Liturgie-Debatte Latein muss sein

Vor fast vierzig Jahren wurde die lateinische Messe aus der katholischen Kirche verbannt. Jetzt will der Papst sie wieder einführen. Unterstützt wird er auch in Deutschland - von führenden Intellektuellen.

Üblicherweise möchten Protestler etwas Neues durchboxen. Doch die prominenten Unterstützer des Manifests zur "Wiederzulassung der überlieferten lateinischen Messe" wollen Althergebrachtes auferstehen lassen: die sogenannte Alte Römische Liturgie, auch als lateinische Messe bezeichnet.

Theologisch korrekt heißt sie "tridentinische Messe", benannt nach dem Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts. Der mittelalterliche Ritus verstand sich als Antwort auf die Reformation: Während Martin Luther den Glauben des Einzelnen stärkte, sollte der katholische Gottesdienst in erster Linie dem Geistlichen gehören. So schrieben etwa die Regeln streng vor, das Gebet gen Osten auszurichten, von wo aus Christus wiederkehren soll – auch wenn der Priester dafür mit dem Rücken zur Gemeinde stehen musste. Gebete und Gesänge waren auf Latein zu hören.

1970 wurde diese Praxis katholischer Liturgie aus den Gotteshäusern verbannt. Es war ein Umbruch sondergleichen, als die Kirchenoberen im Zuge des II. Vatikanischen Konzil (1962 bis 1969) beschlossen, die bis dahin offizielle Gottesdienst-Sprache Latein abzuschaffen. Verständlicher sollte die Messe werden, näher am gläubigen Bürger, gehalten in der jeweiligen Volkssprache. Binnen weniger Jahre ließen der damalige Papst Johannes XXIII. und sein Nachfolger Paul VI. die Messbücher umschreiben. Von nun an beteten Priester auf Französisch, Deutsch oder Italienisch – mit Blick auf die Kirchenbänke.

Phalanx leidenschaftlicher Reformgegner

Der neue Messritus ("Novus Ordo") bedeutete aber auch, einen tief verwurzelten Brauch über Nacht abzuschaffen. Man wollte den Geist der tridentinischen Liturgie, der den Kleriker deutlich über den gewöhnlichen Gläubigen stellt, ausmerzen – und damit nicht zuletzt den Verlust von Gemeindemitgliedern stoppen.

Doch unterschätzte die oberste Kirchenleitung die konservative Fraktion: Seit Jahrzehnten kämpft eine Phalanx aus leidenschaftlichen Reformgegnern gegen das Verbot der lateinischen Gottesdienste. Eine Galionsfigur der Gegenbewegung ist der – mittlerweile verstorbene – französische Erzbischof Marcel Lefebvre. Er gründete die Priesterbruderschaft St. Pius X., die bis heute konsequent Messen in der althergebrachten Form abhält.

Auch weltliche Verfechter der klassischen Messe meldeten sich zu Wort. 1971 nutzten Schriftsteller wie Agatha Christie und Graham Greene, Musiker wie Yeduhi Menuhin und Vladimir Ashkenazy ihre Popularität, um in einem gemeinsamen Aufruf an den Vatikan zu appellieren: Ein über Jahrhunderte gediehenes Gefüge von religiöser Zusammenkunft, die spirituelle Basis der katholischen Gemeinde, dürfe nicht aussterben.

Die beharrlichen Proteste hatten Erfolg: Mitte der Achtziger lockerte Papst Johannes Paul II. den Konzilsbeschluss und ließ die verbotene Messe teilweise wieder zu – allerdings unter strengen Auflagen. Zudem musste jeder lateinische Gottesdienst einzeln vom Ortsbischof genehmigt werden. Dennoch finden heute in Deutschland wieder Gottesdienste in der Tradition des "Tridentinischen Konzils" statt.

Moderne Gottesdienste auf Latein? Die Anhänger erklären, dass man auch ohne großes Latinum der Messe folgen könne; heute würden Predigt und Evangelien in der jeweiligen Landessprache vorgetragen. Allerdings sind Tages- und Schlussgebet dem Priester vorbehalten. Dafür kommen die Gläubigen beim gemeinsamen Singen zum Zug: Das "Kyrie" und "Gloria" singen Gemeinde und Priester zusammen - auf Latein.

Wiederauferstehung noch in diesem Jahr?

Spätestens seit Joseph Ratzinger zum Papst gekürt worden ist, haben die Traditionalisten neue Hoffnung: Benedikt XVI. ist als Kritiker der Liturgie-Reform von 1970 bekannt. Schon in seiner Kardinalszeit machte er aus seiner Meinung kein Geheimnis: "Wer die Alte Messe verbietet, der ächtet damit die ganze Vergangenheit der Kirche. Wie sollte man ihrer Gegenwart trauen, wenn es so ist?", fragte er in einem Gespräch zur Jahrtausendwende.

Die Wiederauferstehung der lateinischen Messe scheint also in greifbarer Nähe. Anführer der religiösen Retro-Bewegung hierzulande ist Heinz Lothar Barth, Dozent für Philologie an der Bonner Universität. Seit Jahren wirbt er auf seinen christlichen Sommerakademien für eine freie Ausübung des tradierten Gottesdienstes. Anfang des Jahres hat er das "Manifest zur Wiederzulassung der überlieferten lateinischen Messe" verfasst und schart nun deutsche Intellektuelle um sich.

Von einer "Verbürgerlichung der Gottesdienste", einer "Rationalisierung", spricht Barth. Vor der Liturgie-Reform sei mit feierlichen Messgewändern und üppigem Altarsschmuck viel mehr Wert auf prunkvolles Zelebrieren gelegt worden - diese Kultur müssen gleichberechtigt existieren dürfen, fordert er.

Schriftsteller wie Botho Strauß und Martin Mosebach haben bereits zugesagt, das Manifest zu unterstützen. Die Verfechter der Traditions-Liturgie mahnen: "Das Erbe der katholischen Kultur darf nicht einfach weggesperrt werden", heißt es in der Erklärung. Die Alte Messe sei ein "überragendes Werk der Weltkultur, vergleichbar den Domen oder Kathedralen, die für diese Liturgie geschaffen worden seien."

Ähnliche Aktionen starten Kulturschaffende auch in Frankreich und Italien, in dortigen konservativen Tageszeitungen tauchen regelmäßig ähnliche Appelle auf. Gleichzeitig melden sich geistliche Gegner zu Wort, die das katholische Gefüge zerfasern sehen: Eine Öffnung der Gottesdienste für einst abgeschaffte Methoden würde die Geschlossenheit der Kirche gefährden, warnen sie.

Doch sprechen alle Zeichen für die Traditionalisten – und vermutlich würde die "Reform der Reform" auch ohne den Rückhalt der Intellektuellen über die Bühne gehen. Bereits im Dezember vergangenen Jahres ließ Benedikt XVI. verkünden, er werde "bald nach Weihnachten" verfügen, dass die lateinische Messe künftig von jedem Priester frei zelebriert werden darf.

Korrektur: In der ersten Fassung dieses Artikels wurde die Schriftstellerin Ulla Hahn als Unterzeichnerin des"Manifests zur Wiederzulassung der überlieferten lateinischen Messe" genannt. Frau Hahn hat nach eigenen Angaben das Projekt jedoch nicht unterstützt.

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