Loriot und Evelyn Hamann Frau Jodelschnepfe und Herr Stocksteif
Humor? Eine Frage von Strenge und Disziplin! Beides besaß Evelyn Hamann. Ohne sie wären Loriots Sketche nur halb so lustig - und abgründig. Gemeinsam nahm das Traumpaar die verklemmten Deutschen ins Visier und sorgte für mehr Aufklärung als alle Kolle-Filme zusammen.
Niemand hat je im Fernsehen eine so enthemmt pöbelnde, zugleich würdige Ehegattin gespielt: Das war in dem Sketch zum "Kosakenzipfel" - und Evelyn Hamann, die in dieser Perle deutschen Humors die Wütende gab, beantwortete das "Jodelschnepfe" ihrer Widersacherin mit einem gellenden "Winselstute".
Und es war natürlich Loriot, der ihr diesen Schmäh auf Lippen und Stimmbänder schrieb - aber es war die Hamann selbst, die aus dieser Vorlage ein Juwel an schauspielerischer Genauigkeit schliff. Ohne diese Präzision, so wusste Loriot gewiss selbst, wäre seine Komik in Klamauk verendet, hätten seine Pointen ins Beliebige versanden können.
Loriots Geschichten vom Jodeldiplom, vom Kauf eines Ehebetts, von im Desaster endenden Treffen mit sommerlichen Campingplatzbekanntschaften, von der hysterisch-verklemmten Eheberaterin oder der Fernsehansagerin kurz vor dem Nervenzusammenbruch - all diese Meisterstücke wären ohne die Hamann kaum denkbar. Sie, 1942 in Hamburg geboren, lernte Vicco von Bülow, also den schon als Loriot bekannten Zeichner, Karikaturisten und Fernsehmann, Mitte der siebziger Jahre bei Radio Bremen kennen. Dort spielte sie am Theater - und Loriot suchte für "Loriot I-VI" eine "blonde, pummelige Hausfrau".
Dann eben nicht pummelig
Nichts von alledem hatte die Hamann zu bieten - woraufhin am Ende des Castings Loriot sagte: "Liebe Frau Hamann, wenn Sie auf unsere Kosten mehrere Wochen täglich Schweinshaxen essen, meinen Sie, Sie werden dann fülliger?" Die Befragte, eher dürr und dunkelhaarig, mochte dies nicht versprechen. Woraufhin Loriot lapidar sagte: "Gut, dann eben nicht pummelig."
So wurde sie zum Star dieses Kabinetts an (sehr deutschen) Charakteren, obwohl sie von sich stets behauptete, über kein Talent zur Komik zu verfügen. Doch wie der Meister selbst setzte sie auf exakte Einsätze, Mimiken und körperliche Gesten. Nach ihrem Tod im Jahr 2007 sagte Loriot: "Ich habe eine treue Partnerin und wir alle eine wunderbare Schauspielerin verloren, der es immer gelang, die heiklen Seiten des Lebens durch Komik zu überwinden."
Evelyn Hamann wusste wie ihr Partner, dass Komik nicht durch die Provokation von Lachsalven entsteht, sondern durch Akkuratesse. 34 Mal, so heißt es, hat Loriot Evelyn Hamann beim Dreh seines Films "Pappa ante portas" durch einen Hundehaufen laufen lassen - erst bei der letzten Aufnahme habe es beiläufig und wahrhaftig genug ausgesehen.
Und die Hamann ließ es nicht nur geschehen, sie fand in Loriot genau jenen Autor und Regisseur, der ihrer eigenen Idee von Schliff und Eleganz nahe kam: "Die Inszenierung von Humor erfordert Strenge, Kunstfertigkeit und Disziplin."
Nur beim Sterben versagte das Timing
Lange nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit, nach dem Publikumserfolg "Pappa ante portas", blieben sie in freundschaftlichem Kontakt. Die Hamann konnte sagen: "Ich bin eine Freundin seiner Familie. Und Vicco verdanke ich alles. Wir telefonieren häufig und jedes Wiedersehen ist ein Fest für uns."
Ein Bekenntnis allerdings, das nur die halbe Wahrheit aussprach - und der taktvollen Bescheidenheit der Hamann entsprach: Beide verdankten einander jede Menge. Als Evelyn Hamann am 28. Oktober 2007 einem Krebsleiden erlag, knapp drei Monate nach ihrem 65. Geburtstag, sprach anderntags Loriot, zu Gast in der Talkshow "Beckmann", den nettesten und würdigsten Satz, den er über seine Partnerin hat sprechen können: "Liebe Evelyn! Dein Timing war immer perfekt - nur heute hast du die Reihenfolge nicht eingehalten. Na warte!"
Sie ist nun selbst wieder häufig im Fernsehen zu sehen - Gedenksendungen zu Loriot sind ohne sie undenkbar. Sie tritt auf als Fräulein Dinkel, Sekretärin des Chefs einer Trikotagenfirma; als Hildegard, die ihren Verehrer unterbrechen muss, weil der einen Spaghettifaden im Gesicht kleben hat; als Diplom-Psychologin Margarethe Tietze in "Ödipussi", die sich mit ihrem Bekannten Paul Winkelmann, Geschäftsführer eines Stoff- und Möbelgeschäfts, gegen dessen Mutter zu behaupten sucht.
Die Hamann und Loriot - das war ein Komikerduett ohne Anzüglichkeit und Vulgarität, eher ein Paar, das mitten in den Siebzigern, dem deutschen Jahrzehnt ehetherapeutischer Erkundungsreisen ("Ich bin ich, Du bist du") die Steifheit und Verklemmtheit der deutschen Seelenlandschaften auf die Schippe zu nehmen verstand, ohne die Protagonisten der Lächerlichkeit preiszugeben.
Loriot und die Hamann in ihren Sketchen - das sind auch Dokumente aufbrechender Verklemmungen und Geschichten von der Mühe, immer locker zu bleiben und es nicht zu können. Im Sinne Sigmund Freuds könnte man sagen: Beide haben mit ihren Filmen schwer im Bergwerk der neuen deutschen Lockerheit gearbeitet, sie haben mehr zur Zivilisierung deutscher Lüsternheit und verschwitzter Phantasien beigetragen als die meisten Aufklärungsfilme jener Zeit.
Ihr Mittel? Das befreiende Lachen, das uns Frieden finden lässt mit den Unpässlichkeiten des Lebens.