Künstlersozialkasse Mit Sicherheit Finanzprobleme
Wilhelmshaven - Es war nur ein Gerücht, doch es alarmierte freiberufliche Musiker, Grafiker, Journalisten, Drehbuchautoren, Schauspieler und Zeichenlehrer landauf, landab: Die Künstlersozialkasse sollte angeblich abgeschafft werden. Tausende Betroffene schickten Mails an Politiker, und die dementierten umgehend. Was nichts daran ändert, dass auch die Versicherung für Künstler und Publizisten wie alle Sozialversicherungssysteme ernste Finanzprobleme hat.
Die Kunst, Schwache zu stärken
Idee bei Gründung der Kasse 1983 war, den vielfach schlecht abgesicherten und nur mäßig verdienenden Freiberuflern zu einer Kranken- und Rentenversicherung zu verhelfen. "Müsste ich mich allein krankenversichern, wäre das kaum finanzierbar", sagt zum Beispiel Christian Beneker, freiberuflicher Journalist in Bremen. Das Prinzip der Kasse: Die Versicherten zahlen 50 Prozent der Beiträge, und die andere Hälfte übernehmen der Staat sowie die Verwerter der Künstler-Dienste, von Theatern bis Werbeagenturen.
Jahrzehntelang lief die Arbeit der in Wilhelmshaven ansässigen Künstlersozialkasse (KSK) geräuschlos. Doch aus Finanznot kürzte die rot-grüne Bundesregierung 1999 ihren Zuschuss von einem Viertel auf 20 Prozent. Seitdem bereitet die Kasse vor allem den Verwertern Sorgen, denn sie müssen aus ihrer Abgabe auf die Honorare jetzt nicht mehr 25 Prozent der Kosten tragen, sondern ein Drittel, und das wird ihnen allmählich zu viel.
In diesem Jahr beträgt der Abgabensatz noch 4,3 Prozent der Honorarsumme. 2005 sollen die Verwerter aber schon 5,8 Prozent berappen. Jens Michow, Präsident des auf das Musikgeschäft konzentrierten Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft in Hamburg, erklärt: "Unser Hauptkostenfaktor wird noch 35 Prozent teurer - das ist ein Hammer." Sollten die Abgaben weiter in die Höhe schnellen, "wird das zum Beispiel dazu führen, dass weniger Konzerte veranstaltet werden". Auch beim Deutschen Kulturrat und beim Deutschen Bühnenverein ist die Erhöhung auf Kritik gestoßen. Die Steigerung der Abgaben in den vergangenen Jahre entsprächen im Bereich darstellende Kunst einem Mehr an 350 bis 500 Prozent, rechnete der Bühnenverein vor.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) warf den Kritikern jedoch vor, die Neufestsetzung der Abgabe unnötig zu dramatisieren. Der DJV wies darauf hin, dass die Höhe der Abgabe auf einem gesetzlichen Automatismus beruhe.
Mehr Versicherte, weniger Geld
Schuld an der Abgabenerhöhung sind neben der Kürzung des Bundeszuschusses etwa die steigenden Versichertenzahlen. Anfang der neunziger Jahre zählte die Kasse 47.500 Versicherte, Ende Oktober 2004 waren es schon 139.000, wie deren Chef Harro Bruns erläutert. Nach einer Studie der Bundesregierung ist mit insgesamt 220.000 potenziellen Versicherten zu rechnen. Zum einen gebe es neue Berufe wie zum Beispiel Web-Designer, zum anderen lahme die Konjunktur.
Beispiel Verlagshäuser: Die Entlassungswellen spülten Scharen von Journalisten in die Freiberuflichkeit. Und wer heute erst am Anfang des Berufslebens steht, muss sein Glück schon fast zwangsläufig auf eigene Faust versuchen. Wolfgang Kiesel, beim Deutschen Journalistenverband ehrenamtlich für die Existenzgründungsberatung zuständig, glaubt: "Von 34 Volontären sind demnächst 31 in der KSK."
Bei der Suche nach Auswegen blicken die Verwerter zum Beispiel auf den Bundeszuschuss, der wieder steigen müsse, und die Mitglieder. "Viele Versicherte sind nur zum Randbereich künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit zu rechnen", sagt Rolf Bolwien. Der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenverbandes in Köln führt dabei etwa den "Dinosaurier-Modellierer" ins Feld oder die Visagisten.
Nutznießer genauer prüfen
Beide Vorschläge finden keine Freunde im zuständigen Bundesministerium und bei der KSK. "Eine Erhöhung des Bundeszuschusses ist aus Haushaltsgründen nicht in der Planung", sagt eine Sprecherin des Sozialressorts. KSK-Chef Bruns zufolge hat der Bundesrechnungshof der Kasse bescheinigt, Aufnahmeanträge sehr genau zu prüfen. Außerdem versuche man, Zweifelsfälle gerichtlich zu klären: "Laut Landessozialgericht Niedersachsen üben Trauerredner eine künstlerisch-publizistische Tätigkeit aus - wir haben dagegen Rechtsmittel eingelegt."
Das Ziel müsse nun sein, die Nutznießer künstlerischer Dienste gründlicher zu erfassen, so der Konsens von Ministerium und KSK. Zwar sind konkrete Zahlen nicht bekannt, doch Bruns zufolge zahlt längst nicht jeder, der müsste. Schwarze Schafe gebe es in allen Bereichen bis hin zu großen Unternehmen, die ebenfalls regelmäßig Künstlern und Publizisten Aufträge erteilen. Um mehr als die bisherigen 45.000 Verwerter aufzutreiben, hätte Bruns gern mehr Personal, zehn bis 15 zusätzliche Mitarbeiter für vier Jahre über seine 160 Stammkräfte hinaus. In Aussicht gestellt sind ihm zufolge bislang zwei.
Imke Zimmermann, AP