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"Die Befragung": Geheime BND-Verstecke

Foto: Marc M¸ller/ picture alliance / dpa

Inszenierung in München Performance entlarvt Verstecke des Geheimdiensts

Eine Theaterperformance befasst sich mit den Verstecken des Bundesnachrichtendiensts in München. Die Zuschauer werden Teil der Aktion: Sie sind neue Agenten, die in den Job eingewiesen werden.

Es könnte so harmlos wirken, doch als die adrette Sekretärin mit den frischen Hortensien das Besprechungszimmer betritt, keimt beim Besucher erster Verdacht. Ist in den blauen Blüten vielleicht eine Kamera versteckt? Ist der Job, der dem Bewerber hier angeboten wird, überhaupt legal? "Sie werden die Personen abschöpfen", erklärt der Schauspieler, der einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes spielt. Darum gehe es bei der neuen Arbeit. Das alles geschehe zum Wohle der Bundesrepublik: "Die Sicherheit des Staates ist das Wichtigste."

Diese Szene ist Teil des situativen Loops "Die Befragung" des Künstlers Franz Wanner. Hier wird ein Einführungstag für neue BND-Mitarbeiter durchgespielt. In einem neben Spielhallen und Billigfriseuren gelegenen geheimen Münchener Büro wuseln Menschen durch Gänge und tippen eifrig in Computer - im Konferenzraum nimmt derweil der Zuschauer die Rolle eines neuen Geheimdienstlers ein, der in seine Arbeit in der "Hauptstelle für Befragungswesen" eingewiesen wird. Er soll geflüchtete Menschen über ihre Heimat ausfragen, über mögliche Terrorgefahren und lokale Strukturen.

Jeder Bewerber unterschreibt zunächst ein fiktives Dokument, die Situation ist beklemmend. In nüchternem Ton gibt der BND-Ausbilder dann zu verstehen, der Neuling müsse auch minderjährige Migranten befragen - natürlich ohne deren Eltern. Den Einweiser scheinen mögliche ethische Bedenken nicht zu interessieren. Mit ernster Miene erläutert er, dass auch Agenten "befreundeter Staaten" bei den "Befragungen" genannten Verhören anwesend sein können. Dann gibt er noch einen Hinweis: Man solle die gerade nach Deutschland gekommenen Migranten ruhig darauf hinweisen, dass die Preisgabe nützlicher Informationen zu einem positiven Asylbescheid führen könne.

Gesonderte Dienststelle für süchtige Geheimdienstler

Zwar ist das Büro, an dem ein Schild mit der Aufschrift "Südtechnik" hängt, kein echter BND-Standort. "Aber so ähnlich dürfte die Einführung neuer BND-Mitarbeiter in ihren Job ausgesehen haben", sagt Künstler Franz Wanner. Im Rahmen des Festivals "Public Art Munich"  und in Kooperation mit den Münchener Kammerspielen inszeniert er, wie der BND arbeitete. Für einen der vielen Beiträge des Festivals, die auf drei verschiedenen Routen durch München erlebbar sind, hat der für multimediale Installationen bekannte Wanner öffentlich zugängliche Quellen nach möglichen BND-Außenposten durchforstet .

Unterstützt wurde Wanner dabei von dem Geheimdienst-Experten Erich Schmidt-Eenboom, der im Großraum München eine immense Zahl an nachrichtendienstlichen Tarnadressen fand. Der Großteil der 150 Verstecke sei dem BND zuzuordnen, einige gehörten anderen Diensten wie etwa dem Militärischen Abschirmdienst oder den Amerikanern. Ein kleiner Teil der Standorte wird laut Schmidt-Eenboom, der auch mit ehemaligen Agenten sprach, noch genutzt. Ein Faltplan des Künstlers verrät dem Besucher der Münchner Performance, welche Adressen wofür genutzt wurden, und erläutert florale geheimdienstliche Codes: Mit "Koriander" seien die Niederlande gemeint, "Aster" stehe für Großbritannien und "Narzisse" für Frankreich.

