
Lady Gaga: Neues vom Duftmarkt
Star-Parfum Hier mieft's!
Jeder Star bietet ja mittlerweile einen Schnupperkurs, es gibt so gut wie kein Popsternchen, das nicht ein Parfum am Markt platziert hätte. Dass also auch Lady Gaga sich olfaktorisch austoben würde, war zu erwarten. Jetzt ist ihr eigener Duft in der Welt. Und mit ihm, wen wundert's, auch die Werbung dafür. Sie inszeniert die Kreation des Eau de Toilettes als alchemistisches Projekt - und als pornografische Tinktur, deren Schöpferin sich in homöopathischen Dosen über die weltweite Anhängerschaft verteilt.
Ein kurzer Film gewährt Einblick in die sogenannten Haus Laboratories, wo lackschwarzbehandschuhte Hände das Parfum "Fame" zusammenbrauen. Pulverisierte Aprikose, zerstoßenes Herz der Tigerorchidee und Tränen von Belladonna: Das sind offiziell die Ingredienzen. Klingt wie ein Rezeptauszug aus der Hexenküche von "Macbeth". Und in der Pressemeldung heißt es gar, man habe DNS-Spuren der Künstlerin beigemengt, zudem molekulare Bestände von Blut und Sperma.
Man könnte sagen: Gaga infiziert ihr Gefolge. Das Parfum ist die kosmetische Entsprechung des viralen Erfolges. Zehn Millionen Follower bei Twitter, 1,5 Milliarden Klicks für ihre Videos, fünf Millionen luden die erste Single des neuen Albums an einem einzigen Tag herunter. Und jetzt können sie alle Gaga auch in der Epidermis speichern.
Riecht nach Alien
Der Star bedient sich der Frauenwelt, die ja ihr Parfum tragen soll, zur globalen Reproduktion, alle weiblichen Fans weltweit sollen besamt werden mit ihrem Elixier. Gaga spielt selbst gern mit der Idee, unmenschlich zu sein. "Ich bin ein Monster", erklärte die gegenwärtig erfolgreichste Popmusikerin der Welt einmal, "auf die Erde gekommen, die menschliche Kultur zu infiltrieren, eine Paillette nach der anderen." Ein bisschen wie das Alien, jenes mythische Filmmonster.
Männer braucht das Paillettenwesen nur als Claqueure, Lady Gaga verwendet sie höchstens als Komparsen, vor allem zur Provokation. Im Video zum Song "Judas" zum Beispiel planscht sie mit Jesus und Judas in der Badewanne. Ob das jetzt die schaumige Aussöhnung von Gut und Böse mit den Mitteln des Whirlpools war, soll die Theologie entscheiden (oder eine bibelfeste Fachkraft von Douglas), fest steht: Der Mann ist hier, anders als in der konventionellen Popinszenierung, nicht mehr Liebesfetisch oder romantisches Zielobjekt, sondern schlichte Hardware.
Im einem zweiten, drei Minuten langen Werbefilm schreitet Gaga ein Spalier nackter Beaus mit Gesichtsmaske ab, Widergänger von Hannibal Lecter oder Bane, dem Schurken des letzten "Batman"-Films. Im Kino waren diese beiden Mistkerle noch arg verschwatzte Kulturkritiker: Was hat uns Lecter nicht zugetextet mit psychoanalytisch-kulinarischen Theorien. Und Bane: für einen Mann, der den Kühlergrill eines Range Rovers in der Visage herumträgt, war er ziemlich eloquent - und noch eine Tirade gegen die verkommene Moderne!
Parfümiert und reflektiert
"Parfum soll so einfach sein wie ein Haiku", erklärte der Duftguru Jean-Claude Ellena im SPIEGEL-Gespräch; so simpel und eingängig wie eines der berühmten japanischen Kurzgedichte. Gagas "Fame" wirkt dagegen so irritierend wie eine Werkausgabe von de Sade. Es sei das erste wirklich schwarze Parfum, erklärt die Reklame, ein Destillat der Exzentrik, in dem sich alles verdichtet, was pathologisch ist. Und cool.
Gwyneth Paltrow gilt nicht (mehr) als cool, aber als kühl. Sie wirbt zurzeit für Boss Nuit pour femme. Im Werbespot schlendert sie durch ein New Yorker Luxusapartment. "Das ist meine Nacht" sagt sie, sprüht sich ein und verschwindet. Wohin, das weiß keiner; auch was in den Nachtstunden wie und mit wem geschehen soll, bleibt offen. Dramaturgisch gesehen spricht hier nur die Kulisse: überall spiegelnde Fensterscheiben, sogar der Boden reflektiert. Ganz klar eine narzisstische Figur, die immer nur sich selbst begegnet.
Wie die Leute von Boss auf Paltrow gekommen sind? Unklar. Der Marktwert der Darstellerin ist gefallen, sie taucht jetzt sogar im Serienfernsehen auf ("Glee"), für Hollywood-Snobs eigentlich ein Tabu. Sie steht auch nicht unbedingt für Nightlife-Eskapaden, im Gegenteil: Mit Blogs, Büchern und Charity-Auftritten bekräftigt sie hartnäckig ihr Image des Korrektheitsapostels, der notorisch von gesundem Essen schwärmt, als könne man mit laktosefreier Kost den Weltfrieden herbeimümmeln.
Zieht man die Literatur zu Rate, wird die Sache verständlicher. Der Boss-Spot ist das ideale Ambiente für eine Bret-Easton-Ellis-Entgleisung. Schimmernde Eleganz, Marmor und Glas: Ein American Psycho hätte an dem sterilen Salon seine Freude - alles abwaschbar! Und vielleicht soll Paltrow ja genau so ein perfekt gestyltes Monster sein, das in die Nacht schreitet auf der Suche nach abschlachtbarem Material. Oder sogar ein Vampir, was bei diesem blutleersten Star Hollywoods seit Max Schreck - zumindest was Image und Gesichtsfarbe angeht - noch näher liegt.
Die Plakate zum Gaga-Parfum zeigen eine andere Gewaltphantasie: Sie posiert nackt, eine Venus, über die kleine Männer klettern. In Insektengröße verwandelt, versuchen sie einen Körper zu erobern, der sie mit einem Achselzucken abschütteln kann. Und hier spätestens weht nun wirklich ein ideologisch sehr markantes Düftchen heran: Um Männer unterzuordnen, braucht man keine Quoten, keine politische Regelung. Ein Parfum genügt.
Der Mann, eigentlich die Prüfinstanz für die Verführungstauglichkeit eines Parfums, ist hier nur noch eine marginale Größe. Wenn Marketing tatsächlich umwittert ist von den kulturellen Tendenzen der Zukunft, dann verströmt die Gaga-Kampagne den Duft einer verschärften Spielart von Postfeminismus.
Riecht nach härteren Zeiten für Männer.