Loriot ist tot Deutschland trauert um den Meister des Humors

Loriot ist tot: Deutschland trauert um den Meister des Humors
Foto: Radio Bremen/ dpaZürich/Berlin - Bundespräsident Christian Wulff hat den verstorbenen Humoristen Vicco von Bülow als "lebensklugen Beobachter menschlicher Schwächen" gewürdigt. "Wir haben durch Loriot lachen gelernt über die komplizierten und die allereinfachsten Schwierigkeiten des Lebens. Wir haben seine Einfälle bewundert, seine unerschöpfliche Phantasie und seine vornehme Gelassenheit."
Der 87-jährige Loriot - mit richtigem Namen Vicco von Bülow - war am Montag in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche gestorben, wie der Diogenes Verlag am Dienstag in Zürich mitteilte. Die Beerdigung soll im engsten Familienkreis stattfinden.
"Sein unvergesslicher Humor hat uns Freude bereitet und menschliches Verhalten unnachahmlich gespiegelt", sagte Wulff. Mit seinen Sketchen habe Loriot Fernsehgeschichte geschrieben. Der Bundespräsident betonte: "Wir sind traurig über einen unersetzlichen Verlust."
Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Bülow als eine der großen Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland. "Vicco von Bülow hat das kulturelle Leben in Deutschland über Jahrzehnte geprägt und als Loriot ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Deutschen ein gelassenes Bild ihrer Mentalität und Gewohnheiten gewinnen konnten", erklärte Lammert.
Die ARD-Vorsitzende Monika Piel erinnerte an die "unnachahmliche Komik und Intelligenz" des "feinsinnigen Humoristen und Humanisten", der es verstanden habe, "Menschen aller Generationen zu unterhalten - ihnen auch manches Mal den Spiegel vorzuhalten - ohne dabei zu verletzen". Seine zeitlosen Sketche und Filme seien nicht nur Teil der deutschen Fernsehgeschichte, viele Dialoge hätten längst ihren Platz in unserem Alltag gefunden. Vicco von Bülow werde unvergessen bleiben.

Loriot: Der große deutsche Humorist ist tot
Loriot galt als Deutschlands erfolgreichster und nobelster Humorist, durch Bücher, mit Karikaturen und satirischen Prosastücken, Filmauftritten, Fernsehserien und Spielfilmen erreichte er ein Millionenpublikum.
Seine zahlreichen Sketche sind legendär - etwa die Nudel im Gesicht beim verpatzten Rendezvous, der missglückte Auftritt des Lottogewinners Erwin Lindemann oder die Cartoons "Herren im Bad" und "Das Frühstücksei". Auch seine beiden Kinofilme "Ödipussi" (1988) und "Pappa ante Portas" (1991) begeisterten Millionen Menschen.
Loriot wurde zunächst mit Zeitschriften-Cartoons und Knollennasen-Männchen bekannt. Später kamen die Fernsehsketche, etwa in der ARD-Serie "Loriot I-VI" (Erstausstrahlung 1976-1979), hinzu. In Sketchen wie über die Familie Hoppenstedt trat Loriot meist selbst als wandlungsfähiger Schauspieler hervor, oft mit seiner bereits 2007 gestorbenen Kollegin Evelyn Hamann. Legendär wurden auch die Figuren Wum und Wendelin, die er für die ZDF-Sendung "Der große Preis" entwarf.
Manche nannten den aus Brandenburg an der Havel stammenden Offizierssohn auch den "Karl Valentin des Cartoons und der Fernsehunterhaltung" oder "Deutschlands komischste Figur". Auf jeden Fall war Loriot einer der populärsten Deutschen. In Umfragen nach der Beliebtheit kam er regelmäßig auf einen der vordersten Plätze. Im Jahr 2007 landete er bei der ZDF-Sendung "Unsere Besten - Komiker & Co" auf Platz eins.
Wappentier als Pseudonym
Als Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow wurde der Komiker am 12. November 1923 in Brandenburg geboren. Er entstammt einer alten preußischen Offiziersfamilie, seine Vorfahren verkehrten am Hof Friedrich des Großen. Vicco von Bülows ausgeprägtes Zeichentalent fiel schon in der Schule auf. Mimische Qualitäten stellte er in zahlreichen Statistenrollen an der Stuttgarter Staatsoper und als Komparse beim Film unter Beweis.
Nach dem Notabitur wurde Loriot 1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Er war zuletzt Oberleutnant. Über bedrückende Erlebnisse während des Russland-Feldzugs berichtete er nur zögernd, so in einem SPIEGEL-Interview über "die später beschämende Erkenntnis, das Grauen des Kriegs hingenommen und eingeordnet zu haben". Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schlug er sich zunächst als Holzfäller durch. Von 1947 bis 1949 studierte Loriot dann Malerei und Grafik an der Hamburger Landeskunstschule.
