"Kunstsaele Berlin" Jenseits von Egomania

Handel, Sammlung und Salon an einem Ort? Mit geregelten Öffnungszeiten für alle Kunstfans? Zwei Sammler, ein Galerist und eine Kuratorin haben in einer großbürgerlichen Wohnung die "Kunstsaele Berlin" eröffnet.

"Besessen" ist eines jener Wörter, mit denen Kunstsammler gerne beschrieben werden. Geltungsbedürftig seien sie, heißt es, gesellig und manchmal auch schrullig. Von bodenständigen, bescheidenen Sammlern hört man hingegen selten - und vielleicht passt das ja auch nicht in die bürgerliche Vorstellung einer Kunstszene, in der Geld und Leidenschaft eine Rolle spielen.

Genauso selten hört man, dass sich Sammler zusammentun und ihre Bilder und Skulpturen gemeinsam ausstellen. Zu groß sind die Egos. Seit vergangenem Wochenende jedoch gibt es eine Ausnahme: die "Kunstsaele Berlin" mit den Sammlern Stephan Oehmen und Geraldine Michalke.

Mit Jugendsünden fing alles an

Der Düsseldorfer Mediziner Oehmen ist bodenständig und neugierig, kein VIP-Partygänger. Schon 1982, noch als Student, kaufte er Kunst. Zunächst waren viele Jugendsünden darunter, "ganz ernst" sei es erst 1999 geworden, berichtet er, als er sein erstes "wirklich teures Werk" in einer Galerie gekauft habe: Dieter Kriegs "Die Hähnchenkeule" von 1987. "Seitdem ist mein Interesse gewachsen, weil ich von den Galerien gut informiert werde und immer wieder junge, unbekannte Positionen kennenlerne", sagt Oehmen.

Die meiste Zeit außerhalb des OP-Saales verbringt er mit Kunst; vor ein paar Jahren hat der Architekt Karl-Heinz Petzinka das Wohnhaus der Familie Oehmen speziell auf die Belange der Kunst abgestimmt: für Bilder von Düsseldorfer Krieg-Schülern wie Andreas Schulze oder Johannes Hüppi, von Künstlern wie Hartmut Neumann, Gert und Uwe Tobias und Tim Berresheim. Und für die großen Blätter des Berliner Zeichners Michael Müller.

Arbeiten von Müller besitzt auch Geraldine Michalke, die vor ein paar Jahren nach Halle/Saale in das alte Haus ihrer Familie zog und die ihre Kunst, wie Oehmen, nicht zur Repräsentation braucht. Seit 25 Jahren baut sie ihre "Sammlung Bergmeier" - ihr früherer Name - auf: "Mich interessiert eine gewisse Sinnlichkeit, Trauer, Liebe, Brüche und Unfertigkeiten", sagt Michalke. Und die findet sie oft in frühen Bildern des deutschen Informel, bei Gerhard Hoehme, Emil Schumacher und Sonderborg, aber auch bei jungen Leipziger Fotografen wie Ricarda Roggan und Matthias Hoch.

Hoehmes Statement "Wenn man nichts sieht, schaut man genauer hin" war für sie Anregung, Arbeiten von Malern wie Rupprecht Geiger, Gotthard Graupner, Günther Uecker und Carsten und Olaf Nicolai zu kaufen. Und die wolkigen großformatigen Zeichnungen von Michael Müller.

Als Müllers junger Galerist Alexander Hahn mit seiner Galerie Aanand & Zoo umziehen wollte und die für ihn viel zu großen Räume in der Bülowstraße 90 besichtigte, kam Müller auf die Idee, die beiden Sammler Oehmen und Michalke zu fragen, ob sie sich nicht an den 350 Quadratmetern beteiligen würden, um ihre Sammlungen zu zeigen.

Damals, im Herbst 2009, kannten sich Oehmen und Michalke noch gar nicht. Man traf sich und einigte sich schnell. Beide Sammler wollten ihre Schätze schon lange öffentlich zeigen. Bei Oehmen war das nach langen Diskussionen mit anderen rheinischen Sammlern an unterschiedlichen Vorstellungen gescheitert, und Michalke hatte die Idee aufgegeben, in einer Etage ihrer alten Villa auszustellen, weil es kein Interesse bei den Hallensern gab.

Ein starres Konzept gibt es nicht

Nun sind alle Beteiligten glücklich mit der Bülowstraße: regelmäßige Öffnungszeiten, zwei große Räume für Ausstellungen aus den Sammlungen, drei kleinere Räume für die Galerie Aanant & Zoo, plus Büro und Lager. Kein starres Konzept, mal thematische Schauen - wie jetzt zur Eröffnung "Zeichnungen" - oder auch mal von Künstlern kuratierte Ausstellungen im Sammlungszusammenhang.

Die Galerie zeigt ihr normales Programm, jetzt zum Beispiel mehr als 138 Zeichnungen des spanischen Konzeptkünstlers Fernando García, der finnische Wörter auf Aquarellen mit Zeichnungen kombiniert. Natürlich sind Handel und Sammlungen getrennt, aber auf die für April geplante Schau der Minimalistin Channa Horwitz freut sich Oehmen schon - weil er sie sammelt.

Ebenfalls im April wird die Kuratorin Ellen Blumenstein in den "Kunstsaelen" ihren "Salon populaire" (Kontakt über The Office ) mit Gesprächen, Vorträgen, Performances und Konzerten eröffnen. Ein Diskurs "über Kunst und angrenzende Themen" soll angestoßen werden. Hört sich nach einer Pflichtveranstaltung für alle Beteiligten der "Kunstsaele" an.


"Kunstsaele Berlin".  Bülowstraße 90. Mittwoch bis Samstag 11-18 Uhr. Ausstellungen "Zeichnungen" und "Fernando García" bis 10.4.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten