Kreditkrise bei Maybrit Illner Die Ackermann-Show

Deutschlands Oberbanker auf der TV-Anklagebank: In der Talkrunde von Maybrit Illner sollte sich Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann für die globale Finanzkrise verantworten. Aus der angekündigten harten Fragestunde wurde jedoch ein Krisengeplauder mit wenig Biss.

Einem einzelnen Gast eine 45-minütige Sendung zu widmen, ist ein Experiment. Für Josef Ackermann, Deutschlands schillernden Oberbanker, wagt man das schon mal. Der Mann, der 13 Millionen Euro im Jahr überwiesen bekommt und sich nicht scheut, Rekordgewinne und Massenentlassungen in einem Atemzug bekannt zu geben, verspricht Quote; der kann selbst beim staubtrockenen Thema Finanzen die Gemüter zum Kochen bringen, so war wohl das Kalkül der ZDF-Redakteure.

Die geplante Rollenverteilung wird schon beim etwas holprigen Sendungs-Titel von Maybrit Illners Talk (Ausstrahlung Donnerstagabend um 22.45 Uhr) klar: "Kapital ohne Gewissen. Harte Fragen an Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann." Der Banker soll jetzt mal geradeheraus sagen, was dem deutschen Kleinsparer so blüht. Er sitzt auf der Anklagebank, stellvertretend für all die profitgierigen Manager, die mit ihrer risikoreichen Geschäftemacherei das ganze internationale Finanzsystem ins Wanken gebracht haben. Die daran Schuld sind, dass in England Kunden vor der tief in die Krise gestürzten "Northern Rock"-Bank kampieren müssen, um ihr hart erspartes Geld noch rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können.

"Wann sehen wir solche Bilder in Deutschland?", hält Illner Ackermann also professionell-provokant entgegen. Ackermannn sitzt auf einem offensichtlich unbequemen Stuhl mit Lehnen wie ein Bittsteller beim Amt, die Schultern ein bisschen hochgezogen, anlehnen geht nicht richtig. Dauernd umkreist ihn die Kamera, als wäre er ein seltenes, nicht unbedingt sympathisches Tier.

Aber natürlich hat auch Ackermann einen Plan für seinen großen TV-Auftritt: Er will den Deutschen die Angst nehmen. Wie ein Märchenonkel erklärt er also erst einmal, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Da habe es ja "ein bisschen ein Problem" gegeben mit den zweitklassigen Subprime-Krediten in den USA. Dann sei die Krise eben nach Europa gekommen. Ein "Schwächeanfall des Systems", gibt er zu. Wirklich schlimm sei es aber nicht. Er spricht über die Abermilliarden, die Notenbanken in die internationalen Märkte pumpten, in einem Tonfall, als passiere das jede zweite Woche.

Die dramatische Krise der Mittelstandsbank IKB? "Ein Einzelfall." Der Komplettkollaps von Northern Rock? "Gott sei Dank" werde man so was in Deutschland nicht sehen.

Für Beschwichtigungsversuche wie diese ist wiederum Illner gewappnet. Ackermanns höre sich an wie alle Banker derzeit, moniert sie: "Die Lautsprecherdurchsage auf der Titanic?" Kommentare des ZDF-Finanzexperten Michael Opoczynski werden eingespielt, die entlarven sollen und bedrohlich klingen. Es bestehe die Gefahr weiterer "gigantischer Wertverluste" auf dem Hypothekenmarkt. Noch dazu seien Autokredite in der Höhe von 300 Milliarden Dollar offen - was, "wenn das weiter rutscht?" Geldinstitute "tun immer so, als ob alles unter Kontrolle sei, auch wenn die Hütte schon lichterloh brennt", setzt er später noch einen drauf. "Banker sind so, sonst hätten sie den Job nicht."

Da lächelt Ackermann, der auch während solcher Einspieler ständig im Bild ist, ganz kurz wie ein Schulbub, der beim Schummeln erwischt wurde. Grübchen bilden sich auf seinen Wangen. Dann wiegelt er ab.

