Hildegard Knef ist tot Deutschlands letzte Diva
Es war vor allem diese Stimme, die bis zuletzt faszinierte. Noch 1999 erschien ein neues Album von Hildegard Knef , "17 Millimeter". Sie hatte es gemeinsam mit dem hippen jungen Jazztrompeter Till Brönner aufgenommen, der sich zwar ohnehin als ehrfürchtiger Verehrer outete, aber auch ansonsten klug genug war, sich der Knef anzupassen. Denn sie konnte einfach nur die erste Geige spielen, und sonst gar nichts. Diven sind so.
Egal ob Hildegard Knef ein Interview gab oder ein Chanson sang, der Klang ihrer Stimme allein war schon so etwas wie Lebenseinstellung und Weltsicht. Spröde, durchaus sensibel, aber voller Selbstbewusstsein und ironischem Witz, ganz so, wie manche es gern mit Berlin assoziieren. Mit Chansons wie "Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen" oder "Heimweh nach dem Kurfürstendamm" intonierte sie zu Berliner Inselzeiten des Kalten Krieges den Soundtrack zum ambivalenten Lebensgefühl der damals geteilten Stadt. Auch dies ohne Pathos, aber mit Gefühl, Herz und dem Gespür für die richtigen Worte. Dabei war Hildegard Knef gar kein Kind der Spree, sondern wurde am 28. Dezember 1925 in Ulm als Tochter eines Prokuristen geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters wuchs sie in Berlin auf, wo sie mit 15 Jahren den ersten Schauspielunterricht erhielt.
Noch vor Ende des Krieges hatte Hildegard Knef nach Besuch der Filmschule in Babelsberg ihre ersten Engagements als Schauspielerin, 1944 in Harald Brauns "Träumerei" (ihr Auftritt war jedoch nie zu sehen), danach in den Filmen "Fahr ins Glück" und "Unter den Brücken", die jedoch erst nach Kriegsende in die Kinos kamen. Sie spielte auf der Theaterbühne Pagnol und Shakespeare, doch schon 1946 sah man sie wieder im Kino: In Wolfgang Staudtes Defa-Film "Die Mörder sind unter uns" dokumentierte Hildegard Knef frühzeitig den Qualitätsanspruch, der ihre weitere Filmarbeit bestimmen sollte. 1948 erhielt sie in Locarno den Festspielpreis als beste Schauspielerin für Ihre Rolle in "Film ohne Titel". Doch anschließend kehrte sie Deutschland den Rücken, heiratete den amerikanischen Filmoffizier Kurt Hirsch und zog in die USA.
Neben dem als "Skandalfilm" in die Geschichte eingegangenen Willi-Forst-Werk "Die Sünderin" von 1950 (eine kaum bemerkbare Nacktszene) drehte Hildegard Knef mit Regisseuren wie Anatole Litvak in den USA, sie machte Filme in Großbritannien und Frankreich. Dazu stand sie am Broadway in 675 Musicalvorstellungen ("Seidenstrümpfe" von Cole Porter) auf der Bühne: Vielseitigkeit war immer ihr Markenzeichen. Und Musik war ihre Zukunft.
"Die größte Sängerin ohne Stimme"
1963 startete Hildegard Knef ihre nächste Karriere als Chansonsängerin. Mit unverwechselbarer Stimme und vielen eigenen Texten, denn schon zu dieser Zeit erwies sie sich als begabte Autorin, die genau den richtigen Ton zwischen Ironie, einer Prise Weltschmerz und trotzigem Optimismus traf. "Die größte Sängerin ohne Stimme", wurde sie von ihrer Jazz-Kollegin Ella Fitzgerald noch 1995 genannt. Hildegard Knefs musikalischer Ruhm, der sich während der sechziger Jahre aufbaute, erwies sich als sehr dauerhaft.
1970 erlebte die Knef mit ihrem ersten Buch "Der geschenkte Gaul" einen herausragenden Bestseller-Erfolg. Der teilweise autobiographische Roman erzielte eine Auflage von über drei Millionen Exemplaren und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Es folgten "Ich brauch' Tapetenwechsel" (1972) und "Das Urteil" (1975), worin Hildegard Knef ihre Krankheitsgeschichte und ihren Leidensweg durch Krankenhäuser und Operationssäle schilderte. Trotz ihrer angegriffenen Gesundheit drehte sie auch in diesen Jahren Filme, unter anderem mit Billy Wilder ("Fedora" 1978). 1982 siedelte sie nach Hollywood über.
1986 ging Hildegard Knef noch einmal auf Deutschlandtournee, diesmal mit geteiltem Echo. Doch schon ein Jahr später landete sie mit einer Rolle im Musical "Cabaret" am Berliner Theater des Westens einen weiteren Bühnenerfolg. Im Herbst 1989 kehrte sie endgültig nach Deutschland zurück. Es folgten verschiedene TV-Rollen, und Wim Wenders engagierte sie für seinen Film "In weiter Ferne, so nah" (1993).
"Für mich soll's rote Rosen regnen" hieß dann eine Kino-Hommage über Hildegard Knef, die im Herbst 1995 in die Lichtspielhäuser kam. Wie sehr sie nach wie vor Publikum und auch Musikerkollegen faszinierte, hatte zuvor die deutsche New-Wave-Combo Extrabreit bewiesen, die eben jenen "Rosen"-Song in neuem harten Gewand aufgenommen hatten. Und die Knef fand's klasse. Hilde und die Band gaben gemeinsam eine Pressekonferenz: Die Lady war weitaus cooler als die Spätpunks und punktete die Rocker locker aus. Doch die Liaison funktionierte - die Rosen regierten bald aufs neue die Charts.
Es war Hildegard Knefs Markenzeichen und ihr Überlebensmittel, sich nie zu verbiegen und immer zu kämpfen. "Zu kämpfen ist es schon, wenn Sie ein Buch schreiben und alleine vor der Schreibmaschine sitzen. Es ist ein einsamer Kampf, auf der Bühne zu stehen, das heißt, für jeden Schauspieler, jeden Chansonsänger... Es ist ein harter Beruf, der viel abfordert von einem. Viel mehr als man ahnt.", sagte Hildegard Knef in einem Interview mit Johannes B. Kerner im Januar 2001.
Hildegard Knef starb am 1. Februar 2002 um zwei Uhr morgens in der Berliner Spezialklinik Heckeshorn an den Folgen einer akuten Lungenentzündung. Seit Jahren hatte die Diva an Krebs und einer Entzündung der Atemwege gelitten.