Kritischer Lidl-Artikel Regionalzeitung stellt Redakteurin wieder ein

Die Regionalzeitung "Badische Neueste Nachrichten" stellt eine zuvor fristlos gekündigte Redakteurin nach Kritik bundesweiter Medien wieder ein. Die Journalistin hatte einen kritischen Bericht über einen der größten Anzeigenkunden des Blattes geschrieben.

Karlsruhe - Die Rücknahme der Kündigung und die Wiedereinstellung sei jetzt "nur noch eine Formsache", sagte der Chefredakteur und Herausgeber der "Badischen Neuesten Nachrichten" ("BNN"), Klaus Michael Baur, der Nachrichtenagentur ddp. Zuvor hatten Medien bundesweit über den Fall berichtet.

"Es wird ein Vergleich angestrebt zwischen beiden Seiten", erläuterte Baur. Die überraschende Wendung begründete er damit, dass die seit elf Jahren bei den "BNN" tätige Redakteurin "journalistische Fehler eingeräumt" habe. Nun solle lediglich eine Abmahnung ausgesprochen werden. Es habe "eine Neubesinnung auf beiden Seiten" gegeben. "Man kann immer dazulernen", sagte Baur. Die Regionalzeitung erscheint im Raum Karlsruhe mit einer Auflage von 150.000.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte die Kündigung vom 5. September als "rechtswidrig" bezeichnet. Der baden-württembergische DJV-Vorsitzende Karl Geibel sprach von einem "ungeheuerlichen Vorgang" und der "Selbstaufgabe der Pressefreiheit durch ein Unternehmen". Die "BNN" sei "wirtschaftlichem Druck" gefolgt. Lidl ist ein großer Anzeigenkunde der BNN, der jährlich Annoncen im Wert von bis zu 1,4 Millionen Euro schaltet.

Baur sagte, es habe zwar nach dem Artikel eine "Unmutsbekundung von Lidl" gegeben. Der Discounter habe aber die Zeitung nicht erpresst, die 38-jährige Redakteurin zu entlassen. "Es hat nie eine Einflussnahme von Lidl auf die Berichterstattung und nie Druck wirtschaftlicher Art gegeben", betonte Baur.

In dem Ende August erschienenen Artikel mit der Überschrift "Handarbeit bei bis zu 24 Grad minus" berichtete die Journalistin über das Lidl-Zentrallager im baden-württembergischen Bietigheim. Dabei schilderte sie die Arbeitsbedingungen im Kühlhaus des Discounters sowie die hohe Fluktuation unter den Beschäftigten. Sie zitierte das "Schwarzbuch Lidl" der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, in dem Lidl die gezielte Verhinderung von Betriebsratsgründungen vorgeworfen wird.

Die Journalistin gab aber zugleich die bei einer Pressekonferenz gemachten Aussagen des Lidl-Betriebsrats im Zentrallager wieder, wonach die Beschäftigten "voll nach Tarif bezahlt" würden. In der Unterzeile des Artikels hieß es: "Lidl-Betriebsrat im Zentrallager wendet sich gegen Kritik an schlechten Arbeitsbedingungen". Aus Sicht des DJV war der Bericht "kritisch, aber nicht tendenziös".

"BNN"-Chefredakteur Baur sah dies anders. Wenn sich der Lidl-Betriebsrat - wie hier - vor die Lidl-Geschäftsführung stelle, dürfe dies "nicht zur Nebensache erklärt" und mit "sattsam bekannten Vorwürfen" gegen Lidl entwertet werden. Dies sei "keine korrekte journalistische Darstellung", hatte er die fristlose Kündigung begründet. "BNN"-Betriebsrat Ralf Kattwinkel sagte, die Leitung der Zeitung habe "völlig überzogen reagiert".

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