"Vermännlichung" der Medien
Initiative ProQuote rügt Nannen-Preis-Vergabe
30 Preisträger - alles Männer: Die Journalistinnen-Initiative ProQuote rügt in einer Mitteilung die Vergabe des Henri-Nannen-Preises. Die Jury gehe offenbar davon aus, dass nur Männer Qualitätsjournalismus abliefern können.
"Überraschend auch, wie klar aus der Jury-Entscheidung hervorging: Qualität ist männlich," heißt es in einer Mitteilung von ProQuote. Aus einer Auflistung der Geschlechterverhältnisse in Vorjury, Jury, Nominierten und Preisträgern gehe hervor, dass der prestigeträchtige Journalistenpreis in allen Bereichen von Männern dominiert werde. Unter den Nominierten seien bei einem Verhältnis von 28 Journalisten zu vier Journalistinnen 88 Prozent der Köpfe männlich - und bei den Preisträgern schließlich sogar 100 Prozent.
"Männer sind die Besten"
Quote beim Nannen-Preis
Köpfe m/w
Männerquote in Prozent
Vorjury
17:5
78
Jury
12:3
80
Nominierungen
11:4
74
Nominierte
28:4
88
Pressefreiheit
1:0
100
Lebenswerk
1:0
100
Preisträger
30:0
100
"Die Veranstaltung hatte Klasse," kommentiert ProQuote ironisch in der Mitteilung, sie trägt den Titel "Männer sind die Besten": "Es gab wie immer viele lustige Sketche über Journalisten, tanzende und singende Reporterdarsteller und originelle Bemerkungen über das Kleid der Moderatorin." Das ist vor allem deshalb aufsehenerregend, weil Frauen an anderer Stelle schlichtweg keine Rolle spielten. ProQuote verlangt, dass die Nannen-Jury je zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt sein sollte.
Generell fordert die Initiative gemeinsam mit Lesern und Zuschauern, dass mindestens 30 Prozent der journalistischen Führungspositionen mit Frauen besetzt sein sollen, heißt es auf der Website von ProQuote - bislang liege die Quote aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen bei lediglich zwei Prozent.
Zu den Unterzeichnern der Forderung gehören unter vielen anderen die ARD-Talkerinnen Anne Will und Sandra Maischberger, RTL-Krisenreporterin Antonia Rados, taz-Chefredakteurin Ines Pohl und RBB-Intendantin Dagmar Reim, aber keinesfalls nur Frauen. Auch zahlreiche männliche Kollegen haben sich dem Aufruf von ProQuote angeschlossen, darunter beispielsweise TV-Moderator Ranga Yogeshwar, WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, die SPIEGEL-Redakteure und diesjährigen Nannen-Preisträger Alexander Smoltczyk und Cordt Schnibben sowie SPIEGEL-ONLINE-Autor Sascha Lobo.
Im vergangenen Jahr hatte es schon einen Eklat gegeben, als die Jury des Henri-Nannen-Preises SPIEGEL-Redakteur René Pfister den Preis für die beste Reportage aberkannte. Der Journalist hatte zunächst die Auszeichnung für sein Stück "Am Stellpult" über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer erhalten (hier geht es zum Text als HTML-Fassung, hier zur PDF-Fassung).