Ab 1950 arbeitete Loriot als freiberuflicher Karikaturist für verschiedene Zeitschriften. Seine Arbeiten erschienen unter dem Pseudonym "Loriot", dem französischen Namen des Wappentiers (Pirol) der Familie Bülow. Hauptfigur seiner Karikaturen wurde ein korrekt gekleidetes Strichmännchen mit Knollennase. Loriots erfolgreiche Cartoon-Bücher wie "Auf den Hund gekommen" (1954) oder "Der gute Ton" erschienen ab Mitte der fünfziger Jahre in rascher Folge und boten in Bild und Wort "Lebenshilfe" in allen möglichen Situationen.
1967 bis 1972 lief die erste Loriot-Fernsehserie "Cartoon" im Abendprogramm der ARD, die zunächst als Dokumentationssendung zur internationalen Karikatur gedacht war, sich dann aber zu einer satirisch-humoristischen Sendung entwickelte. Loriot zeichnete als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller seiner eigenen Sketche verantwortlich und zeigte in den tragisch-komischen Rollen eine enorme Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit.
Berühmt und überaus populär wurde insbesondere der 1971 von Loriot erfundene Fernsehhund Wum, der bis 1996 für die ZDF-"Aktion Sorgenkind" in der Spielshow "Der große Preis" zusammen mit dem Elefanten Wendelin warb. 1976 entstand die erste Folge der sechsteiligen Fernsehserie "Loriot", in der Vicco von Bülow sowohl gezeichnete als auch selbstgespielte Sketche präsentierte und damit auch seine kongeniale TV- und Filmpartnerin Evelyn Hamann populär machte.
1978, auf dem Höhepunkt dieser beispiellosen TV-Karriere, machte er nach rund hundert Sketchen Schluss mit der öffentlich-rechtlichen Unterhaltung und schuf nur noch für seine runden Geburtstage Parodien rund um die beliebten "Loriot"-Szenen. Das ganze, immer noch sehr beliebte Loriot-Programm ist inzwischen auch komplett auf DVD erhältlich.
Kulturvermittlung durch Humor und Ironie
Nach einer Phase, in der er sich hauptsächlich der Musik zugewandt hatte, drehte Loriot mit seiner bewährten Sketch-Partnerin Evelyn Hamann den Film "Ödipussi" (auch Drehbuch und Hauptdarsteller), der am 9. März 1988 als Doppelpremiere in beiden Teilen Berlins vorgestellt wurde. Diese vielfach ausgezeichnete Komödie gilt als einer der größten deutschen Filmerfolge.
In den DEFA-Studios Potsdam-Babelsberg und an Originalschauplätzen in der Noch-DDR realisierte Loriot 1990 mit "Pappa ante Portas" seine zweite Kinokomödie um einen überraschend pensionierten Manager, der seiner Frau (Evelyn Hamann) im Haushalt unter die Arme greifen möchte und damit ein chaotisches Durcheinander erzeugt.
Auch in den neunziger Jahren überzeugte der Meister des feinsinnigen Humors sein Publikum mit den erfolgreichen Bemühungen, die Bildende Kunst, die Musik und Literatur mit Humor und Ironie zu vermitteln. Unter dem Titel "Wo es um Freundschaft geht" präsentierten Loriot und Walter Jens im Oktober 1994 im ausverkauften Hamburger Schauspielhaus (später auch unter anderem in Wien und Zürich) Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen Friedrich dem Großen und Voltaire. In den Münchner Kammerspielen las Loriot 1996 aus Thomas Manns Werken. In jenem Jahr war er eigenen Angaben zufolge der meistgespielte Bühnenautor in Deutschland.
1997 überraschte Loriot das TV-Publikum mit der neuerlichen Bearbeitung seiner früheren TV-Erfolgssendungen. Aus allen Produktionen seit 1967 wurden 14 neue, 25 Minuten lange Sendungen, die die ARD ab Juni 1997 ausstrahlte. "Die getreulichste Spiegelung der bundesrepublikanischen Wirklichkeit findet sich zweifellos bei Loriot", schrieb dazu die "FAZ" und stellte fest: "Er allein hat die Archetypen der Bonner Republik entworfen, Männlein wie Weiblein."
Seinen endgültigen Abschied vom Fernsehen kündigte Loriot im April 2006 in der ZDF-Talkshow "Johannes B. Kerner" an. Zuletzt lebte er zurückgezogen am Starnberger See.