Münchner Kunstschatz Taskforce will 590 mögliche Raubkunst-Bilder ins Netz stellen
Berlin/München - Hunderte weitere Gemälde des Münchner Kunstschatzes sollen von kommender Woche an im Internet zu sehen sein. Dies kündigte die Leiterin der Taskforce "Schwabinger Kunstfund", Ingeborg Berggreen-Merkel, am Donnerstag in Berlin an. Die Staatsanwaltschaft Augsburg werde alle rund 590 Werke, die als mögliches NS-Raubgut gelten, bekanntgeben. "Mit der Veröffentlichung auf lostart.de kann die Herkunft der (...) sichergestellten Kunstwerke so rasch und transparent wie möglich festgestellt werden", erklärte Berggreen-Merkel.
Dass die insgesamt gut 1400 Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst. Eine erste Liste von 25 Bildern mit möglichem Nazi-Raubkunst-Hintergrund war daraufhin Anfang der Woche auf www.lostart.de veröffentlicht worden. (Die Übersicht der nun veröffentlichten Bilder finden Sie hier).
Bayern strebt eine gütliche Einigung mit dem Kunstsammler-Sohn Cornelius Gurlitt an, bei dem die Bilder gefunden wurden. Justizminister Winfried Bausback sagte der "Süddeutschen Zeitung", es wäre im Interesse aller, "wenn es zu einer einvernehmlichen Lösung käme". Wer sich daran beteilige und damit auch an einer Rückgabe von früherem Eigentum jüdischer Bürger und anderer Verfolgter mitwirke, dem gebühre "Respekt und Anerkennung".
Es gehe um Deutschlands Verantwortung für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus, sagte Bausback. Ihm sei wichtig, dass die Erforschung der Herkunft der Bilder "jetzt auf breiter Front mit vereinten Kräften erfolgt". Geklärt werden müsse, welche Bilder "Nazi-Raubkunst" seien und den Eigentümern im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die nationalsozialistische Terrorherrschaft entzogen worden seien.
Zahlreiche Anfragen von Erben jüdischer Verfolgter
Die Staatsanwaltschaft erhält zahlreiche Anfragen von Nachkommen jüdischer Verfolgter und anderer Anspruchsteller. Alle Anfragen würden geprüft und beantwortet, sagte ein Sprecher. Wenn ein gesuchtes Bild nicht in der Sammlung sei, gehe die Bearbeitung schnell. In anderen Fällen seien längere Nachforschungen erforderlich.
Am Mittwoch hatten die Erben des Künstlers Max Ernst schriftlich bei der Staatsanwaltschaft Zugang zu den beschlagnahmten Werken Ernsts gefordert, wie der Kölner Anwalt Jürgen Wilhelm am Donnerstag mitteilte.
Die Bilder waren in der Münchner Wohnung des Kunsthändler-Erben Cornelius Gurlitt beschlagnahmt worden. Die Staatsanwaltschaft steht mit Gurlitt zurzeit nicht in Kontakt. "Wir wüssten aber, wo wir ihn erreichen könnten, wenn wir Kontakt haben wollten", sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Einen Anwalt habe sich Gurlitt nicht genommen. "Es ist sein gutes Recht, nichts zu sagen." Gurlitt habe die beschlagnahmten Kunstwerke bisher nicht zurückgefordert.
Der Kunstfund hat bisher vier unbekannte oder verschollene Werke des Malers Otto Dix (1891-1969) ans Tageslicht gebracht: "Dompteuse", "Dame in der Loge", "Dame mit Hut" und ein Selbstporträt mit Zigarette.
Zuletzt war der Druck auf die Bundesregierung zum Handeln enorm gewachsen. Zahlreiche Museen, die US-Regierung und weitere Institutionen wie der Jüdische Weltkongress hatten ein transparenteres und zügigeres Vorgehen bei der Aufklärung der Herkunft der Werke sowie die Veröffentlichung einer Liste aller gefundenen Kunstwerke gefordert.