Kunst-Reaktionär Triegel So sieht der Papst sich gern
Normalerweise malt einer, der 1968 geboren ist, so nicht: Porträts und Stillleben, mythologische und heilsgeschichtliche Sujets - und all das stilistisch angelehnt bei den großen Meistern der Renaissance und des Frühbarocks.
Der Leipziger Künstler Michael Triegel aber malt so. Und er hat es damit weit gebracht. Seine Manier trug ihm den Auftrag ein, Papst Benedikt XVI. zu porträtieren. Seine Bilder sind bei Privatleuten und kirchlichen Sammlungen gefragt. Und das Leipziger Museum der bildenden Künste räumt ihm jetzt eine große Überblicksschau ein.
Schon der Titel dieser Ausstellung schlägt einen recht hohen Ton an und kündet von der "Verwandlung der Götter". Klar, dass bei der Eröffnung am Sonnabend nicht - wie bei Künstlern in Triegels Alter eher zu erwarten - ein DJ auflegt, sondern ein Sängerensemble Orlando di Lasso anstimmt.
Vermutlich ist das nicht anders zu erwarten bei einem, den der Papst bei einer Audienz mit den Worten begrüßte "Ach, Sie sind mein Raffael!", und der kurz darauf bei einem Interviewtermin in seiner Leipziger Galerie mit solidem Selbstbewusstsein ähnlich spitzbübisch auftrumpfte mit dem schönen Satz: "Die Kirche hat sich immer schon die besten gesucht."
Wohlgestaltete Schamregion
Natürlich würde ein Museum wie das Leipziger Haus nicht einfach einen ausstellen, der die Alten Meister nachpinselt. Richard Hüttel, Leiter der Graphischen Sammlung, sieht denn auch Phantasie und Kombinatorik am Werk wie bei kaum einem anderen Maler. Triegel gelängen "Meisterwerke der ikonografischen Verwandlung" und "verdichtete Rätselagglomerate".
Und Hüttel erläutert vor Triegels "Auferstehung", bei der die so unverhüllte wie wohlgestaltete Schamregion Jesu vor einigen Jahren kirchliche Proteste ausgelöst hat, die weit über Biblisches hinausgehenden Bezüge: Verwoben in die Szenerie seien Reverenzen an Nietzsches Entgegensetzung von apollinischem und dionysischem Prinzip, gespiegelt noch durch Thomas Manns Auseinandersetzung mit Nietzsche.
Uff.
Triegel hat an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert und die ist für ihre literarisch-narrative und handwerklich-traditionelle Ausrichtung bekannt. Zweifellos ist er ein gelehrter und technisch brillanter Künstler. So malt er an gegen die Regellosigkeit und Innovationssucht der zeitgenössischen Kunst, die Vernachlässigung des Handwerks und die Dominanz des Konzeptuellen. Wo alles geht, gilt ihm, ein Auftragswerk im Stil der Alten Meister zu malen, als letzte große Provokation.
Diesem vermeintlichen Regelverstoß hatte er schon mehrmals gefrönt, als ihn vor zwei Jahren der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller beauftragte, Benedikt XVI. zu konterfeien. Eine Porträtsitzung gestand ihm der Papst zwar nicht zu, aber er hat ihm einen bevorzugten Platz bei einer Audienz eingeräumt, bei der Triegel anderthalb Stunden lang skizzieren konnte.
Allzu liebreizende Physiognomien
Schon vor Monaten hat er dann die gültige Fassung des Porträts abgeschlossen, die jetzt in der Leipziger Schau erstmals öffentlich gezeigt wird. "Die Zeit", die den Künstler in seinem Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei besuchen durfte, befand schon vorab, das Porträt sei "sein bestes Werk" und gäbe "dem Genre des Papst-Porträts neuen Sinn".
Das erscheint doch ein bisschen hoch gehängt. Den eigentümlichen Blick des Kirchenoberhaupts hat Triegel zwar gut getroffen: das Gesicht misstrauisch halb abgewandt, mit den Augen aber dem Betrachter hellwach fixierend und mit einem fast unmerklichen Lächeln um freundliche Zuwendung bemüht.
Ein großes Bild ist das aber nicht. Dem Vergleich mit Raffaels berühmtem, eigentümlich kargen und verstörend unrepräsentativen Bildnis von Papst Julius II. hält es schon gar nicht stand. Dagegen wirkt es, pardon, doch ein wenig altbacken und von der Gnade der so viel späteren Entstehung keineswegs befördert.
Rückwärtsgewandte Positionen haben spätestens seit dem Einbruch des Kunstmarkts vor zwei Jahren Konjunktur. So malt etwa Sigrid Holmwood ländliches Glück im Stil des 19. Jahrhunderts - nur farblich etwas fluoreszierender. Ged Quinn, gesammelt etwa von Charles Saatchi, mischt die Landschaftsmalerei vergangener Jahrhunderte auf. Und die Arbeiten von Eoin Llewellyn, der sich als Mittler zu einer Welt des Metaphysischen versteht, erinnern an Manet, Rodin oder Velázquez.
Oft ist der spielerische Verstoß gegen das Innovationsgebot das einzig verständliche Argument für diese stilistischen Eskapismen. Und wenn bei Triegel liebreizende Physiognomien ("Flora", "Persephone") an Poesiealben-Ästhetik erinnern oder wenn - ohne erkennbare Ironiesignale - zentrale Figuren wie etwa sein feuer- und lichtbringender "Prometheus" seine eigenen Züge tragen, dann möchte man zu haltlos experimentierenden optischen Neutönern überlaufen. Generell aber enttäuscht vor allem, dass das Amalgam seiner Bezüge, Anspielungen und technischen Reverenzen zu keinem eigenen Ausdruck findet.
Wohlweislich, möchte man meinen, hat jemand am Eingang zu einer Werkstätte der Leipziger Kunsthochschule einen Zettel mit einem Gustav-Mahler-Zitat angebracht: "Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche."
Michael Triegel: Verwandlung der Götter. 28. November 2010 bis 6. Februar 2011, Museum der bildenden Künste Leipzig