Kasimir Malewitsch Auf dem Maskenball der Malerei

Von der Geometrie der Welt bis zu Arbeitern und Bauern ohne Gesicht - in der Kunsthalle Bielefeld wird erstmals Kasimir Malewitsch' ungewöhnliches Spätwerk gezeigt.
Von Jürgen Werth

1927 beteiligt sich der Maler an einer großen Berliner Ausstellung - und muss abrupt die Heimreise nach St. Petersburg antreten. Seine Bilder blieben zurück. Der Künstler wurde zum Maler ohne sein Werk, das in Berlin den Krieg überdauerte und heute als Spätwerk angesehen wird. Erstmalig ist es nun in der Kunsthalle in Bielefeld zu sehen.

Malewitsch war der Schöpfer des "Suprematismus", Herr über Kreise, Dreiecke und Quadrate und schon deswegen den Kunstkommissaren des Sozialistischen Realismus suspekt. Ein Mann, der statt Arbeiterfäuste in Öl ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund malt, musste zwangsläufig Probleme bekommen. Bei einigen Werken bekommt man den Eindruck, die Verhöre, denen der Maler Anfang der dreißiger Jahre ausgesetzt gewesen war, hätten Früchte getragen. Als wollte er den Kommissaren in die Parade fahren, zog er seinen geometrischen Formen Arbeitshosen und -jacken an. Zu sehen sind Arbeiter und Bauern in voller Montur - aber ohne Gesicht.

Kunst habe aus absoluten Formen zu bestehen. Sie müsse ohne jeden Gegenstand auskommen. Als Inhalt kennt sie nichts als sich selbst. Drei Maxime, die der in Kiew geborene Maler Kasimir Malewitsch sich auf die Fahnen geschrieben hat, von denen aber in Bielefeld nicht allzuviel zu sehen ist. Dort hängen Bilder, die man glaubt von anderen Malern zu kennen: Da ist zum Beispiel eine Blumenverkäuferin, ein Porträt in impressionistischer Manier, fast wie von Monet. Und rechts unten dann das Entstehungsjahr: 1903. Heute ist bekannt, dass der Künstler es 1930 malte und zurückdatierte. Malewitsch auf dem Maskenball der Malerei, als Impressionist verkleidet, um dem Stalinismus ein Schnippchen zu schlagen?

Daneben hängen Werke, die an Cézanne erinnern, an Matisse und Hodler. Alles scheinbar vor 1910 entstanden - laut Jahresangabe auf der Leinwand -, in Wahrheit aber zwischen 1929 und 1934. Eines der schönsten Bilder von Malewitsch ist auch eines seiner letzten: ein junger Mann im Zirkus-Trikot; wir kennen ihn aus Picassos Frühwerk. Blickt man dem Gaukler in die Augen, dann entdeckt man in der Pupille links eine Grundform des Suprematismus: das schwarze Kreuz - und rechts einen schwarzen Kreis.

Kunsthalle Bielefeld
Artur-Ladebeck-Str. 33602 Bielefeld
Tel. 0251/ 51 24 79
Fax 0251/ 51 34 29


Tägl. außer Mo 11-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr

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