
S.P.O.N. - Der Kritiker Das Ende des Medienmonopols

Die Welt, wenn es sie je gegeben hat, verschwindet. Oder anders: Es gibt nicht mehr die eine Welt, es gibt 1000 Welten, mindestens.
Anspruch und Anmaßung der alten Medien waren es, diese eine Welt, die es möglicherweise nie gab, erst zu konstruieren und sie dann zugänglich zu machen, erklärbar, handhabbar.
Das ist vorbei, und das ist gut so: Monopole des Wissens sind schädlich und gefährlich, und das, was gerade vor allem mit Print passiert, ist wie in Platons Höhlengleichnis - das, was man für die Welt hielt, waren nur die Schatten einer möglichen anderen Welt.
Wie aber reagieren die Menschen auf so einen Schock der Erkenntnis? Die einen rufen "Lügenpresse, auf die Fresse" und sind für ein Abendland, das es so nie gab; sie suchen sich im Internet ihre eigene Welt und wirken froh, wie sie da so symbolisch das ganze Projekt der Aufklärung über Bord werfen.
Andere dagegen erkennen den Reichtum der neuen Welt, und die Veränderung, die andere elementar verunsichert, elektrisiert sie, weil sie sehen: Nie war die Welt so groß wie heute, nie gab es so viel zu wissen, so einfach, so schnell, auch das dank des Internets, das eine große Lügen- und eine große Wahrheitsmaschine zugleich ist.
Credo der "kreativen Zerstörung"
Diesen Widerspruch muss man aushalten. Wird das Gespräch also zerstört oder erst ermöglicht durch das Internet? Beides, anders: Die Konversation wird neu geschaffen, neu strukturiert, neu definiert.
Alte Kontrollmechanismen fallen weg: Wer bestimmt, was Politik ist? Wer sagt, was wichtig ist? Das Unbehagen an den Kriterien der routinierten Bedeutungsfabriken und ihrem lethargischen Selbsterhaltungstrieb erhält mit jedem ARD-Brennpunkt neue Gründe.
Das ist der emanzipatorische, der aufklärerische Kern dessen, was gerade passiert: Das Alte muss sich rechtfertigen, muss zeigen, dass es wert ist zu überleben, durch Qualität, durch Ideen, durch Intelligenz.
Das ist das Credo der "kreativen Zerstörung", das die digitale Revolution antreibt - das Problem ist, dass das Alte vor dem Neuen in existenzieller Erstarrung verharrt, schockiert über das eigene Schicksal und die profunde Ungerechtigkeit der möglichen technologischen Auslöschung.
Angst vor der Zukunft
Das Internet ist in dieser Sicht der Dinge eine ökonomische Riesensaftpresse für die alten Medien: Irgendwann ist nur noch die Hülle, ist nur noch die Schale übrig. Bei "Brigitte" und "Geo" sind sie diesen Weg schon gegangen, sie betreiben dort nun Simulationsjournalismus, der darauf basiert, dass der Leser und die Leserin schon noch eine Weile glauben werden, bedrucktes Papier sei per se guter Journalismus.
Bei der "Frankfurter Allgemeinen" wiederum haben sie seit diesen Tagen einen neuen Herausgeber, den Nachfolger des verstorbenen Frank Schirrmacher, und die "Zeit" sprach etwas selbstberuhigend davon, dass die Berufung von Jürgen Kaube ein Zeichen der "Konsolidierung" sei - was nur stimmt, wenn man auch rollende Murmeln auf einer schiefen Bahn für ein Zeichen für Stabilität und Verlässlichkeit hält.
Es ist unklar, wie lange die "Frankfurter Allgemeine" ihr jährliches Millionendefizit noch überleben kann - und das ist auch der Hintergrund für die sehr weitreichende Entscheidung, alle Kulturkorrespondenten im Ausland - mit einer eher nostalgisch begründeten Ausnahme - in die Frankfurter Zentrale zurückzuholen: Angst.
Denn egal, was man von den einzelnen Korrespondenten hält, eines ist klar: Der Journalismus in dieser Zeitung wird damit nicht besser, sondern schlechter - weniger Moskau, Beijing und New York, weniger politisch-feuilletonistische Welterklärung, dafür mehr Rezensionen, Museumskultur, Weltverklärung.
Inhalte in der Krise
Es ist ein tiefer Einschnitt, weil damit eine grundsätzliche Veränderung des journalistischen Selbstverständnisses verbunden ist: mehr bürgerliche Verpuppung, mehr kultivierter Rückzug, weniger Neugier, Welthunger, Erfahrung und Anschauung - das also, was einen die Gegenwart verstehen lehrt.
Die Welt, mit anderen Worten, die die "Frankfurter Allgemeine" für immer mehr Geld bei immer sinkender Auflage verkauft, wird kleiner - wo sie doch gerade größer werden müsste, tiefer, kontroverser, aufregender.
Kleiner wird die Welt aber auch in gewisser Weise durch das Internet, zersplittert, automatisiert, fragmentiert, durch Chats, den Facebook-Algorithmus, alle möglichen Foren und Unterforen: Wenn nur Freunde Freunde sind, wird die Welt durch Applaus ersetzt.
Das reale Draußen wird dann zum digitalen Drinnen: Der Weltinnenraum, in dem man es sich so Pegida-möglich einrichtet, wie es nur geht.
Denn das ist die fatale Mechanik der derzeitigen Situation: Die Krise der Medien ist längst eine Krise der Inhalte geworden.