"Übertrieben Euphorie - da stehen wir dazu"

Das Problem der Sendung ist: Ackermann hat gelernt. Die Zeiten, in denen er Fotografen breit grinsend das Victory-Zeichen entgegen streckte, sind vorbei. Der Schweizer Manager gibt sich angemessen nüchtern, manchmal kalkuliert zerknirscht: Gerne gibt er auch zu, dass "wir in der Euphorie übertriebene Engagements eingegangen sind, und da stehen wir dazu". Aber, so rät er noch und zeigt gleich wieder sein spitzbübisches Lächeln, die Deutschen sollten doch an ihren Aktien festhalten: Er persönlich würde auch heute Deutsche-Bank-Aktien kaufen, "wenn ich selbst dürfte, ohne Insider zu sein." Aber sicher.

Wenn man den ruhigen Plauderton allerdings überhört, ist auch eine gute Portion Hilflosigkeit herauszuhören angesichts der unkalkulierbaren Risiken auf den globalisierten Finanzmärkten. Das Problem sei, "dass wir nicht mehr wissen, wo die Risiken in der ganzen Welt eigentlich sind", räumt Ackermann sogar ein. Die Banken seien vielleicht mit ihren risikoreichen Investments "zu weit gegangen." Die Deutsche Bank etwa sitze jetzt auf Krediten in Höhe von 29 Milliarden Euro, die neu bewertet werden müssen, streut er nebenbei ein – eine Randbemerkung, die den Aktienkurs heute prompt auf Talfahrt schickte. Zwischenzeitlich verloren die Papiere über drei Prozent an Wert.

Den Vorwurf, die Deutsche Bank habe der inzwischen schwer kriselnden Mittelstandsbank IKB selbst windige Kreditpakete angedreht, kontert er ebenfalls eher kleinlaut: Das Geldinstitut sei da "bei weitem" nicht an vorderster Stelle gewesen. Und die Kunden wären auch "alle sehr dankbar" für die Angebote gewesen. Dass ihm Illners forsche Fragen offenbar doch unangenehm sind, sieht man aber allenfalls an den auf dem Schoß verschränkten Fingern, die irgendwann nervös in Bewegung geraten.

"Ein, zwei Millionen mehr oder weniger..."

Am Ende aber wird Josef Ackermann trotzdem mit einem Lächeln das Studio verlassen haben. Denn irgendwann ist Themenwechsel angesagt – und dann geht es ein bisschen um Vorstandsgehälter, um Investoren aus China, die Wirtschaft in den USA und die Massenentlassungen bei der Deutschen Bank, die eigentlich längst schon Geschichte sind, und auch der Mannesmann-Prozess wird noch einmal kurz zum Thema. Das alles hat Ackermann schon oft durchgekaut, kein gefährliches Terrain mehr für den Chefbanker.

Er lächelt so charmant, dass das leichtfertige Plaudern über "ein, zwei Millionen mehr oder weniger" plötzlich normal erscheint. Manager, "mich mal ausgenommen", seien eben teuer, weil sie sehr gefragt sind. Und als wolle man ihm helfen, blendet die Regie eine Grafik ein, die selbst Ackermanns stattliches Salär von 13 Millionen Euro im Jahr wie ein Taschengeld wirken lässt. US-Manager wie Apple-Chef Steve Jobs streichen jährlich Hunderte Millionen Euro ein, lernt man da. Die Schmach des Mannesmann-Prozesses? "Ach ja, ich habe das eigentlich längst abgehakt", erklärt Ackermann abgeklärt.

Vielleicht hätte man sich dieses wilde Potpourri schenken sollen und stattdessen bei einem einzigen Thema so nachhaken sollen wie beim ersten. Vor allem aber sollte man eine Sendung mit einer derart umstrittenen Person wie Ackermann nicht mit einem "Bitte vervollständigen Sie die folgenden Sätze"-Spiel aufhören lassen: "Für die Europameisterschaft erhoffe ich mir,…" "…dass Deutschland und die Schweiz im Finale stehen." Heiteres Gelächter. "Die Schweizer reden langsamer als die Deutschen, weil…" "...weil sie langsamer denken." Ein Brüller. Der entscheidende Unterschied zwischen Schröder und Merkel? "Ich habe Frau Merkel als sehr vertrauensvoll empfunden." Schweigen und bedeutungsvolles Grinsen, das Publikum johlt.

Und dann, krönender Abschluss der Ackermann-Show im ZDF, darf er auch noch sagen, dass er nach der Karriere als Deutscher-Bank-Chef "der Gesellschaft etwas zurückgeben" möchte. Vielleicht im karitativen Bereich.

Vorher allerdings muss er seine Anleger beruhigen. Denn so manchem Finanzexperten zufolge ist die Kreditkrise noch lange nicht vorbei.

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