Kanzlerbild Der glorreiche Siebte
Berlin - Da hängt es nun. Linksaußen. Das siebte Bild in der Reihe der Altkanzler der Bundesrepublik Deutschland. Gerhard Schröder, golden gemalt von Jörg Immendorff. Daneben ist noch Platz, für genau ein Porträt im Kanzleramt. Schröder steht am Pult, er bedankt sich herzlich, dann setzt er ein Lächeln auf, vom dem man weiß, dass nun eine kleine Spitze folgen wird. Er wendet sich an Angela Merkel.
"Wann auch immer", sagt Schröder, und die Freude will gar nicht weichen aus seinen Gesichtszügen, eines Tages werde "sie möglicherweise neben mir hängen". Die Kanzlerin lacht, auch die Journalisten tun es, die Mitarbeiter aus dem Kanzleramt, die Schröder aus alten Zeiten kennen und hinter den Absperrungen Kameras in Händen halten.

Merkel, Schröder: Traumpaar der deutschen Politik?
Foto: REUTERSEs ist ein Auftritt wie in alten Zeiten. Gerade zwei Jahre ist es her, da ging Schröder hier noch ein und aus. Damit nun aber angesichts der allgemeinen Heiterkeit keine Missverständnisse aufkommen, sagt er zu den Journalisten: Nicht, dass man ihn und Merkel zum "Traumpaar der deutschen Politik" stilisiere, wenn sie da beide eines Tages nebeneinander zu sehen seien. Man solle da doch nur an die "Diskussionen" denken, die sie miteinander hatten.
Das ist natürlich eine glatte und sehr charmante Untertreibung. Wer erinnert sich nicht an die Fernsehbilder aus der Wahlnacht im September 2005, als ein rüpelnder Noch-Kanzler der Nation klar machte, dass die CDU-Kandidatin Merkel niemals seinen Stuhl beerben würde. Es ist dann alles ganz schnell ganz anders gekommen.
Die Noch-Kanzlerin Merkel ist an diesem Tag nicht weniger aufgeräumt. Die Große Koalition mache es ja nun möglich, dass Schröder ein "paar Kameraden" mitbringen könne und sich nicht "ganz so fremd fühle". Auch das sitzt. Ihr Blick geht zu Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering, enge Weggefährten des Merkel-Vorgängers aus Zeiten von Rot-Grün. "Wir sind eben universell einsetzbar", ruft Schröder zurück. Auch die Leere neben Schröders Portrait kommentiert die Kanzlerin mit einer kleinen ätzenden Bemerkung: So werde das Bild "nicht gleich erdrückt".
Das Bild Immendorffs hat Schröder als Schenkung dem Kanzleramt überlassen. Dass die Kanzler überhaupt gemalt und ausgestellt werden, damit hatte 1976 Helmut Schmidt begonnen. Alle Nachfolger haben sich daran gehalten. Kanzleramtschef Thomas de Maizière erinnert an Schmidts Diktum, wonach mit der Galerie "die Kontinuität der Demokratie" sichtbar gemacht werden soll. 1999, nach dem Umzug vom Rhein an die Spree, hingen die Bilder zeitweise im provisorischen Amtssitz Schröders, dem ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude.
Im Mai 2001 folgten sie dann in den Neubau des Kanzleramtes. Bereits in der Planungsphase des Gebäudes hatte Kohl verfügt, die Porträts müssten einen würdigen Platz erhalten. Da hängen sie nun alle im "Foyer Nord": Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder.
Eines fällt auf: Das Portrait von Immendorff wirkt nicht so martialisch wie auf den ersten Fotos, die im Frühjahr in der "Bild" zu sehen waren. Deutschlands größtes Boulevardblatt hatte das Porträt im Januar auf der Titelseite abgedruckt, nach einem exklusiven Termin im Atelier des Künstlers, an dem Chefredakteur Kai Diekmann teilhaben durfte. Sechs Monate später im Kanzleramt wirkt es im Original fast bescheiden, trotz des goldenen Glanzes. Eines kann man dem Werk nicht absprechen: im Stil eines Medaillons gemalt, fällt es aus der Reihe der Abgebildeten. Vor allem die Porträts von Kiesinger, Erhard und Brandt wirken dagegen blass.
Es ist eine Runde von Bekannten, die sich neben Steinmeier und Müntefering im Kanzleramt eingefunden hat. Ex-Regierungssprecher Bela Anda ist dabei, die Witwe Immendorffs Oda Jaune, selbst eine bekannte Malerin, "Bild"-Chefredakteur Diekmann, der Galerist Michael Werner und Martin Krug, Ehemann von Veronica Ferres. Das Ehepaar war im März dabei, als der todkranke Immendorff sein Porträt im Düsseldorfer Atelier an Schröder offiziell übergab. Vieles haben seine Gehilfen ausgeführt, damals war der Künstler schon schwerkrank, Ende Mai verstarb er.
Schröder verband mit Immendorff, der in den Siebzigern einer maoistischen Kaderpartei angehört hatte, eine Freundschaft. Als Rot-Grün die Wahlen im September 2005 verlor, ließ er es sich nicht nehmen, als Noch-Kanzler eine große Werkschau in Anwesenheit Immendorffs in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu eröffnen.
Im Kanzleramt lässt sich seine Witwe Oda Jaune, Arm in Arm, mit Schröder ablichten. Mit Immendorff habe die Bundesrepublik Deutschland eine ihrer "größten Künstlerpersönlichkeiten verloren", sagt Kanzleramtschef de Maizière. Aber das sind nur kurze Momente des Pathos. Die Runde begeht die Bildübergabe in überaus heiterer Stimmung, wie es wohl auch Immendorff gefallen hätte. So erinnert denn der Kanzleramtschef daran, dass die Porträtierten alle keine Namensetiketten trügen. Das gebe vor allem jüngeren Besuchergruppen häufig Rätsel auf und führe so zu einem "lebendigen Geschichtsunterricht", merkt der CDU-Politiker scherzend an.
Es ist Merkel, die am Ende die Runde mit einem letzten Seitenhieb auf ihren Vorgänger entlässt. Man habe die Dinge nun "komplettiert", und die Besucher bräuchten nun nicht mehr zu fragen: "Warum wird Schröder nicht aufgehängt?"
Es ist ein doppeldeutiger Scherz, derb, aber ganz offensichtlich nach dem Geschmack des Ex-Kanzlers. Schröder lacht und lacht. Und mit ihm die versammelte Schar.