Humorforscherin Kotthoff "Frauen witzeln leichter über sich als Männer"

Frauen sind großartige Parodistinnen, wollen ihr Gegenüber aber lieber nicht mit fiesen Witzen verletzen. Die Humorforscherin Helga Kotthoff erklärt im SPIEGEL-ONLINE-Interview, worin sich der Humor der Geschlechter unterscheidet und warum Komikerinnen nicht hässlich sein dürfen.

SPIEGEL ONLINE: Frau Kotthoff, wo stößt das weibliche Lachen an seine Grenzen?

Kotthoff: Eindeutig beim Angriffshumor. Frauen sind schneller verletzt und verletzen auch nicht so gerne wie Männer. Das ist eine Frage von Alltagspraxis. Leute, die oft Witze erzählen, können das in der Regel auch gut. Genauso ist das mit dem Angriffshumor. Da hilft nur die Praxis.

SPIEGEL ONLINE: Und Männer sind besser im Training?

Kotthoff: Die Forschung sieht das so. Jungen nehmen gern einen anderen aus der Gruppe aufs Korn. Der wird herausgepickt und dann verbal provoziert. Und der kontert dann auch. Und wer gut kontern kann, der wird anerkannt. Diese Technik üben Frauen einfach weniger und sind deshalb auch weniger versiert darin.

SPIEGEL ONLINE: Haben Frauen denn überhaupt Humor?

Kotthoff: Ja klar, haben sie. Humor ist eine ziemlich große Schublade. Frauen witzeln tendenziell leichter über sich, als Männer das tun.

SPIEGEL ONLINE: Und wo liegt die Domäne der Damen?

Kotthoff: Im Parodiebereich. Das fängt schon damit an, dass man anderen erzählt, was sich der Chef heute wieder geleistet hat, und dabei macht man den Chef dann nach. Das ist Parodie im Alltag, aber es gibt ihn auch auf der Comedy-Bühne. Anke Engelke ist ein großes Parodietalent.

SPIEGEL ONLINE: Aber immer noch die Ausnahme.

Kotthoff: Wir wissen, dass der Humor von Kindern sich etwa im Schulalter auseinander entwickelt. Jungen machen plötzlich immer mehr Scherze auf Kosten anderer, Mädchen mehr auf eigene Kosten.

SPIEGEL ONLINE: Die Geschlechter verlegen sich auf den Humor, mit dem sie sozial erfolgreich sind?

Kotthoff: Ja, genauso ist es. Es ist ja nie nur der komische Akt allein von Bedeutung, sondern immer auch das soziale Umfeld. Wenn der Chefarzt bei der Visite einen flauen Witz macht, dann lachen die Umstehenden mehr, als wenn die kleine Krankenschwester einen Brüller landet. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Die Hierarchie ist beim Humor ganz wichtig.

SPIEGEL ONLINE: Wie hat sich die Emanzipation auf den weiblichen Humor ausgewirkt?

Kotthoff: Erst einmal bei den Themen. Wer komisch ist, nimmt sich die Souveränität, Normen zu brechen. Die britische Komik-Legende "Mr. Bean" verletzt zum Beispiel Hygiene-Normen, in dem er sich in den Zähnen pult. Wir haben keinen weiblichen "Mr. Bean". Warum nicht? Weil eine solche Figur keine Resonanz hätte. Wir mögen solche Frauen nicht.

SPIEGEL ONLINE: Wie kommt es, dass viele der erfolgreichsten Komiker homosexuell sind?

Kotthoff: Es ist auffallend, wie viele Komikerinnen lesbisch sind. Und die, die es nicht sind, haben so viel Selbstbewusstsein, dass ihnen ihr Äußeres egal ist. Alle diese Frauen brechen rigoros Weiblichkeitsklischees. Darin liegt ihr Erfolg.

SPIEGEL ONLINE: Komische Frauen sind nicht sexy?

Kotthoff: Es gibt diese These. Aber Frauen erleben amüsante Männer als sexy. Als attraktive Frau können Sie einen Abend mit Sätzchen wie "Ach ja?" oder "Oh, wie interessant" prima überstehen. Ein Mann kann das nicht.

SPIEGEL ONLINE: Zeit für einen Frauen-Witz.

Kotthoff: Na gut: Wo steht es am nächsten Tag zu lesen, wenn ein Mann seine Frau vom Balkon gestoßen hat? Antwort: In der "Bild". Und wo steht es, wenn eine Frau ihren Mann geschubst hat? In "Schöner Wohnen".

Das Interview führte Joachim Kronsbein

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten