles immer so als Kampf dargestellt werde, so angriffslustig, was das denn solle.

Ja, was soll das? Ich weiß auch nicht, man könnte natürlich einfach antworten, er solle mal in sich reinhorchen, warum er sich von der Forderung nach Gleichberechtigung angegriffen fühlt, aber so redet man nicht mit seinen Gästen, also antwortete ich auf den Rest seiner Frage, der auch stimmt: Es wird nicht nur als Kampf dargestellt, es ist ein Kampf. Das liegt daran, dass es um was geht. Feminismus ist, im Gegensatz zu - zum Beispiel - Zumba, eine Bewegung, die sehr grundsätzliche Dinge verändern will. Ein paar Leute müssen Macht abgeben, und das tun die nicht, wenn man sie nur lieb genug drum bittet.

Man muss das nicht unbedingt "Kampf" nennen. Klingt immer bisschen ätzend, find ich auch, aber mein Gott, es ist auch oft genug ätzend, let's face it. Wir können auch sagen: Es ist eine Baustelle. Eine sehr große Baustelle, nicht nur ein bisschen Umdekoration, sondern eine ernsthafte Riesenaktion, bei der tief gebuddelt wird, und bei der, wenn man auf die entsprechenden Stellen stößt, die Gülle so richtig hochsprudelt. Überall hin. Ganze Fontänen von entsetzlichem Zeug, wie direkt aus der Hölle. Auch nicht schön.

Aber egal, ob man es einen Kampf oder eine Baustelle nennt oder meinetwegen einen Operationssaal: Man braucht, um mitzumachen, die richtige Ausrüstung. Mit dem falschen Werkzeug macht man am Ende mehr kaputt als richtig oder tut sich selbst weh.

Diskurssimulation im Geiste einer Grundschul-Klowand

Manchmal geht es schief, und man kann dabei zugucken. Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung hat gerade eine neue Plattform gestartet: Agent*In - ein "Antifeminismus-kritisches Online-Lexikon" . Es handelt sich um ein Wiki, in dem Akteurinnen und Akteure versammelt werden, die sich irgendwie antifeministisch geäußert haben oder es sind. Das können Ideologien (zum Beispiel die neue Rechte), Kampagnen (zum Beispiel der "Marsch für das Leben"), Organisationen ("Besorgte Eltern") oder einzelne Personen  sein, und bei Letzteren wird es problematisch. Man kann sich durch Listen klicken, auf denen Götz Kubitschek, Birgit Kelle, Beatrix von Storch und Harald Martenstein stehen wie auf einer Gästeliste zu einer Bad-Taste-Party für inhaltliche Fragen. (Fehlen aber noch einige.) Auf den jeweiligen Seiten kann man dann erfahren, welche Positionen die Person vertritt. Die Arbeit, die da reingesteckt worden sein muss, den ganzen Quatsch zu lesen, in allen Ehren - aber da hört es auch schon auf.

Es ist nicht gut, Listen von Menschen nach politischer Gesinnung anzulegen. Siehe: Weltgeschichte. Wer sich über die Leute informieren will, bekommt das auch so hin, ohne Abschussliste. (Wer Wiki-Seiten über berühmte Leute mitschreiben will, kann das in der Original-Wikipedia tun; ist anstrengend, aber ist ein Weg.) Aber vor allem: Was, wenn einer oder eine von denen, die da draufstehen, die Meinung ändert? Oder Zweifel hat? Oder sich irgendwie ambivalent verhält, vielleicht gerade mitten in einem Erkenntnisprozess steckt, oder meinetwegen eine Erleuchtung hatte, oder einfach wie ein ganz normaler Mensch - sich verändert? Was bringt dann diese merkwürdige Diskurssimulation im Geiste einer Grundschul-Klowand, auf der steht, wer alles doof ist? Nichts außer den Vorwurf, dass Feministinnen oder Feministen (Redaktionsmitglieder von "Agent*in" übrigens: zwei Männer und eine Frau) zu sehr in Schwarz-Weiß denken.

Es macht Sinn, antifeministische Strategien und Argumentationen zu sammeln

Natürlich gibt es eindeutig antifeministisch eingestellte Leute, bei denen die Hoffnung irgendwie gering ist, dass da noch zu Lebzeiten lila Lämpchen aufflackern. Aber genau diese Leute sind es, die immer wieder so scheußliche Listen von Feinden anlegen, und man sollte es ihnen nicht gleichtun. Es gibt zum Beispiel die Seite "Wikimannia", ein anonym betriebenes antifeministisches und frauenfeindliches Projekt, in dem mein Eintrag so anfängt: "Margarete Stokowski (* 1986) versucht feministische Phamplete [ähm, sic, müsste mal jemand korrigieren] als Journalismus zu tarnen."

Es läuft aber auch feedbackmäßig entsprechend schlecht für "Agent*in": von rechts eh, aber nicht nur. Obwohl im FAQ der Seite erklärt wird, die Seite sei kein Pranger , ist genau das die Wahrnehmung einiger Leute. Süddeutsche.de fand , die Seite hinterlasse "dieses mulmige Gefühl", unter anderem wegen der Assoziation mit Stasi-Akten und Inhaltsarmut der Beiträge. Die "taz" schrieb , "solche Listen zu erstellen, ist sonst eher von Rechten bekannt", Vice nannte die Seite "eine Bäh-Liste" , und "ze.tt" schrieb von einem "merkwürdigen Beigeschmack" , denn "so klug sich die Argumente auch lesen, teilen sie die Gesellschaft doch klar in zwei Lager und lassen in Meinungsfragen nur ein Richtig zu."

Es macht verdammt viel Sinn, antifeministische Strategien und Argumentationen zu sammeln und Leuten zu erklären, was daran wie und warum falsch ist, auch weil bestimmte Positionen sich immer wieder als emanzipatorisch verkaufen wollen (die AfD hat zum Beispiel Plakate, auf denen steht, "Die Freiheit der Frau ist nicht verhandelbar"). Aber es ist mehr als schlechter Stil, das anhand von Personenlisten zu tun. Das Tragische: Eine solche Argumentationshilfe ohne Personenliste hat die Böll-Stiftung zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeitgleich zur "Agenti*in"-Seite veröffentlicht. Eine Broschüre, als PDF-Download  oder auf Papier lesbar, mit "Zwölf Richtigstellungen zu Antifeminismus und Gender-Kritik": lauter Erläuterungen und Gegenargumente zu Vorurteilen und Kampfbegriffen wie "Frühsexualisierung", "Gender-Ideologie" und vermeintlichem Männerhass. Die Broschüre kriegt nur - Magie des Internets - etwas weniger Aufmerksamkeit als die lästige, leicht klickbare Liste.

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