Künstler Franz Wanner

Künstler Franz Wanner

Foto: Kilian Blees

Dabei entdeckte man auch Skurriles: So hatte der BND einen eigenen Ableger in der Münchner Tangastraße, in dem Menschen arbeiteten, die als Agenten oder anderweitig im Dienst eigentlich nicht mehr tragbar waren. Etwa, weil die Männer und Frauen Alkoholiker oder spielsüchtig waren. "Weil man Angst hatte, dass sie sonst zu einem feindlichen Dienst wechseln könnten, schmiss man sie jedoch nicht raus", so Schmidt-Enboom. Intern sei das Referat als "der Bund der Unfähigen" bezeichnet worden.

"Wir brauchen als Gesellschaft keine Institution, die nur im Geheimen agiert", sagt Wanner. "Der BND hat nicht das Vertrauen, das etwa andere staatliche Organisationen wie die Polizei genießen." Besonders eine Entdeckung im Rahmen des Projekts kostete im katholischen Südbayern viel Vertrauen in den Auslandsgeheimdienst: Der BND unterhielt im Nordturm der Münchner Frauenkirche seit Jahrzehnten eine Funkanlage. Nach einem SPIEGEL-Bericht gingen Katholiken auf die Barrikaden. Mittlerweile hat der BND sie nach eigenen Angaben abmontiert.

Offiziell alles aufgelöst

Die Hauptstelle für Befragungswesen wurde nach Angaben des BND bereits im Juni 2014 aufgelöst. "Eine Nachfolgeorganisation gibt es nicht", so der Geheimdienst. Wanner glaubt der offiziellen Darstellung des BND allerdings nicht. Es sei gut möglich, dass es auch weiterhin Vernehmungen von Flüchtlingen in anderen Abteilungen des Geheimdienstes gebe, so die These seiner Inszenierung.

Zwischen 2000 und 2013 hatte die Behörde gut 15.000 Asylbewerber und Flüchtlinge befragt, darunter zum Teil traumatisierte Menschen. Einer Anfrage der Linken an die Bundesregierung von 2016 zufolge wurden dem Bamf allein zwischen 2000 und 2013 gut 850 Fälle gemeldet, bei denen der BND oder der Bundesverfassungsschutz in den jeweiligen Asylverfahren zu Gunsten der Flüchtlinge interveniert hat - zumindest der Großteil erhielt anschließend Asyl.

Unter den Angestellten der Befragungsstelle waren allerdings auch US-Spione. In Sitzungen des NSA-Untersuchungsausschusses kam heraus, dass Angehörige der amerikanischen DIA Geflüchtete zusammen mit deutschen Geheimdienstlern befragten - mitunter sogar allein. Da jedoch nur deutsche Agenten Flüchtlinge befragen durften, sollen die Agenten zur Tarnung deutsche Personalausweise, Führerscheine und Dienstausweise der Hauptstelle bekommen haben.

Auch in Wanners Inszenierung erhält der angehende BND-Novize eine gefälschte Identität. Während der angebliche Ausbilder auf eine an die Wand projizierte Landkarte deutet, auf der zahlreiche rot markierte "Gefährderstaaten" zu sehen sind, fragt sich der Besucher vor allem, wie der Fake-BND an ein Foto von ihm gekommen ist.

Gut möglich, dass das überdimensionale Mikrofon in der Mitte des Tischs auch eine Kamera enthielt - oder haben womöglich die Amerikaner durch den Blumenstrauß die Einweisung der Mitarbeiter belauscht? Schließlich soll die Hortensie für die florale Bezeichnung der US-Geheimdienste gestanden haben...


Franz Wanner: "Die Befragung". Bis 22. Juli, Dachauer Straße 29, München. Mehr unter pam2018. 

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