
Donaldisten-Kongress: Blubberlutsch!
Kongress der Donaldisten Von Donald über Trump lernen
Quizfrage: Wie lange würde Donald Duck brauchen, um die Führerscheinprüfungen für all die Autos, Lastwagen, Züge, Schiffe, Flugzeuge und sogar Raumschiffe abzulegen, die er in den Comics von Carl Barks steuert?
Jan Landmann stellt diese Frage ins Publikum, er steht vor etwa 200 Menschen in einem holzverkleideten Saal im Berufsförderungswerk Hamburg. Landmann ist Präsident der D.O.N.A.L.D., der "deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus", die sich zum jährlichen Kongress trifft. Sein Vortrag trägt den Titel: "Das Führerschein- bzw. Nichtführerscheinwesen in Entenhausen". Immer wieder schallt es "Hört, hört" und "Klatsch, klatsch" aus dem Publikum, Applaus in Sprechblasen. Eine NDR-Reporterin fragt einen älteren Mann: "Das ist aber schon ein bisschen nerdig hier, oder?" Der Mann überlegt einen Moment, dann fragt er: "Was heißt das, nerdig?"
Ist ja kein Witz
Die D.O.N.A.L.D., das ist die Elite der Erforschung von Entenhausen. Man muss sich die Methode der Donaldisten so vorstellen: Die von Carl Barks gezeichneten und von Erika Fuchs ins Deutsche übersetzten Comics betrachten sie nicht als Geschichten, sondern als Berichte aus einer unbekannten Parallelwelt. Mit Akribie und Lust am Nonsens gleichermaßen untersuchen sie die Gesetzmäßigkeiten der Stadt; der Eröffnungsvortrag des Kongresses nennt sich etwa: "Zum Zusammenhang von Erschütterungen und nichtorganischen Psychosen im Kontext des Entenhausener Establishments". Etwas später wird der FAZ-Feuilletonist Patrick Bahners eine philosophische Abhandlung vorlegen, Titel: "Die Bedeutung des Angelsports für die Gerechtigkeitstheorien der Stadt Entenhausen".
Die Wissenschaftssatire der Donaldisten ist ein vergnüglicher, wenn auch ein sehr akademischer Zeitvertreib. In diesem Jahr ist sie aber vielleicht noch mehr. Seit Kurzem ist ein Mann Präsident der USA, der selbst aussieht, als wäre er einem Comic entstiegen: mit einer Frisur wie ein Goldfasan und einer Gesichtsfarbe wie eine Mandarine. Das alles ist ja kein Witz: Trump, der Immobilientycoon, ist US-Präsident. Sein Sprecher, Sean Spicer, hat als Osterhase im Weißen Haus gearbeitet. Es könnte so witzig sein. Wenn es nicht zum Fürchten wäre.
Der Kulturkritiker Georg Seeßlen hat jüngst in einem Essay auf die Verwurzelung des Trumpismus in der Pop-Kultur hingewiesen, auf seinen Ursprung in Comics und Castingshows. Trumpismus sei, so Seeßlen, die Kunst, den politischen Diskurs nach den Regeln der Unterhaltungsindustrie aufzulösen: "Es müssen Bilder her, wo Texte waren, es muss Mythos her, wo Geschichte war, es müssen Emotionen her, wo Logik war." Donald Trump betreibt die Cartoonisierung der Wirklichkeit.
Vom Donaldismus über Trumpismus lernen
Wenn diese aber zum Cartoon wird, dann ist das, was die Donaldisten machen, nicht mehr nur Persiflage. Dann wird ihre Methode plötzlich zum Instrument der Gegenwartsdiagnose. Dann lässt sich vom Donaldismus etwas über den Trumpismus lernen. Also mal einen Blick ins Programmheft werfen. Tatsächlich. Vortrag Nummer drei, Peter Jacobsen, "Gefühlte Wahrheiten oder die unerträgliche Leichtigkeit des Postfaktischen".

Peter Jacobsen: "P.f.u.i.!"
Foto: Maximilian KalkhofIn seinem Vortrag führt Jacobsen virtuos durch die politische Ideengeschichte und bedient sich spielerisch bei Denkansätzen von Theoretikern des 20. Jahrhunderts, etwa Pippi Langstrumpf ("große Denkerin") und Edmund Stoiber ("Informationsphilosoph"). Schnell kommt er zu dem Schluss, dass Entenhausen eine durch und durch postfaktische Gesellschaft ist. Jacobsen will zwei Dinge: erklären, woher die Postfaktizität kommt. Und diese messbar machen. Schließlich kann man in Entenhausen auch die Wuppdizität von Gummimatten messen.
Den Grund dafür, dass in Entenhausen gefühlte Wahrheiten überwiegen, macht Jacobsen in der Naivität, der Inkompetenz und der geistigen Überforderung der Bewohner aus. Man denke etwa an Donald Ducks Ausspruch: "Nein, tu das nicht. Die sind zu zweit, und wir beide sind ganz allein." Die persönliche Inkompetenz mündet schließlich in institutionellem Versagen. So ist alles, was ein Funker in Entenhausen in einer zweijährigen Ausbildung lernt, das Morsen des SOS-Signals. Jacobsen spricht sogar - Hört, hört - von organisiertem Versagen, er nennt das eine "auffällige Häufung organisierter Inkompetenz".
Entscheidend sei es nun, die Unanständigkeit, die hinter einer Unwahrheit steckt, zu ermessen und zu benennen. Jacobsen führt dafür den "postfaktischen Unanständigkeitsindex" ein, kurz: "P.f.u.i.". Dieser beginnt bei einem Irrtum und endet bei einer Lüge. Wobei, falsch, er endet nicht bei einer Lüge, er ist nach oben hin offen. Böswilliger Bullshit bekommt deshalb das Etikett "B.l.u.b.b.e.r.l.u.t.s.c.h.": "Bemerkenswert langfristiger und besonders bedauerlicher Einsatz von Räuberpistolen, Lug, Trug und Schwindelei".
Der Regisseur Orson Welles hat einmal gesagt: "Beliebtheit sollte kein Maßstab für die Wahl von Politikern sein. Wenn es auf die Popularität ankäme, säßen Donald Duck und die Muppets längst im Senat." Von den Donaldisten lernen, heißt also vielleicht: Beliebte Populisten wie Donald Trump ernst nehmen, ihnen zuhören, und ihnen dann antworten, nüchtern und in aller Seriosität: Blubberlutsch.
Übrigens, rechnet man die Zeit zusammen, die Donald Duck nach deutscher Rechtslage bräuchte, um die Führerscheine für all die Autos, Lastwagen, Züge, Schiffe, Flugzeuge und Raumschiffe zu erlangen, kommt man auf 32 Jahre. Klatsch, klatsch.