Jungsammlerin Stoschek Befreiung aus der Püppchenrolle

Videokunst gilt als schwer vermittelbar. Doch nun hat die junge Sammlerin Julia Stoschek ihr ein eigenes Privatmuseum bauen lassen. Die angereiste Kunstprominenz zeigte sich beeindruckt von der perfekten Präsentation.
Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

Mumpfy ist an allem schuld. Als Julia Stoschek während eines Sonntagsspaziergangs im November 2004 durch Düsseldorf streifte, zog ihre Mischlingshündin sie in einen abgewrackten Hinterhof im Stadtteil Oberkassel. So entdeckte die junge Kunstsammlerin ein leer stehendes Industriegebäude, wie sie es schon lange gesucht hatte. Für Julia Stoschek war sofort klar: Dies sollte der Ort für die öffentliche Präsentation ihrer stetig wachsenden Medien-Kunstsammlung sein. Noch am selben Tag gelang es der energiegeladenen Jungsammlerin - sie wurde 1975 im oberfränkischen Coburg geboren - mit den Besitzern des Gebäudes Kontakt aufzunehmen und schon wenige Stunden später einen Besichtigungstermin zu vereinbaren.

Rund zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen. Doch nun ist es so weit. Vor rund 600 geladenen Gästen wurde die "Julia Stoschek Collection" eröffnet. Gekommen waren alle, die in der rheinischen Kunstszene Rang und Namen haben: Sammler, Kuratoren, Künstler, Galeristen, Museumsleute und natürlich auch Stoscheks Lebensgefährte, der Fotokünstler Andreas Gursky. Doch auch aus München oder Berlin war viel Kunstprominenz an den Rhein gereist. Der Termin in Düsseldorf war der glamouröse Schlussakkord der "Grand Tour 2007", die das entdeckungsfreudige Kunstvölkchen in den letzten zwei Wochen von Venedig über Basel nach Kassel und nach Münster geführt hatte. Einer Einladung bei Julia Stoschek folgt der Kunsttross gerne. In Berlin lädt die gelernte Betriebswirtin und Mitgesellschafterin eines großen Autozuliefererunternehmens regelmäßig zu ihren "Kunstsalons" ein. Ihr jetziges Bekenntnis zu Düsseldorf bezeichnet sie als "antizyklisch". Schließlich gingen derzeit ja alle nach Berlin.

Das Echo auf das privates Ausstellungshaus war durchweg positiv. Man war sich einig: Unter derart perfekten Ausstellungsbedingungen, wie sie diese Privatsammlung in ihren neuen Räumen zu bieten hat, können öffentliche Institutionen wie Museen oder Kunstvereine heute kaum noch Kunst präsentieren. Zu groß sind die technischen Anforderungen, zu bescheiden die Räume und zu fordernd sind manche Künstler und Galeristen, die ihre Arbeiten nur noch dann hergeben wollen, wenn sie unter optimalen Bedingungen gezeigt werden.

Zusammenstellen, nicht kuratieren

"Number One: Destroy, she said", lautet der Titel der Erstpräsentation in den 2500 Quadratmeter großen Ausstellungsräumen. 39 Arbeiten, rund ein Zehntel ihrer 400 Werke umfassenden Sammlung also, hat Stoschek für diese Ausstellung selbst zusammengestellt. Den modischen Ausdruck "kuratieren" vermeidet sie lieber.

"Videoarbeiten erfordern Zeit und die Bereitschaft, sich länger mit ihnen auseinanderzusetzen", sagt sie. Das Berliner Architekturbüro Kühn Malvezzi hat das denkmalgeschützte Fabrikgebäude so umgebaut, dass eine intensive und besucherfreundliche Annäherung an ihre Sammlung möglich ist.

Die Architekten entwarfen eine Raumfolge, die den Anforderungen des Mediums Video gerecht wird. Intime Kabinette wechseln sich ab mit großen Freiflächen. Hier darf dann auch einmal eine Spiegelinstallation des in Berlin lebenden Dänen Jeppe Hein stehen. Und sein Landsmann Olafur Eliasson öffnet den Blick nach draußen, indem er in eine 36 Meter lange Wand 35 dreieckige Öffnungen einlässt, die kaleidoskopartige Spiegelsysteme enthalten. Über den beiden Ausstellunsgetagen befinden sich auch die loftartigen Privaträume der Sammlerin, gekrönt von einer imposanten Dachterrasse mit einem eleganten Glaspavillon des amerikanischen Künstlers Dan Graham.

Eintritt frei

Für das Publikum geöffnet sind jedoch nur die Sammlungsetagen und ein Kinosaal im Keller des Gebäudes. Jeden Samstag können sie nach Voranmeldung besichtigt werden. Der Eintritt ist frei, und eine Gratisführung gibt es auch noch dazu. Anders als andere Sammler hat sich Stoschek ganz der als schwer vermittelbar geltenden Medienkunst verschrieben: Videoarbeiten, Fotografien, Filme und Installationen machen den Großteil ihrer Sammlung aus. Beim Rundgang wird klar: Die Sammlerin hat eine ganz klare Vorstellung davon, was sie in ihre Sammlung aufnimmt. Sie setzt auf Arbeiten von hoher Qualität und berührender Schönheit, die sich mit existenziellen Themen, mit Dauer und Prozesshaftigkeit auseinander setzen und formal perfekt umgesetzt sind.

Große Videoinstallationen wie die Titel gebende Arbeit von Monica Bonvicini oder die optimal auf transluzenten Wänden präsentierte 3-Kanal-Videoinstallation "Interiors" (2002) von Doug Aitken sind sicherlich Höhepunkte der Schau. Bonvicinis "Destroy, she said" (1998) besteht aus zusammenmontierten Filmausschnitten der sechziger Jahre, in denen Frauen von männlichen Regisseuren als verängstigte kleine Dummchen dargestellt wurden. Und das zu Zeiten des Autorenkinos, das dem Establishment selbstbewusst entgegentrat.

Die Befreiung aus der Püppchenrolle und das selbstbewusste Auftreten von Frauen liegen Julia Stoschek am Herzen. Die meisten ihrer Sammlerkollegen sind schließlich älter als sechzig, männlich und keineswegs uneitel. Stoscheks Vorbild sind da eher gestandene Kunstladys wie die Münchnerin Ingvild Goetz und die Berlinerin Erika Hoffmann. Auch deren Sammlungen verstauben nicht hinter zugezogenen Vorhängen. Sie können ebenfalls nach Voranmeldung besichtigt werden.

Julia Stoschek ist wichtig, historische Referenzarbeiten zu zeigen. Im zweiten Stock zum Beispiel, ist die für die Anfänge der Videokunst extrem wichtige Arbeit "Spiral Jetty" (1970) des Amerikaners Robert Smithson zu sehen. Eine riesige Spirale aus Felsen wird hier von Baggern aufgeschüttet. Außerdem zu sehen sind Klassiker von Gordon Matta-Clark und Bruce Nauman oder dem Duo Marina Abramovic/Ulay. Die Sammlerin hat aber auch ein Faible für eher kontemplative neuere Arbeiten: So zeigt der Amerikaner Paul Pfeifer in Echtzeit Wespen beim Bau ihres Nestes. Wer das Video "Empire" (2004) in voller Länge sehen will, müsste sich für längere Zeit im Ausstellungsraum einquartieren: Es dauert ganze drei Monate.


Julia Stoschek Collection : "Number One: Destroy, she said", 23.6. 2007 bis Frühjahr 2008. Besichtigung Samstags 11-16 Uhr, nur nach Voranmeldung.

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